Kárason Das Gelobte Land
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-641-06782-3
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, Band 3, 272 Seiten
Reihe: Die Baracken-Trilogie
ISBN: 978-3-641-06782-3
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Familiesaga aus dem Wilden Norden geht weiter: Inzwischen schreiben wir die siebziger Jahre, und wieder begegnen wir unseren Freunden von Camp Thule, dem Baracken- und Glasscherbenviertel in Islands Hauptstadt Reykjavík, allen voran Lina, der Wahrsagerin, und Tommi, dem Krämer. Ihr altes Haus wurde platt gewalzt, doch mit der halsstarrigen Lebensfreude seiner Bewohner wird kein Bulddozer fertig. Es sind Menschen, die mehr von Marlon Brando als von der Edda halten, schonungslos modern, unerhört findig und nie um eine Antwort verlegen.
Einar Kárason, geboren 1955, ist einer der wichtigsten Autoren der skandinavischen Gegenwartsliteratur. Berühmt wurde er durch seine Trilogie »Die Teufelsinsel«, »Die Goldinsel« sowie »Das Gelobte Land«. Sein Roman »Sturmerprobt« stand auf der Shortlist des Nordischen sowie des Isländischen Literaturpreises. Für »Versöhnung und Groll« erhielt er den Isländischen Literaturpreis. Zuletzt erschien bei btb 2017 die Isländer-Saga »Die Sturlungen«, an der der Autor über ein Jahrzehnt arbeitete. Für »Sturmvögel« wurde er 2020 mit dem schwedischen Kulturhuset-Stadsteatern-Preis für internationale Literatur ausgezeichnet. Kárason lebt in Reykjavík.
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"Kalter Truthahn (S. 104-105)
Manni erschien blass hinter der geöffneten Tür, als wir nach dieser Fahrt ins Krankenhaus die Hütte des Schweinehirten aufschlossen. Er sagte, er habe schon geglaubt, wir seien alle abgehauen und hätten ihn allein in diesem unheimlichen Haus zurückgelassen. Wir fragten, was denn eigentlich so beängstigend sei an dieser armseligen Hütte, und er antwortete, es sei ihm ernst, den ganzen Nachmittag sei er sehr nervös gewesen. Wir Brüder waren so beschäftigt mit unseren eigenen Erfahrungen und Erlebnissen, dass wir keine Lust hatten, uns das wirre Gerede von jemandem anzuhören, der den ganzen Tag im Haus herumgehangen hatte.
Aber als es etwas ruhiger wurde und wir uns am Abend unterhielten, stellte sich heraus, dass sich doch einiges ereignet hatte auf der Crossroad Ranch, während wir damit beschäftigt waren, Oma zu retten. Als Bóbó und ich mit Daisy zum Auto hinausliefen, war der Schweinehirt vom Küchentisch aufgestanden und hatte sich im Schlafzimmer eingeschlossen, als ob er vorhabe, sich auf die Überreste des Wasserbetts zu legen. Manni begann daraufhin, durch das Haus zu stromern und es sich schlechtgehen zu lassen, allein und müde und von Kälteschauern geschüttelt, wegen des nassen Fußbodens, bis auf einmal laute Gespräche aus dem Schlafzimmer drangen. Sonderbare Gespräche; schwierig, einzelne Worte zu verstehen, und immer wieder zustimmendes Lachen: oh yes, haha, yes!
Eine Stunde, Stimmen von Leuten in einem Zimmer, in das niemand außer Rod hineingegangen ist. Bis Manni diese Ungewissheit schließlich nicht länger ertragen konnte und durch das Schlüsselloch hineinspähte und den Schweinehirten mit der rosa Tapete sprechen sah. Allem zustimmend, was sie sagte. So ging es einen Großteil des Tages weiter, während Manni auf einem Küchenhocker vorn an der Haustür wartete und an seinen Nägeln kaute.
Dann auf einmal wurde die Schlafzimmertür aufgestoßen, und der Schweinehirt stürmte auf Manni zu, schien ihn aber gar nicht zu bemerken, sondern fegte nur an ihm vorbei und schlug die Tür hinter sich zu. Wenig später hörte man Schläge und Bruchgeräusche von draußen irgendwoher, und als Manni aus dem Fenster guckte, sah er, dass Rodney mit der Schaufel auf ein Gebäude auf dem Hof eindrosch; stand und schlug mit einem erdigen Spaten darauf ein, als ob er sich mit diesem weißverputzten Haus in einem Kampf auf Leben und Tod befände.
Aber da kamen drei kräftige Kerle aus dem großen Wohnhaus angelaufen, entrissen dem Jungen die Schaufel und prügelten ihn durch, als ob sie Stockfisch weichklopften. Schlugen ihn ins Gesicht, dass das Klatschen über den ganzen Hofhallte, und traten ihm zum Schluss in den Hintern, als er zusammengekrümmt und schluchzend dort im Dreck lag. Danach war er wieder in die Hütte gekommen und hatte sich unter großem Stöhnen hingelegt, zwischendurch brüllte er vor Wut. Der arme Manni. Verbrachte den Rest des Tages zusammengekauert auf dem Sofa, die Beine hochgezogen, um keine nassen Füße zu bekommen."