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E-Book, Deutsch, 452 Seiten
Koch Ein Sarg für die Tante
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-8192-3462-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 452 Seiten
ISBN: 978-3-8192-3462-0
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kurt Koch, geboren in Weilerbach in der Westpfalz, zeigte von früh an außergewöhnliche Fähigkeiten. Nach einer Schulzeit als Klassenbester absolvierte er eine Lehre als Maschinenschlosser mit Bestnoten und eine Sonderausbildung bei PFAFF Kaiserslautern. Er sammelte internationale Erfahrungen, darunter drei Jahre in Ecuador und weitere Jahre in Lateinamerika, wo er als Berater und Betriebsleiter tätig war. Nach seiner Rückkehr aus Chile baute er in Deutschland ein erfolgreiches Kunsthandwerk auf, veröffentlichte 13 Fachbücher, entwickelte Videolehrmaterialien und patentierte technische Hilfsmittel für das Holzschnitzen. Seit 2000 widmet er sich ausschließlich dem Schreiben und hat bis 2023 insgesamt 22 Bücher veröffentlicht. Kurt Koch, Vater von fünf Kindern und mit der Pariserin Anne-Marie verheiratet, bleibt ein waschechter Pfälzer, dessen Karriere von Kreativität, Tatkraft und Vielseitigkeit geprägt ist.
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1
An seinem Arbeitsplatz in der Bank für Internationale Beziehungen, BiB, fuhr Oskar Schiller als erstes seinen Computer hoch. Wie immer tat er das vor dem offiziellen Arbeitsbeginn. Die meisten seiner Kollegen zogen dagegen in dieser Zeit ein Schwätzchen vor. Es hatte Zeiten gegeben, da lästerten sie über seine Überpünktlichkeit. Es waren aber doch mehr freundschaftlich gemeinte Kommentare. Mittlerweile sahen sie in seinem Handeln nur noch die persönliche Marotte, über die sich niemand mehr Gedanken machte.
Er betreute seit acht Jahren mit seinen Kollegen im gleichen Großraumbüro die Abteilung Statistik.
Jetzt gab Oskar das Passwort und einen zusätzlichen, persönlichen Geheimcode ein. Wie immer lauerten bald im Hintergrund die Elektronen, die dienstbaren Geister der Bits und Bytes darauf, um seine Befehle entgegenzunehmen.
Das war jetzt für ihn der Moment, in dem er sich routinemäßig noch in aller Ruhe einen Becher Kaffee aus der Maschine holen konnte. Es war zu langweilig auf dem Monitor den altbekannten Initiationsritualen, Icons und Sperenzien zuzuschauen. Oskar Schiller konnte sich darauf verlassen, dass sein PC in weniger als einer Minute bereit war Zahlen, Linien, Kurven, Balken, Tortengrafiken und derlei Gewünschtes vorzuzeigen. Dann würde die Maschine bis Feierabend keine Mucken mehr machen. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal einen Techniker brauchte, um seiner Rechenmaschine Flausen auszutreiben.
Als er mit seinem Kaffee wieder an den Arbeitsplatz kam, bot ihm sein Monitor ein seltsames, ein für ihn so völlig ungewohntes Bild. Es sah auf dem Bildschirm alles so ganz anders aus, absolut ungewohnt. Er fühlte sich, noch im Stehen, lange Sekunden so, wie man sich verloren glaubt, wenn man an den Parkplatz kommt und das Auto ist nicht mehr an der Stelle, wo man es - ganz sicher - abgestellt hatte. Es ist weg. Man schaut und schaut und ist der Meinung, bis hin zur felsenfesten Überzeugung, dass das Auto doch hier sein muss, sein müsste. Man will es nicht glauben, was man sieht oder, in diesem Falle, auch nicht sieht. Genauso verloren schaute er lange Sekunden wie gebannt immer wieder auf das Rechteck des Bildschirms.
Er konnte und wollte es einfach nicht glauben, was ihm da geboten wurde.
Jeden Augenblick würde sein Programmbild wieder da sein. Es würde da sein müssen. Für einen kleinen Moment schloss er fest seine Augen. Als er sie wieder öffnete, war jedoch, entgegen seiner Hoffnung, der fremde Anblick immer noch da.
Er ließ seine Augen kreisen, dann von unten nach oben wandern und auch noch von Seite zu Seite. Eine Entscheidung war gefragt, aber er wusste noch nicht, was er dazu wirklich suchte oder brauchen würde. Die Überraschung war perfekt. Er war wirklich überrumpelt und fühlte sich aus der sicheren Bahn einer vertrauten Routine geworfen.
Oskar pflegte eine Marotte, die er aber keinesfalls als Aberglauben sehen wollte. Demnach stellte er jetzt in einem Anflug von Resignation fest, dass dies kein gutes Omen für den vor ihm liegenden Arbeitstag war. Das konnte ja heiter werden, dabei hatte der korrekterweise noch nicht einmal begonnen. Was würde da noch so an allerhand unliebsamen Überraschungen auf ihn zukommen?
Er fand sich mit dem, was er sah, einfach nicht zurecht. Dabei war sein Unterbewusstsein bereits einen Schritt weiter und hatte den Tatbestand wirklichkeitsgetreu registriert. Oskar befand sich jedoch weit davon entfernt diesen anzuerkennen, ja ihn wenigstens bewusst zu beachten. Verdrängen war eine seine weniger guten Charaktereigenschaften. Im Verbund mit Fatalismus. Und, er hatte sich bisher erfolgreich dagegen gewehrt, diese Eigenschaft, mit dem Ziel einer Besserung, zu analysieren. Geschweige denn ihn auszumerzen oder ihn wenigstens zu verbannen. Ja schon, es gab Ansätze dazu, aber auch die verdrängte er wieder - recht erfolgreich.
Er wartete noch eine Weile, so als wollte er Zeit gewinnen und daran glauben, dass sich der Zustand des Bildschirmes einfach von einem zum anderen Moment wieder verändern würde. Dann würden wieder seine altvertrauten Klickpunkte auftauchen. Dann erst würde wieder ein neuer Arbeitstag beginnen können. Ja, so oder so ähnlich würde es kommen.
Der Bildschirm tat ihm aber nicht den Gefallen. Das, was er sah bewegte sich nicht, ja es flimmerte nicht einmal. Es war einfach da, unverrückbar da. Ein stures Standbild, wie eingefroren.
Oskar sah sich verstohlen um. Würden die Kollegen auch ihre Ratlosigkeit mit einem dazugehörenden Gesichtsausdruck entsprechend bezeugen? Doch da waren erst drei angekommen. Sie standen in unmittelbarer Nähe der Kaffeemaschine beisammen. Wahrscheinlich diskutierten sie über das gestern Abend im Fernsehen übertragene Fußballspiel. Keiner schaute in seine Richtung.
Mit ihren Computern hatten sie sich noch nicht beschäftigt. Jetzt erst glaubte er festzustellen, dass ihre Computer überhaupt noch nicht einmal hochgefahren waren. Wieso überraschte es ihn aber diesmal? Es war doch an jedem Tag gleich.
Nach einer Weile weiteren Staunens über die Machenschaften der Speicher, Prozessoren, Widerstände, Transistoren, Dioden, schaute er sich doch einmal die Darstellungen der bisher unbekannten Monitoroberfläche an.
Pfui Deibel, schoss ihm jetzt doch die klare Erkenntnis durch den Kopf, da ist ja eine geheime Kundenliste und genau die, die noch geheimer als geheim sein sollte. Da waren sicher alle Kunden mit Einlagen, von denen gerade einmal der Einleger wusste und niemand anders sollte eigentlich mit den Daten zu tun haben. Ausgenommen natürlich in der Bank die Spezialisten, Anlageberater, Akquisiteure, Buchhalter, Prokuristen, Abteilungsleiter, Prüfer usw. und es war nur logisch, dass alle die hohen Tiere in den Stockwerken über seinem Großraumbüro Bescheid wussten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar auch gleichzeitig die Initiatoren und Drahtzieher waren.
Sein erster Impuls war: Programm beenden. Raus da. Rasch beenden. Dieses Datengewusel mit den langen Zahlenkolonnen schnellstens verschwinden lassen. Ja keinen Fehler machen und plötzlich sogar als Angeklagter, als Schuldiger, eventuell gar als vorsätzlich Handelnder dastehen.
Der Begriff Vertrauensbruch schoss ihm durch den Kopf. Warum auch immer. In seinem Hals hatte sich ein Kloß gebildet. Er hätte im Augenblick nicht eine verständliche Silbe hervorbringen können. Leicht hätte er sich in den nächsten Sekunden und Minuten zu den absurdesten Selbstvorwürfen versteigen können.
Doch dann bremste er sich aus. Schließlich, als er ein wenig mehr seine Emotionen überwunden glaubte, zog er einen Besuch bei einem Vorgesetzten in Betracht. Aber natürlich, das war´s. Bloß, wer kam dafür in Betracht? Und wenn er den Falschen traf? Wieder rollte es wie eine neue, ihn verschlingende Angstwelle auf ihn zu und er fühlte sich regelrecht überfordert.
Wiederholt rotierten in seinem Gehirn Begriffe wie Maulwurf, Spionage, Straftäter, Ehrloser und andere nicht minder schockierende Selbstanklagen. Er musste jetzt allein entscheiden und genau das lag nicht in seinem Naturell. Er war ein guter Angestellter. Seine Position füllte ihn voll und ganz aus. Es gab so gut wie keine Konflikte mit seinen Vorgesetzten. Er liebte seinen Arbeitsplatz. Er konnte sich seit Jahren eigentlich keine andere Stellung, dazu eventuell noch mit viel mehr, eigentlich zutiefst unerwünschter Eigenverantwortung, vorstellen. Hier verbrachte er seine Tage, hier verdiente er sein Gehalt, hier schwamm er wie ein Fisch im Wasser und manchmal, nun ja, nicht nur manchmal, ließ er sich, zufrieden mit sich selbst, auch treiben.
In solchen Momenten fühlte er sich, zufrieden mit sich selbst, weit weg von seiner ehrgeizigen, unzufriedenen, allzu oft impulsiven und energiegeladenen Gattin.
Aber jetzt war er gefordert, weit mehr als ihm lieb war und er spürte, dass er echt keine Zeit mehr zur Verfügung hatte, einen Entschluss noch weiter hinauszuschieben.
Etwas bis jetzt Unbekanntes regte sich in ihm. War es sein Unterbewusstsein?
„Quatsch“, sagte er halblaut - und erschrak.
Seine Gedanken entglitten ihm wieder. Nein, auf diese Weise wollte er sich nicht festlegen, auf das was <das bedeuten sollte, das, was er später machen konnte - wollte - sollte>. Es erschien ihm vorübergehend wie etwas Dunkles, etwas Unfassbares, Gefährliches, etwas nicht Erlaubtes, ja streng Verbotenes. Mit derlei hatte er sein Leben lang noch nichts zu tun gehabt und jetzt - nein, er wischte mit einer Handbewegung etwas Unsichtbares vor seinem geistigen Auge weg. Nein und nochmals nein, jetzt würde er auch nicht damit beginnen. Mit was beginnen? ... fragte er sich bereits mit einer gehörigen Portion Scheinheiligkeit, und spielte für sich selbst den Überraschten.
Und dann spürte er doch, wie ihm etwas aus seinem bisherigen Leben entglitt. Er konnte es nicht festhalten. Oder wollte er es gar nicht?
Wieder schaute er sich nach den Kollegen um. Der eine hatte bereits Platz genommen. Der machte wie immer sein gelangweiltes Gesicht. Er hatte gerade die randlose...