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E-Book, Deutsch, Band 281, 336 Seiten

Reihe: Die Andere Bibliothek

Kleßmann Universitätsmamsellen

Fünf aufgeklärte Frauen zwischen Rokoko, Revolution und Romantik

E-Book, Deutsch, Band 281, 336 Seiten

Reihe: Die Andere Bibliothek

ISBN: 978-3-8477-5281-3
Verlag: AB - Die Andere Bibliothek
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



'Mit Schirm, Charme und Verstand'*

Die deutsche Romantik ist wieder ein Thema – und mit ihr Leben und Schicksal von fünf ebenso gescheiten wie attraktiven Göttinger Töchtern, die ihre Angelegenheiten mit erstaunlicher Selbstverständlichkeit und Willenskraft in die eigenen Hände genommen haben. Dorothea Schlözer zum Beispiel, die als erste Frau in Europa den Titel eines Doktors der Philosophie erhielt, ihre Urkunde aber nicht in Empfang nehmen konnte, weil Frauen die heiligen Räume der Universität nicht betreten durften.

Oder ihre Freundin Therese Heyne, die noch recht jung den Weltumsegler Georg Forster heiratete, ihn aber später zugunsten des Schriftstellers Ludwig-Ferdinand Huber verließ. Nach dessen Tod leitete sie sieben Jahre lang die Redaktion von Cottas 'Morgenblatt'; vermutlich war sie nicht nur in Deutschland die erste Frau, die ein journalistisches Amt von solchem Einfluss versah. Oder Caroline Schlegel, geborene Michaelis, der in der entstehenden jungen Romantik eine bedeutende Aufgabe zufiel.

*Dorothea Schlözer, Therese Heyne, Caroline Michaelis, Meta Forkel und Philippine Gatterer:

In fünf eindrucksvollen Porträts entwirft Eckart Kleßmann mit Elan und voller Liebe die Bilder einer Galerie der frühen Emanzipation und dokumentiert ein wichtiges, ernstes und zugleich amüsantes Kapitel der Kultur- und Gesellschaftsgeschichte, das erst unsere Zeit ganz zu würdigen vermag.
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Die Obrigkeit
ERFOLGREICHER ALS IM KAMPF GEGEN die Hunde und ihre Besitzer war das Bemühen, gegen eine Unsitte einzuschreiten, die man harmlos als »Ausgießen« bezeichnete. Gemeint war damit das rücksichtslose Ausleeren gefüllter Nachttöpfe aus dem Fenster, worüber 1760 geklagt wurde, »könnte die Polizey die bösen Sündfluthen aus den Fenstern hemmen, so wäre auf den Gassen auch des Abends gut fortzukommen«. So beschwerte sich 1765 eine Metzgerstochter über einen von ihr namhaft gemachten Studenten, »er habe schone vielmahls auf ihren Laden zugegossen und ihnen Speck, Wurst und Pflaumen zuschaden gemacht«. Nun griff endlich die Obrigkeit ein und wies die Studenten an, »sich des Ausgießens des Wassers, es mag dasselbe beschaffen seyn, wie es wolle, auf die Strasse so wohl des Tags als des Nachts über gänzlich zu enthalten«, wiewohl Michaelis behauptete, Studenten seien viel zu gut erzogen, um solche Verstöße zu begehen, die Schuldigen seien die Aufwärterinnen. Peinlich war freilich, daß die Polizei nun noch gegen die Professoren Böhmer und Claproth Anzeige wegen nächtlichen »Ausgießens« erstattete und diese daraufhin protestierten, die Polizei habe sich damit »eine unmittelbare Gerichtsbarkeit über ihre Personen angemaßet«; um den Tatbestand als solchen ging es also gar nicht einmal. Das 18. Jahrhundert gab sich in den Fragen der Hygiene ziemlich lax. Die Kanalisation der Städte erfolgte erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts, und die wiederholten Klagen über den »Gassenkot« sind ganz wörtlich zu nehmen. Wie in den meisten kleinen Städten hielten sich die Bürger Schweine, Ziegen, Schafe und Kühe, die vom Gemeindehirten morgens abgeholt und auf eine öffentliche Weide geführt und abends ihren Besitzern wieder zurückgebracht wurden. Bei ihrem Zug durch die Straßen fielen einige Hinterlassenschaften an, für deren Beseitigung sich niemand zuständig fühlte. Seinen persönlichen Unrat entleerte man in die Gosse, denn längst nicht jedes Haus verfügte über einen Abtritt. Selbst im großen und reichen Hamburg besaß damals nur jedes zweite eine »Laube« oder »heimlich Gemach«, und auch in einer solchen Stadt wollten die Beschwerden über die allgemeine Unreinlichkeit nicht enden. Die in Göttingen getroffenen Maßnahmen begannen aber zu wirken, und die kleine Stadt wurde zusehends reinlicher, wenn sie auch von modernen Sauberkeitsvorstellungen noch weit entfernt blieb. Beschwerten sich Professoren über eine angemaßte Polizeigewalt, was häufiger geschah, so hatte das mit der besonderen Stellung der Universität in den Fragen der Rechtsprechung zu tun. Zwar unterstand die Universität dem Geheimen Rat in Hannover, und der König und Kurfürst war ihr Rektor. Doch gab es ein eigenes und weitgehend autonomes Universitätsgericht. Es bestand aus den vier Dekanen der Fakultäten, dem Universitätssyndikus und dem Sekretär unter dem Vorsitz des Prorektors, der für den fernen Rektor in London die Universitätsgeschäfte führte. Dieses Gericht entschied über alle Zivil- und Kriminalsachen, soweit sie die Universität und der ihr Angehörenden einschließlich aller Studenten betrafen. Das Gericht konnte die Schuldiggesprochenen auf mehrere Weisen bestrafen: durch eine Geldbuße, durch eine Freiheitsstrafe in den fünfzehn Räumen des Karzers (überstieg sie eine Dauer von neun Monaten, so überstellte man die Verurteilten in das Zuchthaus von Celle), durch das Consilium abeundi, wonach ein Student die Universität zu verlassen hatte, oder in schwereren Fällen durch die Relegation, die auch anderen Hochschulen mitgeteilt wurde, wodurch es schwierig, wenn nicht unmöglich wurde, sein Studium auf einer anderen Universität fortzusetzen. Zur Erzwingung von Geständnissen besaß das Gericht auch das Recht, die Folter anzuwenden, was aber niemals geschah. In einem einzigen Fall ist die Todesstrafe verhängt worden (ein Student hatte 1766 einen anderen in einem – grundsätzlich verbotenen – Duell erstochen), aber man ließ den Täter entkommen, um sie nicht vollstrecken zu müssen. Als im Mai 1780 ein Goldschmied von einem Studenten im Streit mit der Schrotflinte erschossen wurde, entkamen der – namentlich bekannte – Täter und seine beiden Gefährten unmittelbar nach der Tat. Worauf der Universitätskurator Georg Friedrich Brandes, der Nachfolger des 1770 verstorbenen Freiherrn von Münchhausen, an den Professor Christian Gottlieb Heyne schrieb: »Das Beste ist, daß der Thäter das Weite genomen hat, und ich wünsche, er möge nicht ertappt werden.« Stammten die Angeklagten aus der Aristokratie des Landes, verhinderte der Geheime Rat in Hannover aus Rücksicht auf die Adelsfamilie eine Strafverfolgung. Verhandelt wurden Beleidigungsklagen, Tätlichkeiten, Diebstähle, Unterschlagungen, Schadenersatzforderungen und die ständig anfallenden Sittlichkeitsdelikte. Immer wieder kamen illegal Prostituierte in die Stadt, die aus der Sexualnot der Studenten klingende Münze zu schlagen wußten. Daß Prostitution in Göttingen streng verfolgt wurde, hatte wenig mit Moral zu tun, doch sehr viel mit der Angst vor venerischen Krankheiten. Lichtenberg spricht 1772 von 176 infizierten Studenten. Die leichteren Infektionen konnte man heilen, nicht aber die gefährlichste, die luetische, die Syphilis. Die Ärzte waren verpflichtet, die von ihnen behandelten Studenten nach der Quelle ihrer Ansteckung zu fragen und diese dann der Polizei zu melden. Niemals also hätte die Universität ein Bordell geduldet, denn die Ausbreitung venerischer Krankheiten hätte schlimme wirtschaftliche Folgen für die Stadt gehabt und einen verheerenden Ruf für die Universität, weil Eltern ihre Söhne nicht mehr nach Göttingen gelassen hätten. Doch immer wieder kam es zu Klagen gegen Studenten, die ein Mädchen »geschwächt« hatten. Jedes elfte Neugeborene in Göttingen 1776 war unehelich. Meistens betraf es das Dienstpersonal, also die »Aufwärterinnen«, die nun ein »Satisfaktionsgeld« einklagten, auch das »Stuprum« genannt, als Schadenersatz für die verlorene Ehre. Da konnten dann schon einmal 100 Taler fällig werden. Bei einer Schwängerung drohten Alimentszahlungen nach der Geburt des Kindes, das waren 1 bis 2 Taler monatlich bis zum vollendeten 14. oder 15. Lebensjahr, dazu kamen noch 5 Taler Entbindungskosten. Verständlich also, daß solche Klagen abgewiesen werden mußten, und das Universitätsgericht unterstützte gern die Sache der Beklagten, denn welche Familie mochte noch ihre Söhne zum Studium nach Göttingen schicken, wenn dort liederliche Frauenspersonen deren Ehre (sprich Geldbeutel) zu ruinieren trachteten. Wer also, fragte das Gericht, hatte nun wen verführt und unter welchen Umständen? Den »Beweis einer wirklichen Verführung« hatte die Klägerin zu erbringen, was selten gelang. Waren Geldgeschenke oder Gaben von einigem Wert im Spiel gewesen, so galt das schon als Hurerei und somit als strafwürdig. Und natürlich bestritten die beklagten Studenten heftig ihre Vaterschaft, die damals medizinisch noch nicht nachzuweisen war, und sagten der Klägerin ein Lotterleben nach. So wurde einmal behauptet, die klagende Aufwärterin sei von vier Studentendienern »in compagnie gebraucht« worden. Da war der »würkliche Urheber« dann freilich fein heraus, zumal Zeugen preiswert zu haben waren. Johann Nikolaus Becker, der sich 1793 als Student der Rechtswissenschaften in Göttingen hatte immatrikulieren lassen, schrieb fünf Jahre später: »Wenn sich einmahl der Fall ereignet, daß ein lebendiger Zeuge eines vertrauten Umganges zwischen einem Studenten und Mädchen zum Vorscheine kommt, so ist schon durch ein eigenes Gesetz dafür gesorgt, daß der Student dabey nicht gefährdet werden kann. An andern Orten geräth der Liebhaber in einem solchen Falle gewöhnlich in große Verlegenheit, und findet sich heimlich durch ungeheure Summen ab, die ihn in seiner Haushaltung ganz und gar zurücksetzen und wird doch noch zuletzt von der Mutter vor Gericht belangt. Hier nicht also. Alle heimlichen Contracte in dieser Rücksicht sind durchaus null und Niemand ist verbunden sich mit seiner Liebhaberinn durch starke Summen oder wohl gar durch die Ehe abzufinden. Verrufene Mädchen kriegen für ihre Schmerzen keinen Dreyer, und nur dem Kinde muß ein kleiner Unterhalt gegeben werden, wenn sich der Student als Vater bekennt. Den Geschwängerten liegt noch überdas der überzeugendste und bündigste Beweis ob. Ich befand mich gerade hier, als dieses Gesetz gegeben wurde, und man hat mir damahls erzählt, daß die Mädchens auf eine Zeit dadurch so abgeschreckt worden wären, daß sie keinem Studenten auch nur die kleinste Freiheit erlauben wollten. Sie riethen ihnen insgesammt, sich kastriren zu lassen.« Den Studenten war die Heirat kategorisch verboten. Versuchten sie aber, sich jenseits der Landesgrenzen heimlich trauen zu lassen, so wurde die Eheschließung vom Universitätsgericht für nichtig erklärt, der Student in Haft genommen und der betroffenen Dienstmagd bedeutet, wer Studenten verführe, käme ins Zuchthaus. Nach Abschiebung der Sünderin wurde der Student auf freien Fuß gesetzt. Die klagenden Frauen entstammten durchweg dem Dienstpersonal, also der Unterschicht, Bürgerstöchter waren nie darunter. Selbst Vergewaltigungen, manchmal nachts auf der Straße begangen, wurden nicht einmal dann geahndet, wenn der Täter namentlich bekannt war; den Aussagen der natürlich alles abstreitenden Männer wurde eher geglaubt als ihren Opfern, vor allem, wenn die Täter von Adel waren. Redlich verhielt sich Georg Christoph Lichtenberg. Er hatte seine Haushälterin Margarethe Elisabeth Kellner von 1783 an in schöner...


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