E-Book, Deutsch, 118 Seiten
Reihe: Reclams Universal-Bibliothek
Textband mit Anmerkungen/Worterklärungen und editorischer Notiz. Mit Erstfassung der Schlussszene - Kleist, Heinrich von - 91
E-Book, Deutsch, 118 Seiten
Reihe: Reclams Universal-Bibliothek
ISBN: 978-3-15-960007-9
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Heinrich von Kleist (18. 10. 1777 Frankfurt a. d. O. - 21. 11. 1811 zwischen Potsdam und Berlin am heutigen Kleinen Wannsee) bewegte sich in romantischen Dichterkreisen, seine bis heute modern wirkenden Dramen und Erzählungen entziehen sich allerdings schematischen Stil- und Epochenzuordnungen.
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Szene: Die Gerichtsstube
Erster Auftritt
Adam sitzt und verbindet sich ein Bein. Licht tritt auf. LICHT. Ei, was zum Henker, sagt, Gevatter Adam! Was ist mit Euch geschehn? Wie seht Ihr aus? ADAM. Ja, seht. Zum Straucheln braucht’s doch nichts, als Füße. Auf diesem glatten Boden, ist ein Strauch hier? Gestrauchelt bin ich hier; denn jeder trägt Den leidgen Stein zum Anstoß in sich selbst. LICHT. Nein, sagt mir, Freund! Den Stein trüg jeglicher –? ADAM. Ja, in sich selbst! LICHT. Verflucht das! ADAM. Was beliebt? LICHT. Ihr stammt von einem lockern Ältervater, 10 Der so beim Anbeginn der Dinge fiel, Und wegen seines Falls berühmt geworden; Ihr seid doch nicht –? ADAM. Nun? LICHT. Gleichfalls –? ADAM. Ob ich –? Ich glaube –! Hier bin ich hingefallen, sag ich Euch. LICHT. Unbildlich hingeschlagen? ADAM. Ja, unbildlich. Es mag ein schlechtes Bild gewesen sein. LICHT. Wann trug sich die Begebenheit denn zu? ADAM. Jetzt, in dem Augenblick, da ich dem Bett Entsteig. Ich hatte noch das Morgenlied Im Mund, da stolpr’ ich in den Morgen schon, 20 Und eh ich noch den Lauf des Tags beginne, Renkt unser Herrgott mir den Fuß schon aus. LICHT. Und wohl den linken obenein? ADAM. Den linken? LICHT. Hier, den gesetzten? ADAM. Freilich! LICHT. Allgerechter! Der ohnhin schwer den Weg der Sünde wandelt. ADAM. Der Fuß! Was! Schwer! Warum? LICHT. Der Klumpfuß? ADAM. Klumpfuß! Ein Fuß ist, wie der andere, ein Klumpen. LICHT. Erlaubt! Da tut Ihr Eurem rechten Unrecht. Der rechte kann sich dieser – Wucht nicht rühmen, Und wagt sich eh’r aufs Schlüpfrige. ADAM. Ach, was! 30 Wo sich der eine hinwagt, folgt der andre. LICHT. Und was hat das Gesicht Euch so verrenkt? ADAM. Mir das Gesicht? LICHT. Wie? Davon wisst Ihr nichts? ADAM. Ich müsst ein Lügner sein – wie sieht’s denn aus? LICHT. Wie’s aussieht? ADAM. Ja, Gevatterchen. LICHT. Abscheulich! ADAM. Erklärt Euch deutlicher. LICHT. Geschunden ist’s, Ein Greu’l zu sehn. Ein Stück fehlt von der Wange, Wie groß? Nicht ohne Waage kann ich’s schätzen. ADAM. Den Teufel auch! LICHT (bringt einen Spiegel). Hier! Überzeugt Euch selbst! Ein Schaf, das, eingehetzt von Hunden, sich 40 Durch Dornen drängt, lässt nicht mehr Wolle sitzen, Als Ihr, Gott weiß wo? Fleisch habt sitzen lassen. ADAM. Hm! Ja! ’s ist wahr. Unlieblich sieht es aus. Die Nas hat auch gelitten. LICHT. Und das Auge. ADAM. Das Auge nicht, Gevatter. LICHT. Ei, hier liegt Querfeld ein Schlag, blutrünstig, straf mich Gott, Als hätt ein Großknecht wütend ihn geführt. ADAM. Das ist der Augenknochen. – Ja, nun seht, Das alles hatt ich nicht einmal gespürt. LICHT. Ja, ja! So geht’s im Feuer des Gefechts. ADAM. 50 Gefecht! Was! – Mit dem verfluchten Ziegenbock, Am Ofen focht ich, wenn Ihr wollt. Jetzt weiß ich’s. Da ich das Gleichgewicht verlier, und gleichsam Ertrunken in den Lüften um mich greife, Fass ich die Hosen, die ich gestern abend Durchnässt an das Gestell des Ofens hing. Nun fass ich sie, versteht Ihr, denke mich, Ich Tor, daran zu halten, und nun reißt Der Bund; Bund jetzt und Hos und ich, wir...