Die Biografie. Leben und Karriere des Bundestrainers und Champions-League-Gewinners
E-Book, Deutsch, 224 Seiten
ISBN: 978-3-7453-1469-4
Verlag: riva
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Er ist alles gewesen: Spieler, Trainer, Sportdirektor. Und er hat alles gewonnen: 2014 wurde er als Co-Trainer der Nationalelf Weltmeister. Als Cheftrainer des FC Bayern gewann er gleich in seiner ersten Saison das Triple aus Meisterschaft, DFB-Pokal und Champions League und wurde zu Europas Trainer des Jahres gewählt.
Was ist sein Erfolgsgeheimnis? Wie verlief seine Spielerkarriere, die ihn bis in die Bundesliga führte? Welche Rolle spielte er als Assistent Jogi Löws beim WM-Triumph in Brasilien? Wie formte er den FC Bayern München zum besten Team Europas?
In seiner kenntnisreichen Biografie Hansi Flicks erzählt Günter Klein, langjähriger Nationalmannschafts- und FC-Bayern-Reporter des Münchner Merkur, die Geschichte von einem, der seine Wurzeln in der Provinz nie leugnete und sich dennoch auf den großen Bühnen der Fußballwelt zurechtfindet. Er zeichnet das Bild eines Trainers, der Mensch bleiben kann, ohne an Autorität zu verlieren, und dessen Karriere beweist, dass es nie zu spät ist, den großen Erfolg zu finden.
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Ehrgeiz
Ab welchem Alter kann ein Mensch überhaupt ehrgeizig sein? Wann erwächst aus dem natürlichen Spieldrang die Strategie, auf einer Gabe etwas Bleibendes aufzubauen? Vom Dorf-Talent zum bekannten Spieler der Region, der in eine Auswahl berufen und interessant für den größeren Klub wird? Über den etwas in der Zeitung steht, der auf der Straße erkannt wird? Der zum Begriff wird im ganzen Land und irgendwann international? Dietmar Greulich war Trainer der A-Jugend des SV Sandhausen, zu der Hansi Flick mit 16 Jahren wechselte. Greulich denkt zurück an die Winterpause, die Zeit ohne Spiele, die Flick aber sehr wohl nutzte. »Was war der Hansi ehrgeizig! Er und der Rainer Zietsch sind bei uns ständig den Berg zum Stadion hochgerannt. Die beiden wollten unbedingt Bundesliga spielen.« Beide schafften es dann auch, Zietsch sogar noch schneller. Sie sind drei Monate auseinander, Zietsch ist Jahrgang 1964, wie Hansi Flick stammt er aus einem kleinen Verein, in seinem Fall der TSV Gauangelloch. Der Jugendfußball in den 1970er-Jahren war mit dem heutigen und seiner Anpassung an Bundesligastrukturen ab der B-Jugend nicht zu vergleichen. Man kam über die Region allenfalls hinaus, wenn sich der Verein für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft qualifizierte. Zietsch und Flick lernten sich früh kennen. »Kreisauswahl Heidelberg, Kreisauswahl Sinsheim, dann badische Auswahl, mit der hat man dann in Duisburg-Wedau gegen die Auswahlmannschaften anderer Verbände gespielt«, so beschreibt Rainer Zietsch, wie man sich Stück für Stück nach oben spielen konnte. Und irgendwann kam das Angebot aus einem der regionalen Zentren. Wer wie Zietsch und Flick am Neckar groß wurde, war interessant für Sandhausen, Waldhof Mannheim oder den Karlsruher SC. »Sie waren die führenden Vereine«, sagt Zietsch. Er entschied sich 1980 für einen Wechsel von Gauangelloch nach Sandhausen, Flick war 1981 bereit, Neckargemünd zu verlassen und für Sandhausen zu spielen. Der SVS war dafür bekannt, sich gut um den Nachwuchs zu kümmern. »Es gab einen Fahrdienst, der hat uns Jungs im ganzen Odenwald eingesammelt. Und der Hansi lebte noch tiefer im Odenwald als ich«, erzählt Zietsch von den damaligen gemeinsamen Fahrten. Sandhausens Jugendtrainer Dietmar Greulich hatte Hansi Flicks Eltern in Mückenloch besucht und sie überzeugt, dass Sandhausen ihren Sohn voranbringen würde. Die Mannschaft, die er verstärken sollte, hatte schon im C-Jugend-Alter brilliert und gegen 1860 München und Eintracht Frankfurt, diese großen Namen, um die Süddeutsche Meisterschaft gespielt. »Hansi ist ein Ausnahmetalent«, solch hohe Meinung hatte Greulich von Flick, der weitere hochkarätige Mitspieler antreffen sollte: Rainer Zietsch eben, der bereits in der U16-Nationalmannschaft spielte, und Thomas Gomminginger, der wie Zietsch später beim VfB Stuttgart landete. Und Stefan Emmerling, der nach den Sandhäuser Jahren ebenfalls eine stabile Karriere in der Bundesliga machte und auf 249 Spiele kam. »Der Achter, wo kommt der her?« Diesen Satz hörte Dietmar Greulich oft auf den Plätzen in der Umgebung, wenn seine A-Jugend die Gegner aufmischte. Flick fiel auf, »weil er sportlich fair agierte und immer 90 Minuten Dampf machte«. Die Saison 1982/83 wurde wegweisend, eigentlich hatte der junge Hansi Flick nur ein unglückliches Spiel. »Es war an Kirchweih, wir beim Tabellenletzten, der null Punkte hatte. Das Spielfeld ein Acker. Bei einem Eckball springt Hansi der Ball an den Körper. Eigentor, und wir haben verloren. Zu Hause haben wir sie 11:0 geschlagen.« Die wichtige Partie des Jahres gegen Waldhof Mannheim am vorletzten Spieltag gewann Sandhausen, wurde baden-württembergischer Meister und gehörte zu den 16 Klubs aus ganz Deutschland, die den A-Jugend-Meister ausspielen durften. Der SV Sandhausen traf auf den FC Schalke 04 und schnupperte in die große Welt der Bundesliga hinein. Schalkes Nachbar, die SG Wattenscheid, bot Sandhausen an, auf ihrem Gelände zu trainieren. Für Schalke spielten Olaf Thon, der ein Jahr später, 1984, bundesweit berühmt werden sollte, als er in einem legendären DFB-Pokalspiel (Endstand 6:6) den großen Bayern drei Tore einschenkte, und Michael Skibbe, der von 2000 bis 2004 Assistent von Rudi Völler, dem damaligen Teamchef der Nationalmannschaft, war. Mit einer 0:2-Niederlage und dem verletzten Stefan Emmerling kehrte der SVS aus dem Gelsenkirchener Parkstadion zurück, hatte aber noch das Rückspiel. Trotz der ungewohnten Anstoßzeit, Sonntag 10:30 Uhr, kamen an die 5000 Zuschauer ins Stadion am Hardtwald, bereit, an das Wunder zu glauben. »Wir, das Dorf, das gegen Schalke spielt«, beschreibt Dietmar Greulich noch Jahrzehnte danach die Einmaligkeit des Ereignisses, das einen festen Platz in der Vereinshistorie hat, obwohl der SV Sandhausen sich in den 2010er-Jahren in der 2. Bundesliga festsetzte und selbst zum Profiklub wurde. Auch Rainer Zietsch kann Erinnerungen abrufen: »Es war ein dramatisches Spiel. Mein letztes für Sandhausen, weil schon klar war, dass ich nach Stuttgart gehen würde. Wir hatten eine geile Truppe, und ich meine noch heute, dass wir besser waren.« Zietsch hat nicht vergessen, dass er einen Elfmeter verschoss, beim Stand von 1:2 gegen Sandhausen. »Vom Spielverlauf her kein dramatischer Fehlschuss, aber weit drüber.« Im Kicker stand, er habe »eine Amsel vom Baum geschossen«. Rainer Zietsch muss herzhaft lachen: »Lebt der Journalist noch?« Das große Spiel endete 2:2, Schalke war weiter. Hansi Flick fühlte sich ein wenig klein: »Die Schalker waren viel schlitzohriger, profihafter. Sie haben ihre Vorbilder halt im eigenen Haus.« Der Satz ließ erkennen: Flick würde beim SV Sandhausen nicht alt werden. Auch für ihn war es ein Ziel, in einem größeren Verein mehr gefordert zu werden. Der Ehrgeiz loderte in ihm. Er bekam 1983 noch eine weitere Bühne: die Jugend-Nationalmannschaft. Für die Bis-18-Jährigen stand die Europameisterschaft in England an. Zum letzten Mal würde Dietrich Weise, der bewährte und erfolgreiche Nachwuchstrainer des DFB, zeitweise für alle Jahrgänge von U16 bis U18 zuständig, eine Mannschaft durch ein Turnier führen. Sein Verdienst war es, in fünf Jahren 40 Bundesligaspieler hervorgebracht zu haben. Qualifiziert hatte sich die U18 in zwei Spielen gegen die Schweiz (2:0, 1:1), beim Rückspiel in Kriens bei Luzern stand Hansi Flick vom SV Sandhausen erstmals im Kader. Es waren Plätze frei geworden, weil einige der eigentlich vorgesehenen Spieler zu diesem Termin Berufsschulprüfungen hatten. Die EM verlief letztlich unerfreulich, die 1:3-Niederlage gegen die CSSR zum Vorrundenauftakt konnten die Deutschen auch durch das 1:0 gegen Schweden und das 3:1 gegen Bulgarien nicht wettmachen. Als Gruppenzweiter war die Mannschaft, zu der mit Dieter Hecking ein später bekannter Bundesligatrainer und mit Hansi Dorfner vom FC Bayern und Frank Ordenewitz von Werder Bremen zwei Spieler gehörten, die Flick als Teamkollegen in München und Köln wiedertraf, ausgeschieden. Flick hatte nicht auf seiner bevorzugten Position im Mittelfeld spielen dürfen, sondern musste bei seinen einzigen Einsätzen gegen Schweden und Bulgarien rechter und linker Verteidiger spielen. Danach hatte er nie mehr Gelegenheit, das Deutschland-Trikot zu tragen, aber wenigstens blieb er als Jugend-Nationalspieler ungeschlagen. Und Dietrich Weise war ein Trainer, von dem der gelehrige Hansi Flick profitierte. »Für uns war Weise der richtige Ansprechpartner«, sagt Rainer Zietsch im Rückblick, »er hat uns gezeigt, was es bedeutet, die nächsten Schritte zu gehen.« Weise, Ende 2020 verstorben, versprach niemandem das Blaue vom Himmel; in einer Zeit vor den auf frühe Professionalisierung fixierten Nachwuchsleistungszentren war es ihm wichtig, »dass die Jugendlichen erst einen Beruf haben und sich dann auf den Fußball konzentrieren«. Der Kicker griff die Philosophie Weises auf und beendete die Einzelkritik der Jugend-EM-Teilnehmer mit einem Hinweis auf schulische und berufliche Bildung. Die jungen Nationalspieler waren Abiturient, Gymnasiast, Industrie- und Bürokaufmann, Installateur, Dreher, Energieanlagen-Elektroniker bei VW. Über Hansi Flick stand zu lesen: »Früher BSC Mückenloh und SpVgg Neckargmünd. Wie Zietsch beim Nordbadischen Jugendmeister. Kam für Wöber, hielt sich gut, solide Leistung, Fachabitur (Berufskolleg). Note 3.« Die Namen seiner vormaligen Klubs waren leicht falsch geschrieben, auch die Berufsangabe stimmte nicht. Hansi Flick war dabei, seine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Bezirkssparkasse Neckargemünd abzuschließen. In der hatte er noch eine Zweitmannschaft. Obwohl er in der Saison 1983/84 in die Oberliga-Mannschaft des SV Sandhausen aufrückte, trat er bei Sparkassen-Fußballturnieren an. Er schoss sein Team in die Endrunde, konnte dann aber nicht dabei sein, da Sandhausen spielte und das natürlich Vorrang hatte. Es ist eine weitere Episode, die Flicks Ehrgeiz...