Kishon | Drehn Sie sich um, Frau Lot! | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Kishon Drehn Sie sich um, Frau Lot!

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

ISBN: 978-3-7844-8325-2
Verlag: Langen-Müller
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ephraim Kishons satirisches Debüt im Jahre 1961 löste in Deutschland einhelllige Begeisterung aus. Wie kein anderer vor ihm nahm der junge Autor mit liebevollem Scharfblick die kleinen Mängel und Defekte des – nicht nur – israelischen Alltags aufs Korn.
Seit seinem Erscheinen wurden von "Drehn Sie sich um, Frau Lot!" über zwei Millionen Exemplare verkauft. Kishons satirischer Blick auf das Menschlich-Allzumenschliche macht die Lektüre seiner Geschichte bis heute zu einem Lesevergnügen der ganz besonderen Art.
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UNTERNEHMEN BABEL
Neben dieser spezifisch jüdischen Mentalität besitzt Israel noch weitere Gemeinsamkeiten: das allumfassende Durcheinander seiner Umgangssprachen. Die Heimführung der Zerstreuten aus sämtlichen Winkeln der Welt mag eine noch so großartige, ja epochale Leistung darstellen – in sprachlicher Hinsicht hat sie ein Chaos erzeugt, gegen das sich der Turmbau von Babel wie die Konstruktion einer bescheidenen Lehmhütte ausnimmt. In Israel werden mehr Sprachen gesprochen, als der menschlichen Rasse bisher bekannt waren. Zwar kann sich auch ein Waliser mit einem Schotten und ein Schotte mit einem Texaner nur schwer verständigen. Aber es besteht zwischen ihnen immer noch eine ungleich größere linguistische Verwandtschaft als zwischen einem Juden aus Afghanistan und einem Juden aus Kroatien. Die offizielle Sprache unseres Landes ist das Hebräische. Es ist auch die Muttersprache unserer Kinder – übrigens die einzige Muttersprache, welche die Mütter von ihren Kindern lernen. Amtliche Formulare müssen hebräisch ausgefüllt werden. Die meistgelesene Sprache ist englisch, die meistgesprochene jiddisch. Hebräisch lässt sich verhältnismäßig leicht erlernen, fast so leicht wie Chinesisch. Schon nach drei oder vier Jahren ist der Neueinwanderer in der Lage, einen Straßenpassanten in fließendem Hebräisch anzusprechen: »Bitte sagen Sie mir, wie spät es ist, aber womöglich auf Englisch.« Im Umgang mit den Behörden wird der Bürger gut daran tun, sich der offiziellen Landessprache zu bedienen, damit man ihn versteht. Noch besser ist es allerdings, sich der offiziellen Landessprache nicht zu bedienen und nicht verstanden zu werden. Als Beweis für diese These diene das folgende Erlebnis. Es begann damit, dass ich zwecks Einfuhr eines Röntgenapparates bestimmte Schritte unternehmen musste. Ich rief im Ministerium für Heilmittelinstrumente an und erkundigte mich, ob man für die Einfuhr eines Röntgenapparates eine Lizenz benötigte, auch wenn man den Apparat von Verwandten geschenkt bekommen hat und selbst kein Arzt ist, sondern nur an Bulbus duodenitis leidet und den Magen sooft wie möglich mit Röntgenstrahlen behandeln muss.1 Im Ministerium ging alles glatt. Am Informationsschalter saß ein junger Mann, der seinen Onkel vertrat. Der Onkel war gerade zur Militärübung für Reservisten abkommandiert, und der junge Mann schickte mich zum Zimmer 1203, von wo man mich auf Nr. 4 umleitete. Nachdem ich noch durch die Nummern 17, 3, 2004, 81 und 95 hindurchgegangen war, erreichte ich endlich Nr. 604, das Büro von Dr. Bar Cyanid, Konsulent ohne Portefeuille für Angelegenheiten der externen Röntgenbestrahlung. Vor dem Zimmer Nr. 604 stand niemand. Trotzdem wurde ich belehrt, dass man das Amtszimmer nur mit einem nummerierten Passierschein betreten dürfe, der auf Nr. 18 erhältlich sei. Durch diese Passierscheine sollte die lästige Schlangenbildung hintangehalten werden.2 Vor dem Zimmer Nr. 18 stand eine entsetzlich lange Schlange. Ich begann blitzschnell zu rechnen: Selbst wenn keine der sich anstellenden Personen länger als 30 Sekunden in Anspruch nähme und jede fünfte Person durch plötzlichen Todesfall ausschiede, würde ich frühestens in fünf bis sechs Jahren drankommen. Das ist, angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse, unter denen wir leben müssen, eine sehr lange Zeit. Ein gewisser selbstsüchtiger Zug, der in meinem Wesen immer wieder durchbricht, verleitete mich, das angrenzende Zimmer Nr. 17 zu betreten und von dort ins Zimmer Nr. 18 einzudringen, wo man die zur Vermeidung von Schlangenbildungen eingeführten Nummernscheine bekam. Das Zimmer war leer. Nur hinter dem Schreibtisch saß ein vierschrötiger Beamter, der mich durchdringend ansah und – vielleicht aus Schreck über mein unvermutetes Auftauchen – die folgenden unhöflichen Worte von sich gab: »Eintritt durch den Nebenraum verboten. Wer durch die Seitentür kommt, wird nicht abgefertigt. Haben Sie draußen keine Schlange gesehen? Auch Sie müssen sich anstellen, genau wie jeder andere!«3 In solchen Situationen muss man sich etwas Ungewöhnliches einfallen lassen, sonst ist man verloren. »Bulbus«, sagte ich mit Nachdruck. »Bulbus duodenitis.« Der Beamte war offenkundig ein medizinischer Laie. Er glotzte mich verständnislos an. »Was?«, fragte er. »Wer? Wieso?« Und in diesem Augenblick kam mir der erlösende Einfall, der sehr wohl zu einem epochalen Umschwung in der Geschichte des israelischen Schlangestehens führen könnte. »Dvargitschoke plokay g’vivtschir?«, äußerte ich in fragendem Tonfall und mit freundlichem Lächeln. »Schmusek groggy. Latiten?« Das blieb nicht ohne Wirkung. »Redste jiddisch?«, fragte der Beamte. »Odder vielleicht du redst inglisch?« »Dvargitschoke plokay.« »Redste fransoa?« »G’vivtschir u mugvivtschir ...« Der Beamte erhob sich und rief seinen Kollegen aus dem Nebenzimmer herbei. »Der arme Kerl spricht nur ungarisch«, informierte er ihn. »Du stammst doch aus dieser Gegend. Vielleicht kommst du dahinter, was er will?« »Chaweri«, sprach der andere mich an. »Te mit akarol mama?« »Dvargitschoke plokay«, lautete meine prompte Antwort. »Latiten?« Der Transsylvanier versuchte es noch mit Rumänisch und einem karpatho-ruthenischen Dialekt, zuckte die Achseln und ging ab. Als Nächster kam ein hohlwangiger Kassier aus der Abteilung für Kalorienforschung und unterzog mich einer arabischen, einer türkischen und einer holländischen Fühlungnahme. Ich verharrte standhaft bei meinem Dvargitschok und hob bedauernd die Arme. Ein Ingenieur aus dem zweiten Stock ging mit mir fast alle slawischen Sprachen durch; das Ergebnis blieb negativ. Sodann wurde ein Botenjunge aufgetrieben, der finnisch sprach. »Schmusek«, wiederholte ich verzweifelt. »Schmusek groggy.« Der Koordinator für die Fruchtbarmachung toter Sprachen wollte mich in eine lateinische Konversation verwickeln, der Generaldirektor des Amtes für Reiskornzählung in eine rätoromanische. »G’vivtschir« war alles, was sie aus mir herausbekamen. Eine unbekannte Dame erprobte an mir ihre italienischen, spanischen und japanischen Sprachkenntnisse, der Portier des Gebäudes, ein Immigrant aus Afghanistan, nahm mit Freuden die Gelegenheit wahr, einige Worte in seiner Muttersprache zu äußern, und gab freiwillig noch einige Brocken Amharisch drauf. Ein Buchhalter – Pygmäe und möglicherweise Kannibale – versuchte sein Glück mit dem Dialekt des Balu-Balu-Stammes. Um diese Zeit war bereits eine ansehnliche Menschenmenge um mich versammelt, und jeder entwickelte seine eigene Theorie, woher ich käme und was ich wollte. Die Mehrzahl der Kassiere neigte der Ansicht zu, dass ich ein Mischling einer Mestizenmutter mit einem weißen Indianervater sei, die Buchhalter hielten mich für einen Eskimo, was jedoch vom Leiter der Osteuropa-Abteilung, der selbst ein Eskimo war, entschieden bestritten wurde. Der Chefkontrolleur des Amtes für verschwindende Vorräte, telefonisch herbeigerufen, unternahm einen tapferen Klärungsversuch auf Siamesisch, scheiterte jedoch an meinem soliden Verteidigungswall von Dvargitschoks. Nicht besser erging es dem Verwalter der Öffentlichen Illusionen auf Aramäisch. »Plokay.« Wallonisch. Baskisch. »Mugvivtschir.« Norwegisch, Papuanisch, Griechisch, Portugiesisch, Tibetanisch, Ladinisch, Litauisch, Suaheli, Esperanto, Volapük ... nichts. Kein Wort. Nach und nach brachen die mich Umringenden erschöpft zusammen. Da machte ich ein paar rasche Schritte zum Schreibtisch des Beamten und raffte – als hätte ich sie eben erst entdeckt – einen der dort liegenden Nummernscheine an mich. (Das war, man erinnert sich, der eigentliche Grund meines Hierseins.) »Er will eine Nummer!« Die frohe Botschaft verbreitete sich wie ein Lauffeuer durch die Kanzleien und Korridore. »Eine Nummer will er haben! Endlich! Eine Nummer! Halleluja!« Die Beamten nötigten mir zur Sicherheit einen zweiten Nummernzettel auf, klopften mir auf die Schultern, gratulierten mir, umarmten mich, und wenn ich nicht irre, küsste ein Kontrolleur sogar den Saum meines Gewandes. Tränen standen in aller Augen und der Jubel über die Heimführung der Zerstreuten war allgemein. »Dvella«, murmelte ich und war selbst ein wenig bewegt. »Dvella ...« Zu Hause fand ich in meinen Rocktaschen noch weitere zwanzig Nummernzettel. 1 Die britische Mandatsregierung hat uns sehr viel Gutes hinterlassen, darunter auch die Vorliebe für Lizenzerteilungen. Wer in Israel irgendetwas zu importieren oder zu exportieren wünscht – Automobile, Kühlschränke, Nahrungsmittel, Bücher, Blumen, Bürsten oder Nadeln – muss um eine Lizenz ansuchen, und bevor er sie bekommt, ist der Kühlschrank in der Sonne weggeschmolzen, die Nahrung verdorben, das Buch unlesbar geworden und die Nadel im Heu verloren gegangen. Deshalb empfiehlt es sich, den Beamten, der die Lizenz ausstellen soll, ein wenig anzutreiben. 2 In Israel gilt das Schlangestehen als notwendiges Übel, in England als Lebensform. Wir Israeli haben keinen größeren Ehrgeiz, als das Schlangestehen zu umgehen (auch unser Vorvater Jakob erhielt den väterlichen Segen außer der Reihe). Und wir bewundern die Engländer, die an den Autobus-Haltestellen ruhig, geduldig und gewissenhaft Schlange stehen und erst dann zu stoßen und zu drängen beginnen, wenn der Bus anhält. 3 Wir Israeli werden...


Ephraim Kishon wurde am 23. August 1924 in Budapest als Hoffmann Ferenc geboren. 1944 wurde er in das Vernichtungslager Sobibor deportiert, konnte fliehen, überlebte getarnt als Nichtjude und absolvierte anschließend die Kunstakademie als diplomierter Bildhauer. Ab 1945 erste schriftstellerische Erfolge mit Theaterstücken und Satiren. 1947 gewann er den 1. Preis des landesweiten ungarischen Romanwettbewerbs mit "Mein Kamm". 1949 floh er von Ungarn nach Israel und wurde dort zu dem weltbekannten Satiriker Ephraim Kishon. Er war über 40 Jahre lang bis zu ihrem Tod mit Sara verheiratet und hat fünf Enkel von den drei berühmten Kindern Raphael, Amir und Renana. Anfang 2003 heiratete er die österreichische Schriftstellerin Lisa Witasek. Ephraim Kishon verstarb am 29. Januar 2005 im Alter von 80 Jahren.
Die Weltauflage der Kishon-Bücher beträgt 43 Millionen, davon über 31 Millionen in deutscher Sprache. Sie wurden in 37 Sprachen übersetzt. Kishons "Familiengeschichten" ist, von der Bibel abgesehen, das meistverkaufte hebräische Buch der Welt.


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