Kim | Ein seltsamer Verein | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 300 Seiten

Kim Ein seltsamer Verein

Zehn Kurzthriller

E-Book, Deutsch, 300 Seiten

ISBN: 978-3-88769-896-6
Verlag: konkursbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Liebe, Sex und Leben. Keiner ist mehr in nur einer Welt. Mehrfach-realitäten, Internet, Handys. Ein schneller Wandel. Grenzen zwischen Erlebtem und Fiktion verschwimmen. 10 atemberaubende Kurzthriller. Gänsehaut, Suspensegefühl, Erotik. Schauplatz der Handlung der neuen Erzählungen von Kim Young-ha ist meist das gegenwärtige Südkorea. Ein zufälliges Aufeinanderprallen in der U-Bahn. Die Frau, eine Schauspielerin, findet danach einen Piepser in ihrer Tasche. Sie wartet auf die Vibration, darauf, dass der Unbekannte Kontakt aufnimmt, während sie eine Sexszene dreht. Am Ende aber sieht alles anders aus. Eine Kaufhausdiebin. Menschen, die sich einen ekstatischen Kick durch Blitze holen. Ein Mord. Kleine Geschehnisse, scheinbare Zufälle, bringen die Welt der ProtagonistInnen durcheinander. Und dann beginnt die Zeit manchmal, rückwärts zu laufen.
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Christmas Carol
Du hast bestimmt die Nachrichten gesehen. Sollten wir uns nicht treffen? Es war Jong-Sik, der am Telefon den Vorschlag gemacht hatte. Hast du Chung-Kwon informiert? Nein? Dann werde ich es tun. Young-Su drückte die Taste und wählte bedächtig die Nummer von Chung-Kwon. Der war nicht zu erreichen. Zu Hause schien er nicht zu sein und sein Handy war ausgeschaltet. Wo der Kerl wohl stecken mag? Young-Su schmiss das Telefon auf das Sofa und stand auf. Was ist denn eigentlich los? Seine Frau musterte ihn argwöhnisch. Wusste sie etwas? Oh, nichts, gar nichts, es ist wegen der Verabredung für Silvester. Was, wieder eine Sauferei! Betrinkt euch nicht ständig! Umkippen, und das war’s dann. Das Ende wird schneller kommen, als ihr denkt. Seine Frau war mit der Abfalltüte in der Hand unterwegs zur Wohnungstür. Ich bringe schnell den Müll weg. Als sie draußen war, versuchte Young-Su noch einmal, Chung-Kwon zu erreichen, ohne Erfolg. Wäre es möglich, dass er es getan hat? Young-Su rief erneut Jong-Sik an. Bist du es, Jong-Sik? Ich bekomme Chung-Kwon einfach nicht an die Strippe. Die Stille hockte sich wie ein Untier zwischen die beiden Männer. Derselbe Gedanke fraß an ihnen. Vielleicht …? Nein. Soweit kann er nicht gegangen sein. Niemals. Nein, bestimmt nicht, das tut einer nicht einfach so. Okay denn. Sollten nicht wir zwei uns wenigstens treffen? Ja, das sollten wir. Was schlägst du vor? Gut, der Ort ist ausgezeichnet, wann? Um 16 Uhr? Ist das nicht eine ungünstige Zeit, so mitten im Nachmittag? Genau, 17 Uhr ist besser. Wir plaudern ein wenig und gehen zusammen essen. In Ordnung, alles okay. Seine Frau hatte den Müll entsorgt und kehrte mit einem knallroten Briefumschlag in der Hand zurück. Dieses komische Ding war im Briefkasten. Was ist das? Keine Ahnung, sieht wie eine Weihnachtskarte aus. Wer schickt dir denn eine Weihnachtskarte? Das ist ja doch seltsam. Mürrisch warf sie den Umschlag Young-Su zu. Sie verschwand in die Küche, aber der Umschlag schien ihre Neugier geweckt zu haben. Willst du ihn nicht öffnen? Young-Su hatte einen flüchtigen Blick darauf geworfen. Links oben stand in kleiner Schrift der Absender: Zin-Suk. Wer ist das? Keine Ahnung, ehrlich. Young-Su riss den Umschlag auf. Aus dem Umschlag sprang, wie von einer verborgenen Sprungfeder getrieben, Santa Claus heraus, dazu erklang eine elektronische Melodie, die Orgelklang imitierte. Ding, ding, ding … Santa Claus is coming to town. Frohe Weihnachten wünscht Zin-Suk. Ziemlich lange her, seit ich selber solche Karten verschickte. Erinnerst du dich? Muss ungefähr vor zehn Jahren gewesen sein. Seine Frau hielt es nicht mehr in der Küche, sie kam ins Wohnzimmer. Was ist das denn für eine Karte? Bevor Young-Su sich’s versah, war die Karte in ihrer Hand. Ihr Gesicht wurde aschfahl. Zin-Suk? Ist das jene Zin-Suk? Wie kommt sie dazu, dir eine solche Karte zu schicken? Ihr zwei hattet etwas miteinander, was? Hast du sie getroffen? Wann war das? Was soll das Ganze? Hast du die Karte durch die Luft geschwenkt, damit ich in Bewunderung ausbreche? Treibt ihr ein mieses Spiel oder was? Und was soll diese lächerliche Musik? Heißt das etwa, dass ich hier verschwinden soll? Young-Su wartete schweigend, bis der Hagel von Fragen, der auf ihn niederprasselte, vorbei war und sie sich etwas beruhigt hatte. Hör bloß auf damit. Womit soll ich aufhören? Ich habe noch gar nicht angefangen. Schon gut, schon gut, hör damit bloß auf. Warum soll ich aufhören? Weil Zin-Suk nicht mehr am Leben ist. Sie ist tot? Wann ist sie denn gestorben? Wie kann sie eine Karte schicken, wenn sie tot ist? Es ist ja nur wenige Tage her. Young-Su holte die Zeitung, die zusammengefaltet unter dem Couchtisch lag. In Deutschland lebende Koreanerin unter mysteriösen Umständen tot aufgefunden. Die am 15. Dezember nach Korea zurückgekehrte Deutschkoreanerin wurde in ihrem Pensionszimmer im Bezirk Chang-chun in Seoul ermordet aufgefunden. Die Polizei hat Ermittlungen aufgenommen. Entdeckt wurde der Leichnam vom Personal, das wegen der verdächtigen Stille im Zimmer – es ging gegen Mittag – misstrauisch geworden war. Aufgrund von Indizien geht die Polizei von einem Rache- oder Eifersuchtsmord aus und ermittelt unter dem engeren Umkreis des Opfers. Bemerkenswert ist zum einen die Tatsache, dass Geldbeutel und Wertsachen des Opfers unberührt geblieben sind. Zum andern wurde das Opfer mit einer spitzen Waffe verstümmelt. Seine Frau hatte den Kopf tief in der Zeitung. Du wirst es doch nicht gewesen sein, oder? Ihr Mann sprang wie gestochen auf. Bist du wahnsinnig? Weißt du, was du da sagst, Lee Suk-Gyong? Komm her, komm her zu mir. Schau mich genau an. Young-Su schrie, bis seine Stimme trocken und brüchig wurde. Wenn du es nicht warst, ist ja alles in Ordnung. Sie stand auf und ging in die Küche. Wie sie so vor dem Spülbecken stand, kam sie ihm ganz irreal vor, wie mit dem Fotoapparat weggezoomt. Krieg ohne Schießlärm, Waffenstillstand ohne Verhandlung. Das Paar schwieg, jeder ging der eigenen Tätigkeit nach. Young-Su schaltete den Fernseher ein, Suk-Gyong hantierte in der Küche. Sie säuberte Lauch und bereitete den Seeteufel zum Kochen vor. Bevor sie die Bohnensprossen zu sortieren begann, ging sie an ihrem Mann vorbei, der auf dem Sofa saß, und holte die Zeitung vom Couchtisch. Sie kippte die Packung Keimlinge darauf und die deckten den Bericht über Zin-Suk ab. Aber zwischen den Sprossen hindurch waren immer wieder Zeilen lesbar. Deutsch … tot … Die am 15. Dezember … Deutschkoreanerin … Zimmer … Bezirk … Seoul … aufgefunden. Die Polizei hat Ermittlungen … Stille … misstrauisch … … Rache oder Eifersucht … … verstümmelt … … … Je mehr Keimlinge sortiert in der Schüssel landeten, desto mehr gewannen die Zeilen ihre Bedeutung zurück. Zin-Suk ist tot. Jemand hat ihr Zimmer in der Pension betreten und sie getötet. Schlimmer noch: mit einer spitzen Waffe verstümmelt. Suk-Gyong warf einen Blick ins Wohnzimmer. Ihr Mann kaute noch immer an seinen Fingernägeln. Die Beine hatte er auf den Couchtisch gelegt und bewegte die Zehen. Seine Haltung verriet höchste innere Unruhe. Hat etwa er sie getötet? Suk-Gyong brach die Köpfe der Keimlinge mit mehr Kraft ab, als nötig gewesen wäre. Ist nicht jedermann fähig, einen Mord zu begehen? Nein ausgeschlossen, dass einer wie er, ein so gewöhnlicher Mensch, sich ein Messer besorgte, in die Pension eindrang und etwas tat, was sein Leben grundlegend verändern würde. Dafür kannte sie ihn zu gut. Er hatte zum Beispiel nie in seinem Leben etwas auf Kredit gekauft. Auch war er nicht der Typ, der etwas entschlossen anpackte. Selbst die Eigentumswohnung, in der sie lebten, hätten sie niemals erworben, wenn nicht sie gehandelt hätte. Ich bin dagegen, Schulden zu machen. Er hatte immer nur den Kopf geschüttelt. 20 Millionen Won Schulden, das ist doch ein Klacks! Schulden sind Schulden. Du brauchst sie auch gar nicht zurückzahlen. Wer soll sie denn zurückzahlen? Ich werde es tun. So einer wie er kann Zin-Suk nicht ermordet haben. Jedes Mal, wenn es um die Finanzierung ging, wollte er peinlich genau geklärt haben, wessen Geld es sei. Jedermann weiß, was für ein schrecklicher Pedant er ist. Ob Zin-Suk Geld verlangt hat? Unwahrscheinlich. Hatte sie es nötig? Falls ja, würde ein Buchhalter wie Jang Young-Su kaum mit einem Messer in der Hand in ihr Pensionszimmer eingedrungen sein. Und wenn er die Tat dennoch begangen hat? Freiheit. Der Gedanke an Freiheit war der erste, der ihr durch den Kopf ging. Ja, sie wäre frei. Sollte er den Mord tatsächlich begangen, dieses schreckliche Blutbad angerichtet haben, würde er im Mindesten zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt werden. In diesem Fall würde sie natürlich nicht nur über die bei der Heirat erworbene Eigentumswohnung verfügen, sondern auch über das gemeinsame Vermögen. Eine Scheidung dürfte kein großes Problem darstellen, die Fortführung der Ehe, an deren Scheitern er die alleinige Schuld trug, wäre unzumutbar. Damit alles formell korrekt über die Bühne ging, hätte man einiges an Anwaltskosten aufzuwenden. Das war nicht zu umgehen, die Formalitäten waren notwendig. Bei einem Autounfall wäre die Sache um einiges interessanter, er hatte eine Lebensversicherung. Aber mit so etwas konnte man nicht rechnen. Oh! Die Klinge des Küchenmessers hatte den Nagel des Zeigefingers gestreift. Sie hatte sich zum Glück nicht verletzt, doch war sie erschrocken. Welchen Gedanken sie da nachgehangen hatte! Sie schüttelte den Kopf. Sie sah Zin-Suk in ihrem Blut auf dem Boden des Pensionszimmers liegen. Wie mochte ihr zumute gewesen sein, als das Blut so aus ihrem Körper floss, hatte sie allmählich das Bewusstsein verloren wie nach der Einnahme eines Schlafmittels? Zin-Suk war schon immer leichtsinnig gewesen, um nicht zu sagen liederlich. Sie war aus dem Studentenwohnheim geflogen, noch bevor sie ein Jahr dort gewesen war – sie hatte dreimal unerlaubt auswärts übernachtet. Es waren Gerüchte im Umlauf, sie gehe mit Männern ins Bett. Klar, dass darunter auch Young-Su sein musste. Ihr Mann hatte heftig widersprochen und das Gerücht in Abrede gestellt. Alles frei erfunden! Ich kenne sie halt, eine Bekannte, mehr nicht. Sie hat ja einen ganzen Schwarm. Zin-Suk wohnte Suk-Gyong gegenüber. Einmal, wirklich nur dieses eine Mal, hatte sie es getan. Suk-Gyong presste die Lippen zusammen, während sie die gesäuberten Bohnensprossen in den Topf kippte. Einmal hatte sie ein Stück Unterwäsche von Zin-Suk geklaut. Die Unterwäsche von Zin-Suk, die in komplizierten Männerbeziehungen lebte, war ein begehrtes Ziel für Diebinnen gewesen. Ich aber war anders. Die Gründe, Suk-Gyong blickte zur Decke, ich meine, warum ich es getan habe, die Gründe sie senkte den Kopf. Nein. Ich war nicht anders als die anderen. Ich hasste sie, das war es. Und zugleich beneidete ich sie....


Kim Young-ha, in Gangwondo geboren, ist einer der bekanntesten Autoren Koreas. Er studierte in Seoul Betriebswirtschaft. Für „Schwarze Blume" bekam er mit dem Dong-in-Preis den bedeutendsten Literaturpreis Koreas.
Alle seine Romane setzen den Akzent auf den Nervenkitzel realen Lebens.
So beruht auch der Roman „Schwarze Blume" auf der wahren Geschichte der ersten Generation koreanischer Auswanderer nach Mexiko.
Seine 10 Kurzthriller "Ein seltsamer Verein" erzählen von der heutigen jungen Generation in Südkorea.


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