Elisabeth I. und der Kampf um England
E-Book, Deutsch, 377 Seiten
ISBN: 978-3-406-73238-6
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Schon früh hatte Elisabeth I. (1533 - 1603) beschlossen, nie zu heiraten, um ihre Macht nicht mit einem Mann teilen zu müssen. Doch ihre zahllosen Freier aus anderen Herrscherhäusern spielte sie über Jahrzehnte gegeneinander aus, um England den Frieden zu sichern. Sie wollte Königin aller Engländer sein, nicht nur der Protestanten oder Katholiken, und bewahrte ihr Land vor den Glaubenskriegen der Epoche. Ihr Sieg über die Armada machte England unangreifbar und nährte das Bewusstsein ihrer Landsleute, eine Nation zu sein. Elisabeth war hochgebildet, scharfzüngig, von taktischer Klugheit und großem Weitblick. Alle konnte sie in ihre Schranken weisen, ihre Berater, ihre Favoriten, ihr Parlament - und ihre größte Konkurrentin, Maria Stuart. Thomas Kielingers glänzende Biographie zeigt, wie Elisabeth I. in ihren 44 Jahren auf dem Thron England bis zum heutigen Tag geprägt hat.
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1;Cover;1
2;Titel;3
3;Widmung;4
4;Impressum;4
5;Inhalt;5
6;Prolog;11
7;Kapitel 1 Armada oder die Geburt der englischen Nation;17
8;Kapitel 2 Die Eltern. Der Bruch Heinrichs VIII. mit Rom;31
9;Kapitel 3 Elisabeths Jugend;41
9.1;Eine gelehrte Erziehung;41
9.2;Thomas Seymour, der Verführer;52
9.3;Lady Jane Grey, die Neun-Tage-Königin;57
10;Kapitel 4 Das Duell mit Mary I.;63
10.1;Elisabeth tarnt sich als «Nikodemit»;63
10.2;Philipp, der Spanier, und Mary heiraten;66
10.3;Die Wyatt-Rebellion. Elisabeth im Tower;68
10.4;Philipp beschützt Elisabeth. Die «blutige Mary»;74
10.5;Vor den Pforten der Macht;79
11;Kapitel 5 Am Ziel: Die Wende 1558/59;83
11.1;Ernennungen auf lange Sicht: Dudley und Cecil;83
11.2;Die «zwei Körper» der Königin;87
11.3;Souveränes Theater: Elisabeth und ihr Volk;89
11.4;Die religiöse Einigung: Zwischen allen Stühlen;92
11.5;Wie halten es Majestät mit der Ehe?;99
12;Kapitel 6 Durch unruhige See;105
12.1;Europäisches Misstrauen. Der Vertrag von Edinburgh;105
12.2;Das Fiasko Le Havre: Eine prägende Lehre;110
12.3;Das Gespräch mit William Maitland of Lethington;112
13;Kapitel 7 Robert Dudley, «Sweet Robin», Elisabeths Favorit;117
13.1;«Er ist wie mein kleiner Hund»;117
13.2;Die Bewerber um Elisabeth stehen Schlange;122
13.3;Der Tod von Dudleys Ehefrau: War es Mord?;127
13.4;Die erotische Spur Elisabeths;133
14;Kapitel 8 Monarch und Parlament: Die Queen in der Defensive;137
14.1;1563: Das Parlament trumpft auf;137
14.2;Puritanischer Widerpart: Peter Wentworth;141
14.3;«Ich werde mich nie zu irgendetwas zwingen lassen!»;146
15;Kapitel 9 Maria Stuart in Schottland: Das Scheitern;151
15.1;Robert Dudley nach Edinburgh? Welcher Affront!;151
15.2;Die Etappen eines tragischen Abstiegs;158
16;Kapitel 10 Maria Stuart in England: Die katholische Rebellion;163
16.1;Norfolk oder der Aufstand des Adels;163
16.2;Die Ridolfi-Verschwörung. Norfolks Ende;170
16.3;Papst Pius V. exkommuniziert Elisabeth;174
17;Kapitel 11 Im Krisendreieck Spanien, Frankreich, Holland;181
17.1;Spanien oder wem gehört das Meer?;181
17.2;Frankreich umarmen, Holland unterstützen;190
17.3;Zwischenspiel in Kenilworth: Leicester reizt zu hoch;195
17.4;Herzog Alençon ad portas;199
17.5;John Stubbs oder die abgeschlagene Hand;205
17.6;Adieu, geliebter Frosch!;207
17.7;Mit Leicester in Holland scheitert Elisabeth;218
18;Kapitel 12 Maria Stuart: Das Ende;227
18.1;Die Jesuiten auf heimlicher Mission in England;227
18.2;Elisabeth im Fadenkreuz der Mörder;236
18.3;Gegenwehr rührt sich: Der «Bond of Association»;240
18.4;Walsinghams Triumph: Das Babington-Komplott;242
18.5;Maria auf dem Weg zur Hinrichtung;250
19;Kapitel 13 Britisches Empire?;263
19.1;Armada: Eigentlich will Elisabeth den Frieden;263
19.2;Vergebliche Suche nach der Nordwest-Passage;273
19.3;Walter Raleigh scheitert mit Virginia;281
20;Kapitel 14 Die Königin und ihre Untertanen;287
20.1;Der Elisabeth-Kult. Die Porträts;287
20.2;William Shakespeare: Wie es Eliza gefällt;301
21;Kapitel 15 Graf Essex oder der letzte Aufstand;305
21.1;Ein junger Adliger verweigert den Respekt;305
21.2;Das Ende der Hybris unterm Beil;316
22;Kapitel 16 Elisabeth I.: Ende und Übergang;329
23;Epilog;347
24;Anhang;355
24.1;Dank;357
24.2;Zeittafel;359
24.3;Literatur;361
24.4;Bildnachweis;367
24.5;Personenregister;369
25;Stammbaum;376
26;Zum Buch;377
27;Über den Autor;377
PROLOG
Was macht eine Frau, die im 16. Jahrhundert den Thron Englands bestieg, so herausragend, dass man sie auch noch 450 Jahre später auf Anhieb wiedererkennt? Sind es ihre starren, mehr fiktiven als realen Gesichtszüge, mit denen sie uns aus ihrer ausladenden Halskrause heraus anblickt, dem modischen Nonplusultra ihrer Epoche? Oder ist es der legendäre Ruf der jungfräulichen Königin, der ihr anhaftet wie eine die Zeiten überdauernde Auszeichnung, ihr Abwehrschild gegen eine von Männern dominierte Welt? Was sagt uns Elisabeth I. über England, das wir bisher noch nicht wussten oder übersehen haben? Ist die Insel, die sich heute aus dem Konstrukt der Europäischen Union zu befreien anschickt, in der Ära dieser Frau und ihrer Herrschaft gar schon vorgeprägt? Das würde Churchills Wort bestätigen: «Je weiter wir zurückschauen, desto weiter können wir nach vorne blicken.» Die Versuchung ist in der Tat groß, den Firnis des Heute einfach hinwegzukratzen und darunter das Muster einer alten Identität freizulegen. Ganz so einfach kann es sich eine Biographie der großen Tudor-Königin allerdings nicht machen. Die Renaissance ist nicht unsere Zeit, der Humanismus nicht die Hochblüte der Menschenrechte. Im Gegenteil. Während die Bildung zu Elisabeths Zeit aus der Antike kräftige Anstöße erhält, die englische Literatur mit Shakespeare ihrem klassischen Höhepunkt zueilt, wohnt der Zeitgenosse grausamsten Hinrichtungen bei oder blutrünstigen Freizeitvergnügen wie der Stier- und Bärenhatz. Ein Bildersturm ist über das Land gefegt, ein konfessioneller Aufruhr, der die Klöster enteignete, entweihte, ihre Kirchen zerstörte und blindlings das Glaubenserbe des Mittelalters zertrat. Das Hohe und das Niedere sind, wie immer in der Geschichte, auch in dieser Zeit koexistent. Tiefe Gräben trennen die Bevölkerung, in deren Mitte sich zum Ende der elisabethanischen Ära ein mittelloser Bodensatz bildet, der Vagabundentum fördert, keine Zivilisation. Aber in den 44 Jahren ihrer Herrschaft lebt die Königin ihrem Land dennoch einen Stil, man kann fast sagen: eine Façon vor, die sich der englischen DNA tief eingeprägt und einen Charakter angelegt hat, der bis heute anzutreffen ist. Dazu gehört die Fähigkeit, mit widersprüchlichen Tendenzen Umgang zu pflegen, sie auszuhalten, kurz: die Fähigkeit zum Kompromiss. Warum verfiel die Insel unter Elisabeth nicht den Glaubenskriegen, die zur gleichen Zeit Frankreich zerrissen und in anderen Teilen des Kontinents Religionskrisen auslösten, die sich schließlich im Dreißigjährigen Krieg eruptiv entladen sollten – an dem England so gut wie nicht beteiligt war? Immerhin hatte Elisabeths Vater über Nacht eine 1000-jährige Frömmigkeitskultur zum Einsturz gebracht und England vom Papsttum gelöst. Und immerhin hatte Elisabeths unmittelbare Vorgängerin, ihre ältere Halbschwester Mary, eine fanatische Rekatholisierung geprobt und in den fünf Jahren ihrer Thronzeit an die 300 protestantische Häretiker dem Flammentod übergeben. Konfliktstoff genug, um eine Versöhnung der Gesellschaft unmöglich zu machen. Elisabeths Antwort: der Anglikanismus. Denn die anglikanische Kirche ist im Eigentlichen ihr Verdienst, nicht das ihres Vaters. Heinrich VIII. hat gespalten, seine Tochter das Potenzial zur Unversöhnlichkeit bekämpft und gebändigt. Vor die Alternative des römisch-katholischen oder des protestantischen Wegs gestellt, wählte die Königin die Mitte, die «via media», eine Mischform aus beiden. Kritiker in den verfeindeten Lagern nannten das abfällig ein «mingle-mangle», ein Mischmasch, das niemanden so richtig befriedige. Die Königin jedoch widersetzte sich ebenso stark dem Fanatismus, der sie durch die katholische Maria Stuart zu ersetzen suchte, wie den calvinistischen Ideologen, die England einer puritanischen Freudlosigkeit ausliefern wollten, was erst fünfzig Jahre nach Elisabeth unter dem Usurpator Oliver Cromwell gelang. Der Pragmatismus, den Elisabeth vertrat, setzte sie zeitweilig sogar dem Verdacht religiöser Indifferenz aus. «Es gibt nur einen Christus, Jesus, nur einen Glauben. Alles andere ist ein Disput über Trivialitäten.» Was für eine Theologin! Wenn es so etwas wie religiöse Realpolitik gibt, dann war es dieser Satz, der dem latenten Glaubenskrieg, dem protestantisch-katholischen Sprengsatz in ihrem Land die Lunte austrat. In der Tugendlehre des Politischen gebührt dieser Frau ein herausragender Platz. Ausgewogenheit suchte sie – wie in der Religion, so in der Außenpolitik. Die Sicherung der immer gefährdeten Nation, der Frieden, manchmal zum Preis fragwürdiger Kompromisse: Das waren Elisabeths Ziele, während die Heißsporne unter ihren Beratern ein stärkeres militärisches Engagement empfahlen, zugunsten bedrohter Protestanten auf dem europäischen Festland oder in Schottland. «England to the front!» war gleichsam das Credo der königlichen Räte. Nicht so Elisabeth. Hunderte von Zweifeln bedrängten ihre Brust, ob ein Einsatz nicht die Kräfte Englands überstieg, den Haushalt ruinieren und das Land geschwächt zurücklassen würde. «Perfides Albion!», müssen hugenottische Freunde in Frankreich und protestantische Verbündete in Holland wiederholt gedacht haben, wenn aus London die Antwort auf Bitten um Hilfe ein übers andere Mal widersprüchlich ausfiel. «Answer answerless», eine Antwort ohne Antwort, war die ewige Beschwerde auch bei Hof über die Königin, die Zaudernde, die Freunde und Berater schier verzweifeln ließ. Dabei war es im Grunde nichts anderes als ihre Sorge um das Familiensilber, um England, was sie zurückprallen ließ vor übereilten Entschlüssen. Ein Kampf gegen Maximalisten, überall. Der Patriotismus, der sich in ihrer Ära zum ersten Mal herausbildete, als Bewusstsein eines homogenen Nationalgefühls, fand seine Nahrung in dieser Entschlossenheit der Monarchin, das ihr anvertraute Erbe zu bewahren. Dass England sich aus den kriegerischen Verwicklungen Kontinentaleuropas weitgehend heraushielt, aber Spanien schließlich die Stirn bot – das wurde der rote Faden der Nation im elisabethanischen Zeitalter, und es war das Verdienst von «Gloriana» – der Beiname der Königin in ihren späteren Jahren. Es erfüllte die Zeitgenossen letztlich mit großer Dankbarkeit, einem Grundgefühl, das auch Elisabeths Frömmigkeit ausmachte, wie in vielen ihrer gedruckt erschienenen Gebete überliefert. Für den Imperialismus einer späteren Zeit dagegen war bei der Königin noch kein Platz. Das Empire lässt sich hier aus der Rückschau erst in Umrissen erkennen; noch ruht es, ein Embryo, im Schoß der Geschichte. Doch die maritime Auseinandersetzung mit Spanien eskalierte und ließ einen Machtwillen erkennen, der prägend werden sollte. Zuerst bei Elisabeths «sea dogs», den wagemutigen Draufgängern auf den Meeren der Welt. Der Mut, sich dem Unbekannten auszusetzen, in einer Nussschale wie der «Golden Hind», in der Francis Drake 1577–1580 die Welt umsegelte, war der Gipfel einer Kultur des Risikos. Zugleich markierte er den Moment, von dem ab Spaniens Seeherrschaft gebrochen war, und wurde zur Quelle des Stolzes für Elisabeths Untertanen. Doch die Königin sah, anders als manche Visionäre in ihrem Umkreis, in den Triumphen auf See noch keinen Schritt zu außerenglischen Eroberungen. Der tastende Versuch einer Koloniegründung in der Neuen Welt, in Virginia, war eben nicht mehr als dies – ein tastender Versuch, in der Phantasie Walter Raleighs ausgeheckt und bald wegen widriger Umstände aufgegeben. Viel näher stand der Monarchin die sanktionierte Plünderung spanischen Reichtums, der mit der kolonialen «flota» aus den südamerikanischen Schatzkammern den Seeweg zurück nach Spanien suchte. Die Raubzüge der Piraten waren Teil einer englischen Nadelstich-Politik, mit deren Hilfe das Land allmählich in den Stand einer ernst zu nehmenden Macht vorrückte, ohne dass dies als Ziel eigens deklariert worden wäre. Kernthese von Elisabeths berühmter Rede in Tilbury 1588, nach dem Sieg über die Armada, war die Schlussfolgerung, dass es nun niemand mehr würde wagen können, England anzugreifen oder gar zu besetzen. Das war kein Trompetenstoß der Parität mit Spanien, sondern das stolze Bekenntnis der Unangreifbarkeit, eine Philosophie der Defensive. Erst nach Elisabeth wurde daraus der Grundpfeiler einer über die Meere expandierenden Weltmacht, deren Umrisse sich unter der Tudor-Königin wohl abzuzeichnen begannen, aus der sie selbst aber keine Ideologie machen wollte. Der Zusammenhalt des Gemeinwesens war ihr wichtiger als der zweifelhafte Ruhm fremder Eroberungen. Außenpolitisch für England kämpfen hieß für die Königin meist, den Einsatz zu dosieren und ihn, wenn nötig, zu...