E-Book, Deutsch, 362 Seiten
Kiel / Meyer-Dietrich Die Hüter des Schwarzen Goldes
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7597-4127-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 362 Seiten
ISBN: 978-3-7597-4127-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
In der unterirdischen Welt stillgelegter Bergwerke leben die Hüter des Schwarzen Goldes, sagenumwobene Zwerge. Ihr größter Schatz, der Kraftstein Achazurit, hält die Welten über und unter Tage im Gleichgewicht. Noch. Denn jetzt ist er verschwunden. Sophie und Luca begeben sich auf eine abenteuerliche Reise, um ihn zu retten. Dabei begegnen sie weiteren mythischen Figuren - einem Werwolf, der weisen Frau, dem uralten Berggeist - und geraten zunehmend in Lebensgefahr.
Anja Kiel wurde in Süddeutschland geboren, ging in Essen und Gelsenkirchen zur Schule, studierte in Münster und zog nach einem Umweg über Bochum schließlich nach Hagen, wo sie mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern lebt. Sie arbeitete u. a. einige Jahre als Gästeführerin auf der Zeche Zollverein. Seit 2010 arbeitet sie hauptberuflich als Autorin und hat seitdem mehr als 30 Bücher geschrieben, die zum Teil in andere Sprachen übersetzt wurden.
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IN DEN FÄNGEN DER URALTEN ZWERGE
Luca trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Sein Lehrer verhandelte mit der Kartenverkäuferin. Wieso dauerte das so lange? Luca wollte den Museumsbesuch möglichst schnell hinter sich bringen. Das berühmte Bochumer Bergbau-Museum, na wenn schon! Bloß heute nicht zu spät zum Fußballtraining kommen. Schließlich ging es auch um die Aufstellung für das Spiel am Samstag. Jetzt winkte Herr Löwe die Klasse zu einer jungen Frau, deren Namensschild sie als Mitarbeiterin des Museums auswies. »Ich bin Frau Köhler«, sagte sie. »Ich werde euch im Rahmen einer Führung die Ausstellung erklären.« Sie lotste die Kinder in einen Aufzug, der die Besucher in das Anschauungsbergwerk bringen sollte. Es lag rund zwanzig Meter unter dem Museum. Die Jungs drängelten beim Einsteigen, und einige Mädchen kreischten. »Sicher wisst ihr, wie die Kohle entstanden ist?«, fragte Frau Köhler, als endlich alle wieder aus dem Aufzug gestiegen waren und sich in einer Art Tunnel wiederfanden. »Klar!«, sagte Sophie, bevor sich irgendjemand zu Wort melden konnte. Diese Oberschlaue musste natürlich wieder beweisen, dass sie zu Recht eine Klasse übersprungen hatte. Sie hielt gleich einen kleinen Vortrag über gespeicherte Sonnenenergie und die Urwälder in grauer Vorzeit. Typisch! Konnte die Streberin nicht einfach mal den Mund halten? Inzwischen erzählte Frau Köhler etwas von brennenden Steinen, die ein Schweinehirt an der Ruhr gefunden hatte. Und Sophie fragte, als wäre das furchtbar wichtig: »Wissen Sie vielleicht auch etwas über die Schwarzmännchen? Mein Großvater hat mir von ihnen erzählt, als ich klein war.« Ha, Luca grinste. Als sie klein war. Die reichte ihm immer noch kaum bis ans Kinn. »Nein«, sagte Frau Köhler, »von Schwarzmännchen hab ich nie gehört.« Sophie wurde rot. »Es sind Zwerge, denen angeblich die Kohle gehört, das Schwarze Gold. Sie leben versteckt im Berg.« »Ach nee! Und da hat dein Opa sie getroffen? Vielleicht seid ihr ja verwandt?« Das konnte Luca sich einfach nicht verkneifen. »Luca!«, sagte Herr Löwe scharf. Sophie biss sich auf die Lippen »Es heißt, dass sie früher in nebligen Nächten aus dem Berg kamen«, sagte sie leise. »Auf abgeernteten Feldern machten sie Feuer. Und … Ungerechtigkeit konnten sie nicht ertragen. Sie halfen Menschen, die in Not waren –« »So ein Quatsch!«, unterbrach Luca. »Das sind doch Kindermärchen!« »Vielleicht.« Frau Köhler lächelte wieder, und zwar so, als wüsste sie es besser. Herr Löwe sagte verärgert: »Du musst es ja nicht glauben, Luca, aber es ist schon eine originelle Geschichte!« Natürlich würde er den Quatsch nicht glauben! Diese Zwergenstory und originell? Nee, echt nicht! Frau Köhler führte die Klasse jetzt durch immer neue Gänge mit unebenem Boden, in dem gelegentlich Schienenstränge verliefen. Dazu erzählte sie allerhand über den Bergbau. Das langweilte Luca, er hörte kaum hin. Sein Interesse galt allenfalls den Maschinen hier unten. Irre sahen die aus. Manche waren riesig, zum Beispiel der Tunnelfräser mit dem Spitznamen Maulwurf. Und sie machten einen Höllenlärm, wie Frau Köhler am Bohrwagen vorführte. Der war selbst im Leerlauf wahnsinnig laut; sogar Herr Löwe hielt sich erschrocken die Ohren zu. Ausgerechnet zwei Mädchen durften die angeblich ziemlich schweren Abbauhämmer ausprobieren, obwohl Luca sich auch dafür gemeldet hatte. Schade, dass das Förderband nicht funktionierte. Luca hätte sich damit gerne ein Stück transportieren lassen, statt nur herumzulaufen. Aber warum nicht trotzdem einfach auf das Band klettern? Von dort hatte er bestimmt einen besseren Überblick! Und schon war er oben! Stand da wie ein Schauspieler auf der Bühne, breitete die Arme aus und rief: »Her mit der Kohle, sonst knallt’s!« Seine Mitschüler johlten. Luca stand wie immer im Mittelpunkt. »Komm sofort da runter!« Frau Köhler war das Lächeln vergangen. Herr Löwe ging wütend auf Luca zu … Aber dann wurde es mit einem Mal schlagartig dunkel. Und für einen kurzen Moment herrschte Totenstille. Luca hielt die Luft an. Er spürte mehrere kleine Hände an seinem Körper. Kinderhände? Luca wollte sie abschütteln, schlug zu und trat um sich. Doch er hatte keine Chance. Die kleinen, unglaublich starken Hände packten ihn und zogen ihn vom Förderband. Und als Luca um Hilfe schreien wollte, wurde ihm brutal ein Knebel in den Mund geschoben. Dann folgte ein Schlag auf den Kopf. Luca stöhnte. Er wurde gnadenlos vorwärts bugsiert. Vorwärts, wohin? *** Dieser schreckliche Luca mit seinen gehässigen Bemerkungen! Sophie hatte sich zu Beginn seines albernen Auftritts ein Stück von der Gruppe entfernt und war heftig zusammengezuckt, als plötzlich das Licht erlosch. Noch nie hatte sie eine so vollständige Dunkelheit erlebt. Und dazu die beängstigende Stille. Sophies Wut auf Luca und die Enttäuschung darüber, dass niemand aus der Klasse zu ihr hielt, wich einem Gefühl von Beklemmung. Nach einigen Schrecksekunden hörte sie wie von weit weg die aufgeregten Stimmen ihrer Klassenkameraden, hörte, wie Herr Löwe sagte, sie sollten sich beruhigen, ein kleiner Stromausfall, gleich würde das Licht bestimmt wieder angehen. Doch es blieb dunkel. Ein seltsam gedämpftes Wispern und Raunen, das Sophie nicht zuordnen konnte, war ganz in ihrer Nähe zu hören. Und dann sagte eine freundliche leise Stimme: »Komm mit! Bitte, komm mit! Ich zeige dir Dinge, die du noch nie gesehen hast!« Sollte sie? Sollte sie nicht? Vorsicht!, warnte Sophie sich selbst, das könnte gefährlich werden. Aber dann hatte sie Lucas verächtliches Grinsen vor Augen, und Trotz kam in ihr hoch. Was konnte ihr denn schon passieren? In einem Anschauungsbergwerk? Neugierig war sie immer gewesen. Und wer wusste schon, welche Geheimnisse hier unten auf sie warteten? Ihren Klassenkameraden war sie ja offensichtlich egal. Sie kämpfte noch mit sich, als jemand sie bei der Hand nahm. Dieser Jemand schien kleiner zu sein als sie selbst. Ja, jetzt sah sie es auch. Ein schwaches Glimmen ging von den hellen Haaren des kleinen Jungen aus. Wenn sie ihn nur deutlicher sehen könnte! Sie riss die Augen weit auf. Nein, das war kein Junge, der sie den schmalen unterirdischen Gang entlangführte. Das war ein kleiner alter Mann. »Bist du etwa ein …?«, rutschte es ihr heraus. »Ein Schwarzmännchen. Ganz recht.« Der winzige Alte nickte. »Du hast ja offensichtlich schon von uns gehört.« Der Lichtschein um seine Haare verstärkte sich, und Sophie konnte ihn allmählich genauer erkennen. Sein Gesicht war faltig und wie von Kohle geschwärzt. Die kleinen dunklen Augen funkelten lebhaft. Bis auf die Haare war alles an dem kleinen Kerl dunkel. Die Lippen waren von einem tiefen Rotbraun, anders, als Sophie es jemals bei einem Menschen gesehen hatte. Kapuzenjacke, Hose und die Stiefel, die der Zwerg trug, waren schwarz wie die Nacht. »Wohin gehen wir?«, wollte Sophie wissen. »Das wirst du sehen.« Der lange Gang schien kein Ende zu nehmen. Langsam mischte sich Angst in Sophies Neugier. Hatten sie das Anschauungsbergwerk irgendwie verlassen? Sophie hörte nichts außer ihren eigenen Schritten neben denen des kleinen Mannes. Die Schritte klangen hohl und schienen in Sophies Kopf widerzuhallen. Sie schwitzte. Was hatte der Alte mit ihr vor? Vielleicht brachte er sie als seine Gefangene in ein unterirdisches Verlies. Und sie musste bis ans Lebensende als Sklavin für ihn schuften. »Wir sind nicht ausgestorben, auch wenn deinesgleichen über uns reden, als gäbe es uns längst nicht mehr oder als habe es uns nie gegeben«, sagte der Alte im Flüsterton. Er machte eine Pause, bevor er feierlich versprach: »Folge mir, und dir wird nichts Böses geschehen!« Etwas Graues huschte an Sophies Füßen vorbei. Unwillkürlich blieb sie stehen und schnappte nach Luft. »Keine Angst«, beruhigte sie der Zwerg. »Das war nur eine von unseren zahmen Mäusen. Du magst die putzigen Tierchen doch hoffentlich?« »Es geht so«, krächzte Sophie. »Hauptsache, keine Ratten.« »Oh, Ratten gibt es hier auch. Du brauchst sie aber nicht zu fürchten. Sie sind genauso zahm wie die Mäuse. Und sehr klug.« Sophie schluckte. Das hatte sie auch schon gelesen. Trotzdem, Ratten waren ihr unheimlich. Und unheimlich wurde es ihr auch mit dem kleinen Alten bei jedem Schritt, den er sie tiefer in die Schwärze des endlosen Ganges zog. »Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt«, sagte er plötzlich. »Ich heiße Noirus. Und wie darf ich dich nennen?« »Sophie.« »Ein...