E-Book, Deutsch, Band 10, 200 Seiten
Reihe: Year of Passion
Kenner Year of Passion. Oktober
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-641-23726-4
Verlag: Diana
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, Band 10, 200 Seiten
Reihe: Year of Passion
ISBN: 978-3-641-23726-4
Verlag: Diana
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
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1 »Und?«, fragte Easton. »Was denkst du?« Hannah Donovan schlenderte langsam durch den sonnenbeschienenen Empfangsbereich, der eine Ecke im siebten Stock des Towers der Bank of America, Ecke Sixth Street und Congress Avenue, einnahm. Ihr zukünftiger Kanzleipartner, Easton Wallace, hatte ein breites Grinsen auf seinem klassisch gut aussehenden Gesicht. Hinter ihm stand – in abgeschnittenen Shorts und mit stacheligem, blauem Haar – Selma Herrington, Eastons Freundin, mit der sich auch Hannah innerhalb kürzester Zeit angefreundet hatte, und wandte ihnen den Rücken zu. Sie presste die Hände auf das Fensterglas und überblickte Austins berühmte Sixth Street. »Es ist fantastisch«, antwortete Hannah, die das alles immer noch nicht so recht glauben konnte. Waren sie tatsächlich dabei, Räumlichkeiten zu pachten? Sollte ihr Traum von einer eigenen Kanzlei tatsächlich Wirklichkeit werden? Sie verzog das Gesicht. Anscheinend. Immerhin hatte sie bereits bei Brandywine Consulting gekündigt, wo sie bis zum gestrigen Tag eine ganz einträgliche Stelle als firmeninterne Anwältin innegehabt hatte. Aber kaum hatte sie die Kündigung eingereicht, hatte dieser Mistkerl von einem Chef sie sogleich in ihren Resturlaub geschickt. Im Grunde hatte er sie zur Tür hinausgeworfen, ohne dass auch nur Zeit für einen Abschieds-Cupcake im Pausenzimmer gewesen wäre. Aber das ging schon in Ordnung. Denn nun war sie frei wie ein Vogel. Wenn auch ein etwas verängstigter Vogel, der vor einem brandneuen Abenteuer stand. Ein Vogel, der nicht über das Geld verfügte, mit dem sie gerechnet hatte, um dieses kleine Unternehmen zu finanzieren. Denn ihr mieser Ex-Chef hatte eine entsprechende Klausel in ihrem Altersvorsorgeplan eingebaut, sodass Hannah für ihren Ruhestand nur noch ein Notgroschen blieb, den sie definitiv nicht anrühren durfte. Und falls sie sich das Geld jetzt trotzdem auszahlen lassen wollte, war die Strafzahlung derart saftig, dass kaum genug übrig bleiben würde, um den Whiskey zu finanzieren, in dem sie ihren Kummer ertränken konnte. Mit anderen Worten: Sie sah sich diese fantastischen Büroräumlichkeiten an, ohne selbst einen Penny zum Start-Up-Kapital ihrer neuen Kanzlei beitragen zu können. Dabei würde eine beträchtliche Vorauszahlung fällig sein, wenn sie sich tatsächlich zur Pacht entschlossen. Easton hatte sie davon bislang nichts gesagt. Nun runzelte er die Stirn und musterte sie. »Du bist viel zu schweigsam. Gefällt es dir nicht?« Selma wandte sich um und warf ihm aus großen Augen einen erstaunten Blick zu. »Natürlich gefällt es ihr. Andernfalls wäre sie eine Idiotin.« »Wenn es mir tatsächlich nicht zusagen würde, könnte ich das jetzt wohl kaum mehr zugeben«, gab Hannah belustigt zurück und vergaß für einen Moment ihre Sorgen. »Und um eins klarzustellen«, fuhr sie fort. »Ich finde es großartig. Ich war nur …« Sie unterbrach sich und zuckte mit den Achseln. »Ich kann nur nicht glauben, dass das alles so schnell geht.« Das war natürlich die Untertreibung des Jahres. Und sie hatte keine Ahnung, wie sie Easton sagen sollte, dass sie eine andere Geldquelle auftun musste. Wie schrecklich, ihn solchermaßen enttäuschen zu müssen, zumal diese Partnerschaft ursprünglich ihre Idee gewesen war. Sie kannte ihn gut, und ihr war klar, dass er sich zu allem Überfluss in diese Räumlichkeiten verliebt hatte. Zum Teufel, ihr selbst ging es ja genauso. Schon auf den ersten Blick war klar, dass sie wohl kaum einen besseren Sitz für ihr Unternehmen finden konnten. Die Räumlichkeiten waren wirklich atemberaubend. Sie bildeten ein U, das die Hälfte der Ostwand, die gesamte Nordwand und die gesamte Westmauer einnahm. Der winzige verbleibende Raum wurde als Lagerraum für die Bank genutzt, der das Gebäude gehörte. Mit anderen Worten: Dieses Stockwerk würde ausschließlich den Mitarbeitern und Klienten der Rechtsanwaltskanzlei Wallace & Donovan vorbehalten sein. Ein paar doppelte Glastüren führten in den luxuriösen Empfangsbereich, der nach Osten zeigte und von dem man einen Ausblick über die Sixth Street hatte. Genau neben der Rezeption befand sich ein großer Konferenzsaal – ebenfalls mit gläsernen Wänden –, der nach Norden zeigte und von dem man auf das historische Driskill-Hotel hinabblickte und zudem noch eine winzige Ecke des Texas State Capitol erkennen konnte. Durch das ganze Glas war der Raum freundlich, luftig und lichtdurchflutet. Trotzdem war der Konferenzsaal mit automatischen Blenden ausgestattet, sodass Klienten und Anwälte, wenn nötig, auch eine gewisse Privatsphäre hatten. Büros für andere Anwälte, die keine Partner waren – falls sie überhaupt welche einstellen würden –, säumten die nördliche und westliche Mauer und konnten auch von den Rechtsanwaltsgehilfen genutzt werden. Von dem Eckbüro im Nordwesten aus hatte man einen atemberaubenden Ausblick auf die Congress Avenue. Aus der südwestlichen Ecke der Kanzlei sah man den Fluss in der Ferne. Alles in allem waren die Räumlichkeiten schlicht unglaublich. »An schnell ist ja nichts auszusetzen, wenn es richtig ist«, sagte Easton zu ihr und zwinkerte Selma zu, offensichtlich in Anspielung auf ihre Wirbelwind-Romanze. »Und davon bin ich überzeugt. Diese ganze Idee ist genau das Richtige. Diese Räumlichkeiten. Unsere Firma. Du und ich als Partner.« Er schritt zu ihr herüber und legte einen Arm um sie, genau wie früher, wenn er ihr an der Uni zu einer guten Note oder einer besonders ausgefuchsten Lösung zu den in den Seminaren erörterten Fällen gratuliert hatte. »Seit wir den Sprung gewagt haben und dem hier zugestimmt haben, habe ich ein gutes Gefühl. Selbst meine verrückte Berühmtheit hat sich zu unseren Gunsten ausgewirkt. Ich bekomme alle möglichen Anrufe von Leuten, die mir ein Mandat übertragen wollen.« Easton und Selma waren vor nicht allzu langer Zeit in aller Öffentlichkeit mit heruntergelassener Hose – beziehungsweise Selma mit hochgeschobenem Rock – erwischt worden. Der Skandal hatte Easton die Chance aufs Richteramt vermasselt, aber wie sich herausstellte, machte ihm das nicht allzu viel aus. Eigentlich war er sowieso lieber Anwalt – und so war er ausgestiegen und hatte Hannahs Vorschlag aufgegriffen, mit ihr zusammen eine Kanzlei zu gründen. Ein Vorschlag, der, als sie ihn gemacht hatte, absolut seetüchtig gewesen war, jetzt aber ein Leck hatte. »Ich habe auch ein gutes Gefühl«, versicherte sie ihm. »Ich schwöre, dass ich jetzt nicht kneife.« Das würde sie ihm nicht antun. Die Sache war für sie beide einfach zu wichtig. Dieses Unternehmen war ihre Zukunft. Und es war genau die Anwaltskarriere, die sie sich wünschte. Eine lebendige Praxis, in der sie interessante Arbeit leisten konnte, an der Seite eines Partners, dem sie vertraute. Sie hatte ihre Kollegen an ihrem alten Arbeitsplatz sehr gemocht, und sie würde es vermissen, ihre Freunde nicht mehr täglich zu sehen. Aber trotzdem war sie in ihrer alten Firma eingegangen wie ein Primelchen, denn die eigentliche Arbeit hatte sie zu Tode gelangweilt. Die Stelle bei Brandywine Finance and Consulting war ihre zweite Anstellung als Anwältin gewesen. Zuerst hatte sie in einer riesigen Kanzlei gearbeitet, wo sie jahrelang an Fällen gesessen hatte, die so umfangreich gewesen waren, dass sie oft nur einen juristischen Teilaspekt kannte – in das große Ganze des jeweiligen Rechtsstreits war sie fast nie eingeweiht worden. Die Arbeit war zwar in Teilen durchaus interessant gewesen, aber sie hatte nur wenig Kontakt zu ihren Klienten gehabt, und sogar noch weniger Kontakt mit dem gesamten Schlachtplan. Sie wusste, dass sie ihren Beitrag leistete, aber nach einer ganzen Weile hatte sie es nicht mehr ertragen, und sie hatte die Festanstellung bei Brandywine angenommen. Zunächst war das eine Verbesserung gewesen, aber über kurz oder lang war auch diese Arbeit zur Routine geworden, und es ging nicht länger um die Tätigkeit an sich, sondern um die regelmäßige Gehaltszahlung. Beinahe schon zu spät hatte sie erkannt, wie sehr sie sich wünschte, da draußen mit tatsächlichen Fällen zu tun zu haben. Detaillierte juristische Schriftstücke zu verfassen, die geltendes Recht infrage stellten. Berufserfahrung zu sammeln und sich einen Ruf zu erwerben. Glücklicherweise wollte Easton das Gleiche. Unglücklicherweise hatte sie Zeit verloren – die meisten Anwälte ihres Alters, die sich selbstständig machten, hatten bereits eine Handvoll Klienten in der Tasche. Wenn sie also erfolgreich sein wollte, musste sie dieser Kanzlei ihre ganze Kraft und Aufmerksamkeit widmen, durfte sich von nichts und niemandem ablenken lassen. »Ich weiß, dass du nicht kneifst«, versicherte Easton ihr. »Aber zunächst mal müssen wir das hier in trockene Tücher bringen. Wenn wir zu lange zögern, schnappt uns jemand dieses Büro womöglich vor der Nase weg. Ich habe als Erster einen Besichtigungstermin ergattert, weil der Typ, der die Räumlichkeiten in diesem Gebäude vermietet, mir einen Gefallen schuldig ist. Aber er hält uns das Objekt nur bis Montagmorgen frei. Danach sind wir nicht mehr die einzigen Interessenten. Außerdem: Je eher wir uns dafür entscheiden, umso eher können wir uns auch mit Klienten hier treffen.« Hannah wandte sich langsam um, musterte ihre Umgebung aufmerksam. Und ja, auch sie war ganz versessen auf diese Räumlichkeiten. »Ganz sicher werden sie über dieses Büro staunen.« Die Anwaltskanzlei, die vorher hier untergebracht gewesen war, war aufgelöst worden, sodass man sogar deren gesamte Bibliothek übernehmen konnte, einen großzügigen Raum, in dem sich sämtliche notwendigen Ressourcen befanden und der das Zentrum des Etablissements bildete. »Du darfst auch...