Kempen | Lichterloh - Stadt unter Ruß | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 320 Seiten

Reihe: Lichterloh

Kempen Lichterloh - Stadt unter Ruß

Der Auftakt einer atmosphärisch-rauchigen Young-Adult Trilogie

E-Book, Deutsch, Band 1, 320 Seiten

Reihe: Lichterloh

ISBN: 978-3-7348-0437-3
Verlag: Magellan Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Steampunk war gestern - Coalpunk ist angesagt! Willkommen in Rußstadt, in der die Schornsteinfeger die Superstars sind  Cleo und ihre Schwester Gwynnie leben in einer von Kohle dominierten Welt. Rauch verschleiert den Himmel, das Atmen fällt schwer und die Hoffnung auf lichtere Tage liegt in weiter Ferne - willkommen in Rußstadt. Während Gwynnie heimlich umweltfreundliche Techniken erforscht, ist es Cleos größter Traum, den hochgeachteten Beruf der Schornsteinfegerin zu erlernen. Doch wie soll sie es als einfache Fabrikarbeiterin aus dem Volk in diese Elite schaffen? Nachdem ein schrecklicher Brand in einem Haus der unteren Schicht ausbricht und Cleo verbotenerweise zur Hilfe eilt, erhält sie überraschend die Chance, Schornsteinfegerin zu werden. Doch handelt es sich dabei tatsächlich um die Erfüllung ihrer sehnlichsten Träume - oder ist Cleo nur ein Zahnrad in einem perfiden Plan? Band 2 und 3 der Trilogie folgen im Herbst 2025

Sarah M. Kempen schreibt Geschichten für Kinder und Jugendliche und die, die es noch werden wollen. Neben Romanen verfasst sie auch Drehbücher für Animationsserien und Kinofilme. Für 'Lichterloh' erhielt sie 2022 den Literaturpreis der Hamburger Kulturbehörde sowie das Stipendium des Phantastik-Autoren-Netzwerks in der Kategorie 'Kinder- und Jugendbuch'. Sie lebt mit vielen Knöpfen und noch mehr Strickjacken im Süden Hamburgs.
Kempen Lichterloh - Stadt unter Ruß jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


1
Cleo erwachte von dem vertrauten Klappern der Kohlerutsche vor ihrem Fenster. Sie lauschte, wie die kleinen Briketts durch das Metallrohr polterten und schließlich gegen die kleine Glocke stießen, die am Ende der Rutsche angebracht war. Mit dem feinen Läuten sprang sie aus dem Bett. Die Glocke schwang noch leise hin und her, als Cleo bei ihr ankam. So weit entfernt von den anderen Häusern der Stadt sollte es eigentlich keine Kohlediebe geben, aber sie wollte das Risiko nicht eingehen. Diese zwielichtigen Gestalten, die sich in den dunklen Gassen versteckten und dort wie Geier darauf warteten, dass die Kohle in den Rutschen ihr Ziel erreicht hatte, um sie blitzschnell an sich zu nehmen, bevor der eigentliche Besitzer die Chance dazu hatte. Und da ein Tag ohne Kohle auch einen Tag ohne Heizung, Essen oder Arbeit bedeutete und die meisten Menschen nicht das Geld hatten, sich Ersatz zu kaufen, war das eine Katastrophe. Cleo begutachtete die heutige Ausbeute. Es lagen viele kleine, unförmige Klumpen im Kohleeimer, einige waren längst zu Staub zerfallen. Sie seufzte und sah die lange Kohlerutsche hinab, die bis hinunter in die Stadt führte und sich dort verästelte, um jedes Haus täglich mit Kohle zu versorgen. Der Signalturm, in dem sie lebte, befand sich weit draußen, ganz am Ende der Lieferstrecke, an einem Berghang, wo wegen der dichten Felslandschaft sonst keine Häuser standen. Nicht nur, dass die besten Kohlestücke bereits unterwegs verteilt worden waren – ihre hatten eine so lange Reise hinter sich, dass sie immer mehr in Einzelteile zerfallen waren. Cleo hörte ein Surren und sah hoch. Die Lampe, die sich oben im Turm befand, leuchtete in einem grellen Gelb. Akzeptable Luftverhältnisse. Doch das Geräusch verriet, dass ihre Schwester Gwynnie im Begriff war, die Farbe der Lampe zu ändern. Nur wenige Wimpernschläge später nahm die Lampe ein dunkles Orange an. Cleo verzog das Gesicht. Das bedeutete, dass der Rußgehalt der Luft sich um einiges verschlechtert hatte. Vorsicht war geboten. Die Menschen durften nur kleine Feuer für das Allernötigste entzünden. Selbst hier, in der etwas erhöhten Lage des Signalturms, sah Cleo den Ruß durch die Luft wabern und alles grau färben. In den engen Gassen der Viertel musste es noch schlimmer sein. Sie ging wieder hinein und zog sich um, bevor sie die Leiter erklomm, die hoch zur Signallampe führte. Gwynnie studierte die Messgeräte, die überall auf der Plattform aufgebaut waren und die Rußwerte von mehreren Orten der Stadt anzeigten. Cleo verstand nur im Ansatz, wie man sie deutete, ihre Schwester jedoch war eine Meisterin darin. Sie hatte diesen Beruf von ihrem Vater erlernt. Cleo war damals noch zu klein gewesen. Gwynnies Augen wurden von ihrer großen, runden Schutzbrille mit aufgesetzter Lupe verdeckt, dessen Lederband sich in ihrem zotteligen dunkelblonden Flechtzopf verheddert hatte. Sie wandte sich von den Messgeräten ab und hielt den Blick nun auf die Lampe selbst fixiert, während sie an einer Kurbel drehte, um genau den richtigen Farbgrad zu erwischen, welcher den Mittelwert der gesamten Rußbelastung der Stadt darstellte. Nicht, dass es jemandem auffallen würde, wenn sie danebenlag, aber das bedeutete nicht, dass Gwynnie sich Nachlässigkeit erlauben konnte. »Ist es wieder schlimmer geworden?«, fragte Cleo. Ihre Schwester sah auf und schob sich die Brille mit der rechten Hand hoch. Sie trug einen Handschuh aus verziertem Kunstleder und Metall, der nur die vier Finger der Hand bedeckte. Daumen und Handfläche lagen frei. So war nicht zu erkennen, dass Gwynnie an dieser Hand alle oberen Fingerglieder fehlten. Eine Verletzung, die sie bei dem Brand vor acht Jahren erlitten hatte, in welchem ihre Eltern gestorben waren. Cleo hatte damals die große Brandnarbe auf der rechten Seite ihres Kopfes davongetragen. Sie war sieben Jahre alt gewesen und die zwölfjährige Gwynnie hatte sie aus den Flammen gerettet. Dass sie überlebt hatte, kam einem Wunder gleich, und die Narbe war der Beweis dafür. Deswegen hatte Cleo sich die schwarzen Haare kurz geschnitten und die wenigen, die auf der rechten Seite noch wuchsen, komplett abrasiert, um die Narbe stolz der Welt zu zeigen. »Es war zu erwarten heute«, murmelte Gwynnie. »Alle Schornsteinfeger sind mit ihrem Fest beschäftigt. Keiner kontrolliert die möglichen Gefahrenherde. Und weil das alle wissen, verfeuern sie die Kohle ohne Rücksicht auf den Rußgehalt.« Cleo trat zu ihrer Schwester an den Rand des Signalturms, von dem sie einen guten Blick über die ganze Stadt hatte. Auf den Berghängen gegenüber, auf der anderen Seite der Stadt, standen die Villen der reichen Industriellen mit ihren Luftfiltern, die lebten, als gäbe es keinen Ruß. Ein Stückchen darunter, ebenfalls erhöht, befanden sich die ihrerseits prunkvollen Häuser der Schornsteinfeger. Von dort ging es immer tiefer, die Gebäude standen enger, wurden einfacher und in den unteren Vierteln drängten sich die Häuser dann dicht an dicht, von allen Seiten eingegrenzt durch zerklüftete Felsvorhänge, die größtenteils unbebaubar waren. Im Zentrum der unteren Viertel erhob sich der riesige Schlot der Kohlefabrik, von der die Kohle an die Häuser der Stadt geliefert wurde. Aus den Abertausenden Schornsteinen der Häuser quollen hohe Rauchsäulen – doch keine war beeindruckender als die der Kohlefabrik. Gwynnie deutete auf die zahlreichen Wimpel und Banner in den Straßen, welche die Schornsteinfegerparade ankündigten. »Sie feiern sich, während anderswo die Menschen mit ihrem Leben spielen. Obwohl sie gerade diese Menschen beschützen sollten. Hör nur.« Cleo spitzte die Ohren. Weit entfernt konnte sie ein mehrstimmiges, schrilles Klappern hören. »Die Warnsysteme.« Gwynnie nickte. »Sie schlagen schon an.« Die Rußwarnsysteme waren vor vielen Jahren in den Straßen installiert worden. Kleine, metallische Vögel, die ein ohrenbetäubendes Klappern von sich gaben, wenn der Rußgehalt der Luft zu sehr stieg. Jetzt erst fiel Gwynnie der Eimer in Cleos Hand auf. Sie rümpfte die Nase. »Wieder der Dreck vom Dreck, was?« Cleo grinste und hob den Eimer, als befände sich darin eine seltene Delikatesse. »Nur das Beste für uns.« Gwynnie erwiderte ihr Lächeln und deutete nach unten. »Dann wollen wir mal.« * Überall in ihrem Haus befanden sich Maschinen, wie in jedem Gebäude Rußstadts. Da war der Ofen, der für Wärme sorgte. Der Herd, die Waschtrommel und eine Vielzahl von Lampen. Alle mit einem Anschluss zu einem eigenen Schornstein für den Abzug des Rauches. Jeder, der hier hereinkam, würde es für ein normales Haus halten. Doch der Unterschied war, dass die Schwestern den Kohleantrieb aller Maschinen ausgebaut hatten. Ihr Licht brannte durch kleine Windräder, welche auch die Waschtrommel antrieben, und sogar der Herd kam vollkommen ohne Kohle aus. Gwynnies neueste Erfindung war eine kleine Zelle, welche das Sonnenlicht in Energie umwandelte, doch da der Ruß so dicht war, konnte sie sie bisher nicht ausprobieren. Gwynnie legte einige der Kohlestücke in kleine Apparaturen, zündete sie an und beförderte sie mit einer Kurbel hoch in ein paar der Schornsteine hinein. Schon nach Kurzem taten die Vorrichtungen ihren Dienst, die Kohle begann zu glimmen und erzeugte eine Rauchwolke, die beeindruckend in den Himmel stieg. Cleo verteilte währenddessen ein wenig Ruß auf dem Boden vor den Maschinen. Ihre Schwester glaubte, dass es den Industriellen nicht gefallen würde, dass die beiden keine Kohle nutzten. Wenn sie kohlefreie Mechaniken wollen würden, sagte Gwynnie immer, dann würden sie solche Geräte bauen lassen und nicht jeden Tag Kohlerationen an die Bevölkerung verteilen. Deshalb wahrten sie den Schein, damit niemand misstrauisch wurde. Cleo hängte sich ihre Werkzeugtasche um. »Ich muss los. Wird ein wenig später heute.« Ihre Schwester runzelte die Stirn. »Du willst nach der Arbeit aber nicht noch zur Parade, oder?« Cleo zuckte zusammen. »Mumpitz«, antwortete sie schnell. »Der Schneidermeister hat mich um Hilfe gebeten.« Gwynnie grinste und verdrehte theatralisch die Augen. »Natürlich, wer sonst?« Sie griff in den Eimer und steckte Cleo ein paar Kohlestücke zu. »Könnten dir vielleicht nützlich sein.« Kohle funktionierte wunderbar, wenn man jemanden bestechen musste, viel besser als Geld. Und bestechen musste man öfter als ihr lieb war. * Als sich die Haustür hinter ihr schloss, griff Cleo kurz in die Innenseite ihrer Jacke und fühlte nach dem dünnen Heft, das sie dort verborgen hatte. Das Schornsteinfegersammelheft. Gwynnie wusste weder, dass Cleo eines besaß, noch dass sich darin bereits einige Daumenabdrücke von Schornsteinfegern befanden. Ihre Schwester hatte nichts für diese »Angeber ohne Ruß im Gesicht« übrig. Weswegen sie ihr nicht erzählte, dass sie eigentlich doch gerne der Parade beiwohnen wollte. Sie schnappte sich ihr Rad und lud die Tasche auf. Ihr Blick fiel auf die verkohlte Häuserruine, die einsam an dem unwegsamen Berghang unweit des Turmes stand. Die Brücke dorthin war vollkommen verbrannt, nicht mehr als ein Gerippe war übrig, was ein Erreichen des Hauses unmöglich machte. Die Menschen, die dort gelebt hatten, hatten den Schornsteinfegern Zutritt verweigert, sodass ihre Kohlemaschinen nicht gewartet und ihre Schornsteine nicht gekehrt werden konnten. Und so war dort eines Tages ein Brand ausgebrochen und alle Bewohner waren lichterloh verbrannt, weswegen man das Haus Ruine Lichterloh nannte. Seit diesem Tag galt die Regel, dass Schornsteinfegern der Zutritt zu einem...


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.