Buch, Deutsch, Band 6, 348 Seiten, GB, Format (B × H): 155 mm x 225 mm, Gewicht: 670 g
Reihe: Veröffentlichungen des Archivs für Zeitgeschichte ETH Zürich
Antisemitismus in der Nachkriegszeit und der Schweizerische Israelitische Gemeindebund
Buch, Deutsch, Band 6, 348 Seiten, GB, Format (B × H): 155 mm x 225 mm, Gewicht: 670 g
Reihe: Veröffentlichungen des Archivs für Zeitgeschichte ETH Zürich
ISBN: 978-3-0340-1042-9
Verlag: Chronos
1944 gründete der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) das Ressort 'Abwehr und Aufklärung'. Die entsprechende Kommission registrierte vielfältige Formen latenter und virulenter Judenfeindschaft, diskutierte angemessene Re-Aktionen und versuchte, den Antisemitismus in der Nachkriegszeit zu bekämpfen.
Antisemitismus wird in diesem Buch aus der Optik der Betroffenen erfasst und in sein historisches Umfeld eingebettet. Öffentliches Aufsehen erregten Pamphlete aus dem In- und Ausland sowie Antisemiten, die ihre judenfeindlichen Verschwörungstheorien auch nach der Shoah weiterverbreiteten. Ins Blickfeld der Studie gerät auch der Umgang kantonaler und eidgenössischer Behörden mit dem Antisemitismus. Die Schweizerische Bundesanwaltschaft hatte darüber zu befinden, ob judenfeindliche Vorfälle zur Anklage gelangen sollten; die den Gemeindebund betreffenden Akten legte sie bis weit in die Nachkriegszeit unter dem Schlagwort 'Judenfrage' ab. Nach 1948 war der neu gegründete Staat Israel Gegenstand antisemitischer Projektionen, und der Gemeindebund sah sich verschiedenen Spannungsfeldern politischer Loyalitäten ausgesetzt. Der Staatsschutz beobachtete zionistische Gruppierungen und ihre Exponenten mit Argwohn. Der Autor verrät überdies ein feines Gespür für die leisen und unspektakulären Töne, mit denen sich der Antisemitismus während der gesamten Nachkriegszeit in der Schweiz äusserte. So kursierten in Diskussionen um eine mögliche Sondersteuer für Rückwanderer nach dem Zweiten Weltkrieg oder zur Frage der Kirchensteuerpflicht des SIG im Kanton Zürich antisemitische Stereotype auch zwischen den Zeilen oder hinter vorgehaltener Hand.
Der SIG suchte Verbündete im Kampf gegen den Antisemitismus. Er fand sie in den unmittelbaren Nachkriegsjahren in der religiös ausgerichteten 'Christlich-Jüdischen Arbeitsgemeinschaft' und später in der politisch aktiven und überparteilichen 'Gesellschaft Schweiz-Israel'.
Die Studie stützt sich unter anderem auf umfangreiche Quellenbestände im Archiv für Zeitgeschichte, insbesondere auf das SIG-Archiv. Sie schliesst zeitlich an die Forschungen der 'Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg' an und leistet einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Nachkriegszeit.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Einleitung
1. Jüdische Archive und der Kampf gegen den Antisemitismus in der Schweiz
1.1 Die jüdischen Gemeinschaften in der Schweiz 1943 bis 1960
1.2 Ein Archiv ohne Ort – Überlieferung mit Rissen
1.3 'Aufklärung': Anthropologisches Ideal und politisches Programm
1.4 Diskussionen um das Archiv des Gemeindebundes und der Juna
1.5 Das Archiv des SIG als helvetischer lieu de mémoire
2. Ein Blick ins Innere des SIG
2.1 Spannungen
2.2 Die Statutenrevision von 1943
2.3 Die 'Kommission für Nachkriegsprobleme' des SIG
2.4 Benjamin Sagalowitz’ 'Der Weg nach Maidanek'
3. Antisemitische Vorfälle in der Schweiz der 1940er Jahre
3.1 Anonyme Morddrohungen und Fahrkarten nach Palästina
3.2 Ein 'gravierender Vorfall' in Sierre/Siders (VS)
3.3 Antisemitismus und Flüchtlinge nach dem Kriegsende: eine Fallsammlung aus dem Jahre 1946
3.4 Die Zürcher 'Motion Pestalozzi'
3.5 Der Schriftsteller Emil Ludwig und seine Rückkehr in die Schweiz
3.6 Der 'Neuschweizer' Valentin Gitermann und Karl Wick
3.7 Das Steueramt der Stadt Zürich und die Zwangsvornamen 'Israel' und 'Sara'
3.8 Ein 'Ariernachweis' nach 1945?
3.9 Das Steueramt des Kantons Zürich und die jüdische Religion
3.10 Zwei Bilder, eine Realität oder: eine Realität in zwei Bildern
4. Das Ressort des SIG 'Abwehr und Aufklärung'
4.1 Exposés zu Fragen der Bekämpfung des Antisemitismus
4.2 Die Stellung der Juna innerhalb der 'Abwehr'
4.3 Die Anfänge der 'Kommission A.'
5. Versuche der strafrechtlichen Ahndung des Antisemitismus
5.1 Verweigerung des Demokratieschutzes: eine Eingabe an den Bundesrat
5.2 'Die Wacht am Morgarten'
5.3 Ein Pamphlet in 'Stürmer'-Manier
5.4 Keine Unterstützung für ein Antirassismusgesetz
5.5 Wirksamer Schutz vor antisemitischen Pamphleten aus dem Ausland
5.6 Kein behördlicher Schutz vor antisemitischen Pamphleten im Inland
6. Die Gründung des Staates Israel
6.1 Berns zaghafte Kontakte
6.2 Freude mit Vorsicht: Positionierung des Gemeindebundes
6.3 Die Bundesverwaltung und der Staat Israel
6.4 Die Bundesanwaltschaft und der Zionismus
6.5 Die Gesellschaft Schweiz-Israel: eine Verbündete
7. Christlich-jüdischer Dialog
7.1 Ursprünge
7.2 Gründung der Christlich-Jüdischen Arbeitsgemeinschaft
7.3 Zwischen interreligiösem Dialog und politischer Aktivität
7.4 Judenbilder in Erzählungen und Legenden
7.5 Konzeptionelle Auseinandersetzungen
7.6 Voranschreitende Theologisierung
7.7 Christliche Passionserzählung und offener Antijudaismus in den 1950er Jahren
7.8 Die Schweizerische Vereinigung zur Wahrung der demokratischen Rechte und Freiheiten
7.9 Gesellschaftliche und politische Akzeptanz des Gemeindebundes
8. Projekte und Kampagnen der Aufklärung nach 1945
8.1 Judenfeindliche Darstellungen in Lehrmitteln
8.2 Aufklärung am Radio
8.3 Boykott von Veit Harlans Film 'Die unsterbliche Geliebte'
8.4 Ein jüdisches Museum für die Schweiz
8.5 Eine inoffizielle Rekrutenbefragung über Judentum und Antisemitismus
Resümee