E-Book, Deutsch, 272 Seiten
Kayser Über die Grenzen des Unbekannten
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-96543-052-5
Verlag: Lehmanns Media
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Erzählungen in Text, Ton und Bild
E-Book, Deutsch, 272 Seiten
ISBN: 978-3-96543-052-5
Verlag: Lehmanns Media
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Dieses technisch und inhaltlich innovative Buch kann mit Hilfe eines Smartphones (QR Code) digitalisiert, die farbenfrohen, tiefsinnigen und humorvollen Erzählungen, von denen einige durch Literaturpreise ausgezeichnet wurden, können so als professionelles Hörbuch erlebt werden. Begleitende Hinterglasmalereien ergänzen die Erzählungen, die mit kurzen Überleitungstexten zu einem ‚Patchwork-Roman' zusammenwachsen.
Die einzelnen Kapitel behandeln aktuelle Fragen nach Glaube und Wissen, Barmherzigkeit und Hilfe, Demokratie und Macht, sowie den Einfluss der Globalisierung und elektronischen Netzwerke auf Moral und Zukunft der Menschheit, auf Geburt und Entwicklung einer rein ‚elektronischen Ethik und Zielgestaltung'.
Hierbei werden die Grenzen des Glaubens (Die Rede des Allmächtigen vor der UN; Die hilflose Barmherzigkeit; Luther und das Luderob Konzil); die Grenzen einer ‚vernünftigen' Demokratie (all you can demonstrate), Eigenschaften unterschiedlicher Kulturen (Das Rot der Feuerbäume; Shen Quilin, der gute Geist von Sichuan), autonome Ethik und Moral virtueller Welten (Die Schutzengel der Pokemon Go Spieler; Das irreale Glück des Inneren Existenznetzes) in humorvoller und anregend tiefgreifender Fassung dargestellt, ebenso wie Fragen der Immigration (Der getürkte Franke oder von der Freiheit eines Frankenmenschen; Des Hauptmanns alte Kleider) oder einer tatkräftigen Hilfe und wahrheitsgetreuen Berichterstattung (Aus dem Leben einer Kirchenmaus; Der Regenschirmstock; Die wahre und die Ware Wahrheit).
Dieses Buch erweckt Freude am Lesen, Hören und Sehen, regt an zum Nachdenken über Zufall und Verantwortung, zum Verstehen menschlicher Verhaltensweisen bei Sieg und Niederlage, Glück und Pech, Kommunikation und Isolation, zur Diskussion ethischer, politischer und kirchlicher Zielsetzungen.
So wird erzählt: „Wir sind keine Götter. Aber wir tun unser Bestes, um hier und überall als Götter behandelt zu werden.“
Weitere Infos & Material
Zu der 11. Erzählung: Der Protest der Schmetterlinge
Freude, Sohn der Schmetterlinge, Tochter meines Virtuum, Flattere um Rosendinge In meinem Blumenbeet herum. Greif zu Nektar und zu Pollen, Der Blumentisch ist rot gedeckt. All dein Flattern, all dein Wollen Hat meine Liebe neu erweckt. Das im Morgentau erwachte Pfauenauge hört den Gesang, erinnert sich an die Europahymne der Schmetterlinge und greift zum Smartphone. Eigentlich wollte es ein Rosenfrühstück genießen, aber die Sucht nach Unterhaltung, die Neugier nach WhatsApp-Berichten und nach den neuesten Nachrichten sind größer. Von Interesse sind insbesondere der Wetterdienst, Informationen über den Zustand der Blüten und den Zustand der Raupen Geburtshäuser. So ruht es sich auf einer frisch erblühten gelben Nelke aus, wischt mit seinem rechten Fühler über das Display und schaut nach den neuesten Meldungen. Die Schmetterlingssprecherin erläutert: ‚Das Flugwetter für Schmetterlinge ist günstig. Es werden mehr als acht Stunden Sonnenschein und Temperaturen über 25 Grad Celsius gemeldet. Starker Wind oder gar Sturm sind nicht zu erwarten. Auch die Bedingungen zum Larvenschlüpfen sind gut bis sehr gut. Der Boden ist noch feucht vom gestrigen Frühsommerregen. Die Pflanzenstängel sind durch die bereits eingetretene Sonnenbestrahlung abgetrocknet. Gut trainierte Larven werden somit keine Probleme bei ihrer Metamorphose zum flatterfähigen Schmetterling vorfinden. Weniger erfahrene Raupen sollten mit der Verpuppung noch ein bis zwei Tage warten. Das Wetter werde weiterhin sonnig und warm für die kommenden drei Tage bleiben. Diese Zeit könne durchaus für das Verpuppungstraining benutzt werden, zumal das Angebot an pollentragenden Blüten sich aufgrund der guten Witterung breiter und flattergünstiger entwickeln wird. Zudem sind die Schmetterlingskindertagungsstätten zurzeit derartig überfüllt, dass die Sicherheit der Jungschmetterlinge nicht mehr gewährleistet ist. Besonders kritisch ist die Lage für Zitronenfalter- und Admiralsraupen. Es stehen bei Weitem nicht genügend schutzsichere Blattverstecke und Marienkäfer zur Verfügung, um die Blattläuse und die an ihnen interessierten Meisen vom Besuch der gastgebenden Pflanzen abzuhalten. Hier sind die täglichen Gefahrenmeldungen für die ausgewachsenen flatterfähigen Schmetterlinge. Der Besuch der Blumenfelder und der Erdbeeranpflanzungen solle möglichst vermieden und nur mit einer Ganzkörper-Schutzkleidung erfolgen. Der rechtsradikale Giftteufel hat wieder zugeschlagen. Er hat die falsche Behauptung im Insektennetz verbreitet, dass gewaltbereite linksradikale Insektenrocker für die Abschaffung des Generals und aller imponierenden großen Schmetterlinge demonstrieren und die Felder verwüsten würden. Deshalb wurden die weitläufigen Nelkenfelder der Gärtnereien gestern von den zuständigen Behörden unter Generalverdacht gestellt, von der internationalen Insektenpolizei aufgesucht und mit Deltametrin besprüht. Die Nahrungssuche auf diesen Feldern ist ausgesprochen gefährlich und unbedingt zu vermeiden. Als Ausweichgebiet ist nur die nahe gelegene Kleingärtneranlage zu empfehlen. Die Flatterentfernung zu diesen als sicher einzustufenden Blütentafeln beträgt nur eine halbe Stunde. Allerdings sind auf dem Weg Stau und Behinderung durch fressgierige Vögel nicht auszuschließen. Seien Sie unbedingt vorsichtig und halten Sie Ausschau nach den herabstürzenden Himmelsfeinden. Richten Sie sich nach den Blumenlotsen, den Bienen. Achten Sie auf Libellen und Spinnen. Wir haben bereits einige Verluste zu beklagen. Pfauenauge sendet eine WhatsApp in das soziale Schmetterlingsnetz und fragt nach den Bedingungen bei den Kleingärtnerblumen.‘ Die Kollegen antworten: ‚Alles ist in Ordnung. Die Rosen stehen in voller Blüte. Es ist zu befürchten, dass viele der geöffneten Blumen in Kürze abgeschnitten und in Blumenvasen zur Schau gestellt werden. Pfauenauge solle sich beeilen. Möglichst noch vor der Mittagszeit eintreffen. Denn kurz nach Mittag werden Kinder erwartet, die versuchen werden, nur so aus Spaß, Schmetterlinge mit Netzen einzufangen. Die Jungen und Mädchen haben sich auf herausragende Schmetterlingsvolksvertreter wie Pfauenauge, Admiral und Kaisermantel spezialisiert. Die gefangenen Kollegen werden aufgespießt, ihre Körper getrocknet und in Glaskästen zur Schau gestellt. So ein Kasten kostet viel Geld. Also, bitte Beeilung und Vorsicht.‘ ‚Pfui Teufel‘, denkt Pfauenauge. ‚Von einem Vogel gefressen zu werden, ist schlimm genug. Von einer Spinne im Netz gequält und bei lebendigem Leib ausgesaugt zu werden, noch schlimmer. Aber aufgespießt, getrocknet und von irgendwelchen betuchten Schmutzfingern begrabscht und misshandelt zu werden, das sei mehr als die Verweigerung des Schmetterlingsparadieses. Schlimmer als jedes Fegefeuer. Im Fegefeuer verbrennt mein Körper. Meine freie Seele kann flattern und demonstrieren. Das ist unmöglich, wenn mein Körper in einem Glaskasten festgenagelt zu Staub zerfällt. Das darf nicht geschehen. Ich muss meine Kollegen motivieren und in Facebook organisieren. Vielleicht kommen mir der Admiral und der Kaisermantel zu Hilfe. Obwohl, eigentlich mag ich keinen Admiral. Und der Kaisermantel ist vermottet und stinkt. Er hat sich seit Tagen nicht geduscht. Aber dennoch, Protest muss sein!‘ Der Protest der Schmetterlinge
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den gesprochenen Text abzuspielen. Maulaff, zur Erklärung, Maulaff wurde im Jahr 1778 erschaffen und lebt heute im Aschaffenburger Schlossmuseum. Also, dieser Maulaff stand, von Rückenschmerzen geplagt, unausgeschlafen in dem ihm zugewiesenen Zunftsaal. Die Wächter hatten die Fenster weit geöffnet. Eine frische, fröhlich duftende Morgenluft schwang sich in den von Tanzmusik erschöpften, jetzt verlassen todstillen Raum. Sichtlich gequält schaute Maulaff in den Schlosshof, in dem sich nichts, aber auch gar nichts regte. Kein Tourist, kein Polizist, kein Asylbewerber, kein Hund, keine Katze, keine Ameise, kein gar nichts. ‚Was waren das für schöne Zeiten, als ich noch im Park Schönbusch den Liebeleien der herrschaftlichen Besitzer zugaffen durfte, auch wenn sie mir mit ihren harten Billardkugeln das Maul stopften, mir weder Widerspruch noch Protest oder eine feierliche Demonstration erlaubten. Hätte ich damals einen Fotoapparat, ein Handy oder Tablet besessen, mit welch provozierend bedeutsamen Bildern könnte ich heute bei Protesten, Demos oder im Internet Maulfeil bieten! Hier im Schloss aber bleibe ich ein arbeitsloses, allenfalls von Erstklässlern begafftes Journalistenobjekt.‘ So bedachte er mit geschlossenen Augen die wiesengrünen Erkenntnisse aus einer längst vergangenen Zeit, als ihn eine piepsende Flatterstimme fragte: „Du da, in deinem grünen Rock! Schau nicht so traurig aus dem Fenster! Komm mit! Wir flattern zum Demo-Event!“ Erschrocken öffnete Maulaff Mund und Augen. Eine Wolke aus bunten Schmetterlingen flatterte aufgeregt vor seinem geöffneten Fenster. Ein frisch seinem Puppenkleid entsprungenes Zitronenfalterchen hatte sich dicht an das Fenster gewagt. Maulaff klagte: „Ich kann nicht fliegen und muss in Kürze eine Schulklasse mit Biologielehrer und Touristen angaffen.“ Dann, erregt von dem flatternden Leben: „Wo findet euer Event statt? Wogegen wollt ihr demonstrieren?“ Zitronenfalterchen piepste: „Ich weiß nicht. Mami, wo findet die Demo statt?“ Mutter Zitronenfalter sagte streng: „Kind, das musst du nicht wissen müssen.“ Zu Maulaff gewandt: „Lieber Herr, wir flattern zum NAFALP im Schloss Schönbusch Park. Wir demonstrieren gegen die Invasion der Blattläuse und gegen die Willkommenskultur der Ameisen. Sie vernichten Blätter und Blüten, sie rauben unser Brot.“ Maulaff fragte: „Was heißt NAFALP?“ „NAFALP bedeutet Nationaler Falter Protest. Das ist unsere, von höchst politischer Seite genehmigte Demonstration. Wir setzen ein Zeichen gegen Blattläuse und Ameisen. Hören Sie einmal.“ Ihr flatternder Nachbar, der Heuheuchel Bläuling, summte das Falter Demo Lied: „Auf Falter zum Schloss! Die Demo geht los! Kommt und seid dabei! Flattert euch frei!“ Maulaff staunte: „Schade, ich wäre gern gekommen.“ „Ja, schade. Journalisten wie dich aus Zeiten der Kurfürstlichen Hofgesellschaft können wir gut gebrauchen“, rief das Zitronenfalterchen und flatterte enttäuscht um seine Mutter herum. Mutter Zitronenfalter wandte sich an den Schmetterlingsanführer, den schwarz-roten Admiral: „Falter Admiral, Maulaff kann vielleicht über unsere Demo berichten, wenn wir ihm Bilder über Facebook, Smartphone, oder Youtube elektronisch übermitteln? Er ist neutral, spricht korrektes Deutsch ohne ausländischen Akzent, sehr selten bei den heutigen Journalisten.“ Falter Admiral rief seine Adjutanten, den hellbraunen, gepunkteten C-Falter und den Kaisermantel, die sich umeinander flatternd berieten. Falter Kaisermantel meinte: „In dem Teich vor Schloss Schönbusch spiegeln sich Himmel, Wolken, Bäume, auch unsere Demo. Wir bitten den Gärtner, die Teichspiegelbilder auf Maulaffs Smartphone...