E-Book, Deutsch, 146 Seiten
Reihe: Edition MundWerk
Karuso Der Weg zu meinem verfickten Seelenfrieden
1.Auflage, E-Book-Version: 1.5
ISBN: 978-3-95996-027-4
Verlag: Periplaneta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Aus dem Tagebuch eines passionierten Hobbyzynikers
E-Book, Deutsch, 146 Seiten
Reihe: Edition MundWerk
ISBN: 978-3-95996-027-4
Verlag: Periplaneta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Laander Karuso ist die perfekte Mischung aus Rebell und Kunstfigur. Sein 'Tagebuch' könnte keinen besseren Protagonisten haben, als ihn selbst, denn er ist zwar Zyniker aus Leidenschaft, aber er hat für die böse Welt da draußen ein viel zu großes Herz. Ja, eigentlich ist er nur ein hoffnungsloser Romantiker, den keiner versteht. Seine Kreativität entspringt einer wirklich ausgeprägten und gepflegten Hassliebe zur mitteldeutschen Provinz. Sie ist das Erdreich für seine Wurzeln und der Stoff, aus dem seine Lieder und Texte sind. 'Der Weg zu meinem vefickten Seelenfrieden' ist eine Bühnentextsammlung, in der jeder sein Fett wegbekommt: die Stadt Stendal, diverse andere Häuseransammlungen, die Katze seines Mitbewohners, die oberflächliche Mitmenschheit und vor allem Karuso selbst.
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Auf der Suche nach dem Verlieren
- 30. August - Ich sitze in meiner Wohnung und starre an die Decke. Neben mir schläft der Hund friedlich und schnarcht dabei. Plötzlich klingelt es. Vor der Tür steht eine Gestalt mit dunklem Umhang, dunkler Kapuze und einer rostigen Sense in der Hand. „Ach du Kacke!“, rutscht mir raus. „Ja ganz toll. Echt nett“, sagt er in eingeschnapptem Tonfall, „Gevatter Tod, wenn’s recht ist. Kann ich reinkommen?“ „Nein!“, antworte ich sofort. „Ich habe nur aus Anstand gefragt. Ich komm jetzt rein. Entweder machste mir Platz oder bleibst stehen. Aber wenne stehenbleibst, muss ich dich zur Seite schieben und wenn ich dich berühre, kippst du aus ’n Latschen und ich hab früher Feierabend.“ Ohne weiter zu zögern, setzt er sich in Bewegung und schreitet durch die Haustür. Blitzschnell hechte ich zur Seite und finde mich auf dem Schuhregal in der Ecke wieder. „Klappt immer“, murmelt er vor sich hin, als er den Flur betritt. Die Blume auf der Flurkommode verwelkt augenblicklich, als er diese passiert. Doch bevor ich dazu komme, sie zu bedauern, fällt mir plötzlich ein, dass sich Lotta noch im Zimmer befindet. Ein Schrecken fährt mir durch den Körper und ich spurte los. Als ich die Tür erreiche, steht der Sensenmann schon vor der Couch und blickt auf meinen Hund herab. Lotta hat es sich in meiner Abwesenheit gemütlich gemacht und liegt nun quer auf der Couch, so dass kaum mehr Platz zum Sitzen ist. „Mach mal Platz, Fiffi“, sagt Gevatter Tod, während er sich auf die Couch niederlässt und ansetzt, Lotta zur Seite zu schieben. „NEEEEIIIIN!“, schreie ich aus dem Affekt, „Finger weg von meinem Hund!“ Aber es ist zu spät. Er hat sie bereits berührt. Offenbar verwundert schaut er zu mir hoch und stutzt. „Junge, bleib’ mal geschmeidig“, sagt er gelassen und gestikuliert, als wollte er einen sich nähernden Zug aufhalten. „Wenn du immer gleich so an die Decke gehst, wirste aber nich alt“, sagt er beiläufig und fängt an, Lotta zu streicheln. Sie hebt den Kopf, schaut sich um und legt ihr Haupt nach kurzer Zeit wieder desinteressiert nieder. „Sie … lebt?“, frage ich etwas konfus. „Na klar. Was dachtest du denn? Ich kann doch keinen Hund umbringen!“ „Du meinst, es geht nicht? Deine Todeshände funktionieren nicht bei Tieren?“ „Hast du ’n Knall, Junge? Ich mein damit, ich bring’s nich übers Herz, du Depp! Also echt. Warum sollte ich ’n Hund umbringen, häh? Tiere sind besser als Menschen. Mal abgesehen von diesen scheiß Katzen. Mann, ich hasse Katzen.“ „Was willst du überhaupt hier?“ „Ich bin wegen dir hier!“ „Was? Nein! Wieso?“, sage ich entgeistert und verwehre ihm durch weitere Fragen das Wort. „Nu’ mach mal hier keine Szene. Ich tu’ hier nur meinen Job“, sagt er gelangweilt vor sich hin. „Aber, aber …“, stammele ich, „ich hatte doch noch so viel vor.“ Fassungslosigkeit macht sich in meinem Gesicht breit, ich bin den Tränen nahe. Gevatter Tod zeigt sich unbeeindruckt. „Ja, ja, ja. Können wir’s vielleicht einfach schnell hinter uns bringen? Ich hab’ nämlich auch noch so viel vor. Ich hab’ gleich Feierabend und der Charon wartet auch schon draußen. Wir woll’n noch in die Kneipe einen trinken gehen!“ „Was hast du denn mit dem Charon zu schaffen?“, frage ich. „Was ich mit dem Charon zu schaffen habe? Du hast vielleicht ’ne Chuzpe. Biste ’n kleines bisschen fremdenfeindlich oder wie? Darf ich nich mit dem Fährmann der griechischen Mythologie einen heben gehn? Oder haste einfach was gegen die Griechen? Biste etwa auch einer von denen, die behaupten, die Griechen sind faul? Von wegen faule Griechen. Der Typ hat in der Antike die Seelen der Toten zum Hades gebracht, verstehste? Hast du eigentlich ’ne Ahnung, was das für ’ne Drecksarbeit ist? Jeden Tag malochen, nix mit geregelten Arbeitszeiten, nix mit Urlaub. Leute, wie du gehen mir so auf’n Kneffer!“ „Nein! Ich habe nichts gegen die Griechen, ich bin auch keiner von denen. Ich will bitte nur nicht sterben.“ „Sterben will keiner. Es jammern zwar alle über das Leben, aber sterben woll’n se auch alle nich. Weißte, worüber ich jammern würde?“ „Wenn du nicht in die Kneipe könntest?“, frage ich zaghaft. „Hast es erfasst, du Genie. Und ich sag dir auch gerne warum. Die Banshees sind heut Abend auch da.“ „Wer oder was sind Banshees?“ „Die Banshees, man!“, sagt er fordernd und wie selbstverständlich, als müsse ich doch wissen, wovon er redet, „Die Todesfeen aus der irisch-keltischen Mythologie.“ Ich weiß trotz seiner Erklärung nicht, was er mir sagen will. „Verstehste nich, Junge? Irisch-keltische Weiber! Kannste dir vorstellen, was die wegsaufen und was die für Sauereien mit einem anstellen, wenn die erstmal hart sind? Pass’ mal auf, Karuso, du scheinst mir ein netter Junge zu sein. Wenn du mich jetzt einfach meine Arbeit machen lässt, dann verspreche ich dir, dass es ganz schnell vorbei ist und dass es auch überhaupt nich weh tun wird. Was sagste dazu?“ „Wenn du mich so nett findest, warum vergisst du nicht einfach, weswegen du hergekommen bist und gehst wieder? Ich werde es auch niemandem sagen.“ Stille. Auch wenn ich des Sensenmannes Gesicht nicht sehen kann, vermute ich, dass sich seine Miene soeben verfinstert hat. „Okay, ich habe gelogen. Du bist ’n Idiot und gehst mir langsam echt auf die Klötze.“ „Warum ich? Warum“, versuche ich zu fragen, er fällt mir ins Wort. „Ja klar. Is ja mal ’ne ganz neue Frage. Ehrlich. Hab ich so noch nich gehört: ‚Warum ich? Warum nich wer anders, jemand den ich nicht kenne?‘“ „Warum nicht einer von den schlechten Menschen?“, ergänze ich. „Also erstens Mal seid ihr Menschen ja alle nich so ganz lupenrein und ich schreib auch nich die Liste, verstehste? Zweitens glaubste doch nich ernsthaft, dass mich nich auch die Arschlöcher vollheulen und mir einreden wollen, was sie für ‚tolle‘ Menschen sind. Du weißt doch, was ich meine, oder? Nur weil mir einer vorbeten kann, wie ein guter Mensch auszusehen hätte, hat er das Leben nich gleich verdient und nur weil einer zu dumm is, um mich hinters Licht zu führen, da muss er ja nich gleich sterben. Wenn ich nur die am Leben lasse, die mich ordentlich belügen oder wirklich gute Menschen sind, gibt es bald nur noch Politiker, Anwälte, Topmanager und die paar guten Menschen auf der Welt. Und wer würde die Welt am Laufen halten, wenn die meisten über’n Jordan wären? Richtig, keiner! Die paar guten Menschen würden ruck, zuck kapieren, dass sowieso alles für’n Eimer is und freiwillig abtreten. Die Manager würden versuchen, Firmen zu managen, in denen schon längst keine Sau mehr arbeitet. Politiker und Anwälte würden aus Langeweile so lange miteinander um die Wette lügen, bis eine der beiden Gruppen schon fast wieder die Wahrheit sagt. Keiner würde arbeiten, keiner was anbauen oder ernten. Nix zu essen, nix zu trinken. Und nach spätestens zwei Wochen wär Feierabend mit der Menschheit. Is auch blöd, oder? Deswegen gibt’s keine Diskussion!“ Ich stelle mir vor, wie er ob seiner gelungenen Argumentation unter seiner Kapuze selbstzufrieden grinst. In der darauf folgenden Stille wird mir die Ausweglosigkeit der Situation bewusst und auch die Tatsache, dass er mich mitnehmen wird. Tränen schießen mir ganz plötzlich in die Augen. Ich drücke die ersten davon weg, aber es folgen weitere. „So einfach soll es mit meinem Leben vorbei sein?“, frage ich mit einem Beben, dass mich nahezu die Stimme verlieren lässt. „Die Plackerei, die ihr Menschen ‚Leben‘ nennt, ist nich so toll, wie du vielleicht glaubst. Was glaubste, was dir die Zukunft bringt? Glaubste, es wird besser? Du wirst einfach älter, gebrechlich und einsam und das Beste, was du dann noch hast, sind Erinnerungen. Ich hab so viele Menschen abtreten sehen, die besser früher den Löffel abgegeben hätten, als sie noch mehr schöne Erinnerungen hatten als schlechte. Als ihnen ihr Leben noch schön vorkam.“ „Aber ich habe keine Angst vor der Zukunft!“ „Ja, weil sie dir egal is. Du hast doch wieder mit Rauchen angefangen, oder etwa nich? Rauchen ist das deutlichste Anzeichen dafür, dass einem die Zukunft mal so richtig scheißegal ist. Und wenn du mal ehrlich bist, dann machste dir die Gegenwart genauso kaputt. Seit Jahren suchste nur nach dem Verlieren. Regelmäßig nimmste alles, was du tust und siehst auseinander und entscheidest, ob es gut oder böse is und entfernst alles, was du nich für gut hältst. Ständig biste nur dabei, über alle möglichen Sachen genau soviel herauszubekommen, wie du brauchst, um sie schlecht zu finden und den Glauben daran zu verlieren. Und immer wenne nix mehr hast, dann suchst du dir ’n neues Leben, dass du kaputtdenken kannst.“ „Aber ich will leben!“ „Was? Warum das denn?“, fragt er aufrichtig empört, „Wofür willste denn leben? Deine Alte hat dich doch verlassen, oder etwa nich? Die Perle, mit der du dein Leben und alles andere geteilt hast, ist jetzt weg. Der Mensch, der dich besser kennt als jeder andere und mit dir alt werden wollte, hat rausgefunden, dass er dich nicht mehr lieben kann. Was sagt das wohl über dich und dein ‚tolles‘ Leben aus? Also ehrlich, hör’ sich einer diesen Typen an. Erfährt am eigenen Leib, wie...