E-Book, Deutsch, 800 Seiten
Newton Forster: Im Dienst der Company (Abenteuerroman)
E-Book, Deutsch, 800 Seiten
ISBN: 978-80-272-0853-1
Verlag: Musaicum Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Weitere Infos & Material
Zweites Kapitel
Inhaltsverzeichnis
Kühn wag' ich mich hinaus auf hohe See'n
Scheu' Kritik nicht, noch des Pedanten Spleen;
Der Meeressohn darf Stubenwitz verschmäh'n.
Horch! – ein Stoß –
Der Kalkfels reißt des Kieles Planken los.
Verzweiflung schauert durch der Opfer Glieder,
Die – starren Blicks, voll Wehgezeter –
In's Thal des Todes schau'n. – Dem neuen Streiche
Weicht krampfhaft knarrend die solide Eiche.
Bis – gleich der Mine, wo im Zauberschacht
Der grimme Dämon der Zerstörung wacht –
Zuletzt der starke Rumpf in Stücke reißt
Und seine Trümmer durch die Wogen schmeißt, Falconer. Es war in dem traurigen Monate des Nebels der Misanthropie und des Selbstmords – in dem Monate, in welchem der Himmel von den unzufriedenen Menschen einen spärlicheren Zoll des Dankes erhält, – in dem die Sonne aufgeht, aber nicht scheint – zwar ein unfreiwilliges Licht verbreitet, aber uns nicht mit ihren gemüthlichen Strahlen erfreut – in welchem große Talglichter dem Kaufmann beistehen, seinen Gewinn zu berechnen oder über seinen Vertust zu philosophiren – kurz es war an einem Abende des Monats November im Jahre 17–, als Edward Forster, der lange Zeit in Seiner Majestät Flotte gedient hatte, in dem bequemen Armstuhle eines gemächlichen Stübchens saß, in welches er sich in Folge einer schweren Wunde, die seit vielen Jahren stets im Frühling wieder aufzubrechen pflegte, mit seinem Halbsold zurückgezogen hatte. Die Oertlichkeit des Häuschens, welches er bewohnte, war nicht gerade so behaglich, wie es selbst oder sein Inneres, denn es lag auf einem Berge, der ganz in der Nähe als schroffer Absturz nach jenem Theile des atlantischen Meeres führte, welcher die Küste von Cumberland unter dem Namen der irischen See peitscht. Forster war jedoch von früher Jugend auf Seemann gewesen und fühlte daher eine gewisse Wonne, wenn er das Stöhnen und Pfeifen des Windes hörte, der – wie ein zudringlicher Gast, der gerne Eingang haben möchte – an den Läden seiner Hütte klapperte, während er in seiner Hängematte lag. Hin und wieder wurde er auch durch das Heulen des Sturmes geweckt, und er hüllte sich dann in seine Decken, um auf's Neue zu schlafen – froh, daß er der Wuth des wilden Elements nicht ausgesetzt war. Seine Finanzen gestatteten ihm keine üppigen Genüsse, und das Destillat des Landes mußte die Stelle des Weines vertreten; die Füße auf der Kaminstange und sein Glas Whiskey-Toddy an der Seite, hatte er sich über dem Buche, das er gelesen, in eine Kette von Gedanken vertieft. Eine Stelle rief ihm Scenen in's Gedächtniß, die lange entschwunden waren, die Scenen seiner Jugend und Hoffnung – die glücklichen Luftschlösser eines frischen Herzens, welche die Zeit stets mit ihren Täuschungen über den Haufen wirft. Der Abend war stürmisch. Laut plätscherte der Regen nieder und hörte dann auf, als hätte er dem Winde Nahrung gegeben, der jetzt mit neuem Ungestüm herantobte und sich durch jede Ritze zwängte. Der Teppich des kleinen Gemachs wurde hin und wieder vom Boden erhoben, angeschwellt durch das ärgerliche Eindringen des suchenden Sturmes, und die einsame Kerze, deren ungeputzter Docht nicht nur eine ungewöhnliche Länge gewonnen, sondern auch eine Art Pilzhut gebildet hatte, war jeden Augenblick in Gefahr zu erlöschen, während die Kattunvorhänge der Fenster feierlich hin- und herwehten. Aber das tiefe Träumen Edward Forsters wurde plötzlich durch den Knall einer Kanone gestört, welchen das Ungestüm des Windes leewärts hertrug und mit großer Heftigkeit gegen die Thüre und die Vorderfenster der Hütte schleuderte, denn letztere zitterten einige Augenblicke von der Erschütterung. Forster fuhr auf, legte sein Buch auf den Herd und stieß den Tisch mit seinem Ellenbogen zurück, so daß der größere Theil von dem Inhalte seines Glases verspritzt wurde. Auch die rußige Dochtkrone fiel herunter, und die Kerze ihrer Last enthoben, verbreitete wieder ein strahlenderes Licht. »Gott sei uns gnädig, Mr. Forster; habt Ihr nicht diesen Schuß gehört?« rief die alte Haushälterin, außer Forster die einzige Bewohnerin der Hütte, indem sie, ihre Schürze in beiden Händen haltend, zur Thüre hereinstürzte. »Freilich, Mrs. Beasely,« versetzte Forster; »es war ein Nothschuß und das Schiff muß sich an einer todten Leeküste befinden. Gebt mir meinen Hut!« Damit stürzte er den Rest seines Glases hinunter, und sobald die alte Haushälterin den Hut von dem Nagel in der Flur heruntergelangt hatte, stürzte er zur Hausthüre hinaus. Die Thüre, welche nach dem Seeufer hinausging, blieb unter dem Ungestüm des Windes weit offen stehen, während Forster in der Dunkelheit der Nacht verschwand. Die alte Haushälterin, welcher er das Geschäft überlassen hatte, wieder zu schließen, fand die Ausgabe nicht sehr leicht, und der Regen, der durch die fegende Bö hereingeblasen wurde, erwies sich an der gichtkranken Person als ein sehr wirksames, obschon unwillkommenes Schauerbad. Als sie endlich ihren Zweck erreicht hatte, begab sie sich nach der Wohnstube zurück, um die erloschene Kerze wieder anzuzünden und die Rückkehr ihres Gebieters abzuwarten. Nach etlichen Ausrufen der Verwunderung nahm sie von dem Lehnstuhle Besitz, schürte im Feuer, und half sich selbst auch zu einem Glase Whiskey-Toddy. Sobald aber ihre Kleider und das Trinkgefäß wieder trocken waren, kündigte sie durch ein lautes Schnarchen an, daß sie sich in einem glücklichen Zustand von Selbstvergessenheit befand, in welchen wir sie belassen wollen, um Edward Forsters Bewegungen zu folgen. Es war ungefähr sieben Uhr, als sich dieser in der erwähnten Weise der Unfreundlichkeit des Wetters preisgab. Wie schön waren kaum vor einigen Wochen noch die Abende zu dieser Stunde gewesen! Die Sonne verschwand hinter den fernen Wellen und ließ einen Theil ihres Glanzes zurück, bis die Sterne, dem glücklichen Winke gehorsam, zu flimmern begannen, um die Nacht zu erhellen. Die See spülte auf dem Sande und bohrte sich in die Ritzen des Felsgesteins, mit dem langsam entschwindenden Tageslichte ihre Farbe von dem schönsten Azur bis zu jeder tieferen Tinte von Grau wechselnd, während die Nacht mehr und mehr ihr Dunkel ausgoß und den Horizont des Meeres zuletzt kaum noch in einer unbestimmten Linie erkennen ließ. Jetzt war Alles anders. Das Heulen des Windes und das wilde Anschlagen der Wellen an die Felsen, betäubte Edward Forsters Ohren. Der Regen und die Sprühe wurden ihm in's Gesicht geschleudert, während er mit beiden Händen den Hut aus seinem Kopfe festhielt. Auch war die Nacht so pechfinster, daß er nur hin und wieder den breiten Schaumgürtel zu unterscheiden vermochte, welcher die Küste begränzte. Dennoch setzte er seinen Weg nach dem Gestade fort, das wir jetzt etwas ausführlicher, beschreiben müssen. Wie bereits bemerkt, war die Hütte aus Hochland gebaut, das in einer Entfernung von etwa zweihundert Schritten schroff abfiel und in einer geraden Linie nach Westen lief. Gegen Norden war die Küste meilenweit eine fortgesetzte Reihe von Klippen, welche denjenigen, die daran zerschellt wurden, keine Aussicht auf Rettung ihres Lebens bot; aber südlich von dem Felsen, welcher das Forsters Hütte gegenüberliegende Vorgebirge bildete, und die Reihe schloß, befand sich ein tiefer Einschnitt in die Küste, eine sandige und fast ganz landumschlossene Bucht darbietend, zwar klein aber doch so geschützt, daß jedes Schiff, welches einzulaufen vermochte, sicher vor dem Sturme liegen bleiben konnte. Dort wohnte in einem kleinen Häuschen ein Fischer mit seiner Familie. Forster war sein guter Freund und hatte ihm die Obhut eines Nachens anvertraut, in welchem er während der Sommermonate oft seine Zeit verbrachte. Zu dem Häuschen dieses Mannes lenkte nun Forster seine Schritte und klopfte laut an. »Robertson – he, Robertson!« rief Forster mit der vollen Kraft seiner Stimme. »Er ist nicht hier, Mr. Forster,« antwortete Jane, das Weib des Fischers. »Er ist ausgegangen, um nach dem Schiffe zu sehen.« »Welchen Weg hat er eingeschlagen?« Aber ehe noch eine Antwort gegeben werden konnte, traf Robertson selbst vor der Hütte ein. »Ich bin hier, Mr. Forster,« sagte er, seine Pelzmütze abnehmend und mit beiden Händen das Wasser aus derselben ringend; »aber ich habe kein Schiff zu Gesicht bekommen können.« »Und doch muß es, dem Knall der Kanone nach, dicht an der Küste sein. Holt einige Reißbündel aus Eurem Schuppen und zündet ein Feuer an, so groß als Ihr nur könnt. Ihr braucht kein Holz zu sparen, mein guter Freund; ich will es Euch bezahlen.« »Soll geschehen, Sir, und zwar ohne Bezahlung. Ich hoffe nur, daß sie das Signal verstehen und auf die Bucht anlegen. Da ist wieder ein Schuß!« Dieser zweite Knall, der viel lauter tönte, als der erste, kündete an, daß sich das Schiff rasch dem Lande näherte. Aus der Schallrichtung ging hervor, daß es dicht an dem Vorsprunge des Felsens sein mußte. »Tummelt Euch, mein guter Freund; tummelt Euch,« rief Forster – »ich will die Klippe hinansteigen und versuchen, ob ich's nicht zu Gesichte kriegen kann.« Und die beiden Männer trennten sich, um ihr mitleidiges Werk in Vollzug zu setzen. Forsters Versuch war mit nicht geringer Gefahr und Schwierigkeit verbunden, denn als er auf der Spitze anlangte, hätte ihn fast ein Windstoß hinuntergeblasen, wenn er nicht auf die Kniee gesunken wäre, um sich an dem Grase zu halten; dennoch verlor er seinen Hut, der weit weg leewärts getragen wurde. In...