Kaiser | Die Risikomanager | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 628 Seiten

Kaiser Die Risikomanager

Ein philosophischer Krimi
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7460-4250-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ein philosophischer Krimi

E-Book, Deutsch, 628 Seiten

ISBN: 978-3-7460-4250-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eine Leiche in einem Utrechter Kanal, erschossen inmitten einer Menschenmenge. Der Zufall führt Marianne, niederländische Journalistin und Erik, norwegischer Philosoph, zusammen: ein Mord, den sie beide um Haaresbreite verpasst haben. Aber immerhin haben sie ja eine CD, auf der viele wissenschaftliche Dateien abgelagert waren. Die Lösung des Rätsels? Ein Wissenschaftsbetrug? Oder etwas viel Größeres? Sie haben keine Zeit, darüber nachzudenken, die Mörder folgen ihnen durch halb Europa: Amsterdam, Oslo, Cambridge, Rügen, Leipzig, Prag, Düsseldorf, Brüssel, Bern, München, Sevilla und Las Palmas. Immerhin ist da noch die Fußballweltmeisterschaft im Hintergrund? Aber wann wird der Hintergrund zum Vordergrund? Und wann beginnt eine Geschichte und wann endet sie? Wie viele Lesarten kann eine Geschichte haben? Und wie sollen wir unser eigenes Leben verstehen? Welche Rolle spielen Leitbilder für uns? Können wir mit großen Geheimnissen leben? Fragen über Fragen!

Matthias Kaiser ist ein in Norwegen (Bergen) lebender und in Deutschland (Leipzig) 1951 geborener Philosoph. Er ist Professor an der Universität Bergen und ist in vielen internationalen Forschungsprojekten aktiv. Eines seiner Forschungsthemen ist Risiko; ein anders ist die Ethik der Wissenschaft. Weil er als Vielflieger im Kopenhagener Airport-Shop auf dem Weg nach Singapur keinen geeigneten Pageturner fand, begann er noch im Flugzeug mit der Niederschrift seines ersten Romans "Die Risikomanager".

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1. Kapitel
Dienstag, 8. Juni 2010
Es war heiß und voller Menschen in den Straßen und Gassen der Innenstadt von Utrecht. Fahrräder, Unmengen Fahrräder genauer gesagt, Kinderwagen, Skateboards, Mopeds und dazwischen ab und zu ein Auto, das sich vorsichtig über die engen Brücken und an den Kanälen entlang schob. Das Gedränge machte es dem jungen Mann mit dem kahl geschorenen Kopf schwer, seine Zielperson im Auge zu behalten. Es waren einfach zu viele Leute unterwegs, und sie rannten ihm immer wieder dazwischen, sie versperrten ihm den Blick. Ständig kam er seinem Objekt entweder zu nah und riskierte, entdeckt zu werden, oder, wenn er zu sehr zurückblieb, der vielen Menschen wegen es aus dem Auge zu verlieren. Und überhaupt: Er war schließlich kein Geheimagent, er war ja nur einer im Team, hatte so etwas noch nie gemacht und war eigentlich für ganz andere Dinge zuständig, Brüche und so. „Ja, ich habe ihn noch im Visier. Nein, bisher keine Schwierigkeiten. Glaube nicht, daß er was gemerkt hat. Er geht schon einige Zeit immer hin und her und guckt sich die Schaufenster an. Ich nehme mal an, er wartet hier auf jemanden.“ Aus dem Mobiltelefon kam ein klarer Befehl: „Sobald sein Kontakt da ist, musst du dich melden. Dann übernehmen wir. Am besten aber, du gibst Bescheid, sobald er sich irgendwo niederlässt, sich hinsetzt oder so, noch bevor seine Verabredung kommt.“ Klar doch, schon verstanden. Aber für einen Engländer war es gar nicht so leicht, die Logik des holländischen Stadtlebens zu durchschauen. Zuhause in England geht man zu dieser späten Tageszeit irgendwo gezielt hin, entweder nach Hause, oder in den Pub. Aber hier sind einfach alle auf den Beinen, alles scheint sich im Freien abzuspielen. Bei der Sommerhitze auch kein Problem, aber er fragte sich, was im Winter wohl so läuft. Vielleicht sind die Holländer deswegen so verrückt, weil sie alle erst einmal in so einen Coffeeshop gehen und sich dort ein paar Joints reinziehen, bevor sie den Abend anfangen. Vielleicht sind hier alle total bekifft, und deswegen ist soviel los auf den Strassen, und vielleicht … Verdammt, er ist weg! Mist, nur einen Augenblick in Gedanken und schon hat er sich in Luft aufgelöst. Er hätte den Job nicht zusagen dürfen. Für den Rest bräuchten sie eben ein paar „alte Hasen“, haben sie gesagt, das müsse er verstehen; nicht, daß sie ihm nichts zutrauten, etwa glaubten, er könnte nicht im richtigen Moment abdrücken, das nicht, er müsste nur eben erst mal wie die Kollegen seinerzeit auch die Drecksarbeit machen, und die bestehe in diesem Fall nun mal in der Beschattung, obwohl die natürlich außerordentlich wichtig sei, weil der Schatten unter Umständen entdeckt und identifiziert würde, man ihm dafür aber nichts anhängen könnte, während das Einsatzteam, die zwei Mann im Hintergrund, die sollte man möglichst nicht sehen, die sollten aus dem Nichts auftauchen, peng!, und wieder verschwinden, ehe Unbeteiligte überhaupt mitkriegten, was da vor sich gehe und daß da einer tot liege. Mensch, wo kann er nur geblieben sein? Wenn er ihn jetzt wirklich aus den Augen verloren hat, dann machen die Jungs ihm die Hölle heiß. Steht er nur vor einem anderem Schaufenster, ist er gegangen, hat er seinen Kontakt getroffen, oder was? Überall diese jungen Pärchen und die Mädchen mit den superkurzen Röcken. Kein Wunder, daß man abgelenkt wird. Wer kann da schon ein Objekt ununterbrochen im Auge behalten? Wo ist er hin? Zurück Richtung Dom, an der Gracht entlang, oder mehr Richtung Bahnhof, die Straße mit den großen Schaufenstern runter, oder gar in die andere Richtung, dorthin, wo man über kurz oder lang in der Straße anlangt, wo die Huren in den Fenstern stehen? Da ist er gestern selbst gewesen, aber irgendwie glaubt er nicht so recht, daß seinem Objekt nach Sex ist. Er scheint ja eine andere Verabredung zu haben, aber mit wem und warum, weiß er nicht und will es auch gar nicht wissen, obwohl es natürlich wichtig sein muss, denn sonst hätten sie ja nicht diesen Auftrag, nämlich zu verhindern, daß da was läuft, und er soll ihn einfach im Auge behalten und zum optimalen Zeitpunkt per Handy einfach grünes Licht geben und ihnen sagen, wo sie das Objekt ausschalten können. Jetzt hat er ihn schon mehrere Minuten nicht gesehen, er kann sonstwo sein, bei den vielen kleinen Gassen und den Kanälen überall, aber an die Hurenstraße glaubt er nicht recht. Der ist bestimmt noch irgendwo ganz in der Nähe, er hat schließlich auf seinen Kontakt gewartet, und das Treffen hätte er doch sicher mitbekommen, oder? Trotz der vielen Leute, denn stehenbleiben und grüßen tun ja die wenigsten, das hätte er bei allem Gedränge mitgekriegt. Mist, er hätte diesen Laufjob nicht übernehmen dürfen, lieber selber den Finger am Abzug haben. In Filmen beschatten sie immer zu mehreren, ein paar zu Fuß, ein paar im Auto, aber ihm hat man das allein aufgedrückt, keine Chance, gar keine, und dann auch noch im fremden Holland - muss er jetzt Bescheid geben, daß er ihn aus den Augen verloren hat, oder soll er noch was warten und herumsuchen hier oben? Da ist er! Na klar, er ist bloß die Treppe zur Gracht runter und hat sich da eines der vielen Uferrestaurants mit ein paar Tischen direkt am Wasser und anderen drinnen ausgesucht. Da hat er einen Platz am Wasser ergattert. Jetzt könnte man eigentlich zuschlagen, warum auf den Kontakt warten? Halt, er steht noch mal auf, geht zu einem Tisch des Nachbarlokals, da sitzt ja nur ein einsamer Mann und liest. Sie reden kurz, wirklich nur kurz, und dann geht das Objekt wieder zu seinem Platz zurück. Er setzt sich und holt einen Laptop hervor. Das ist es! Jetzt! „Ihr könnt kommen. Das Objekt sitzt in einem Restaurant, draußen, direkt am Kanal. Besser geht´s nicht!“ * * * Er hätte es sich denken können. Er wird beschattet. Wahrscheinlich haben sie bei ihm zuhause Mikrofone eingebaut oder Kameras, oder sie lesen seine E-Mails mit oder hören seine Handygespräche ab. Nicht gerade überraschend, es sind eben Profis, und daß es gefährlich werden kann, damit hat er eigentlich gerechnet, als er diese Journalistin kontaktiert hat. Aber der Countdown läuft, sie sind ihm auf den Fersen, die Journalistin ist hoffentlich auf dem Weg, die Dateien sind kopiert und klar zur Übergabe, die einzige Unbekannte ist, was sein Beschatter tun wird, wie rigide sein Auftrag ist. Er ist jung, Mitte Zwanzig etwa, Glatzkopf wie so viele Punker, und – auffallend bei diesem heißem Wetter – schwarze Lederjacke und -hose, Schnürstiefel, nicht gerade billig, allerdings, was wird er als Beschatter schon verdienen. Aber wie ein Killer sieht er nun doch nicht aus. Er muss ihn im Auge behalten, aber nicht zu auffällig, sondern so, daß er es nicht merkt. Paradox eigentlich, logisches Paradox geradezu: Der Beschatter beobachtet das Objekt so, daß das Objekt nicht merken soll, daß es beschattet wird, wobei aber das Beschattungsobjekt, also er, eben deswegen auf die Beschattung aufmerksam wird, weil der Beschatter so „unauffällig“ beobachtet, was wiederum dem Objekt, also ihm selbst, deutlich macht, daß tatsächlich eine Beschattung vorliegt, und deshalb bei dem Objekt den Reflex auslöst, seinerseits den Beschatter zu beobachten, wobei er aber darauf achten muss, daß der Beschatter auf keinen Fall merkt, daß das Objekt, er also, seinerseits den Beschatter beobachtet, und er also so tun muss, als beobachte er alles andere, nur eben nicht den Beschatter, denn sonst ist ja der Beschatter wieder im Vorteil - also irgendwie hat das alles mit Reflexivität zu tun, nicht wahr, mit logischer Negation als Bedingung für die logische Position, ein Paradox eben. Der Lügner oder eine der anderen Paradoxien der alten Griechen. Irgendwie erinnert es ihn an diesen Song von John Mayall: „I was looking back to see if you were looking back to see if I was looking back at you…!” Er hat die Tische unten am Kanal schon lange im Auge gehabt. Kein Wunder, daß fast alle Tische besetzt sind, bei dem Wetter wollen alle draußen sitzen, und hier gehen die Leute eben auch an einem Dienstagabend aus, und wahrscheinlich sind auch eine ganze Reihe Touristen darunter, Leute, die in Utrecht nur zu Besuch sind, und dann natürlich die vielen Studenten, schließlich eine der besten Universitäten des Landes, auch wenn die in Leiden laufend mit dem Alter und der Geschichte ihrer Uni prahlen. Utrecht aber zieht Studenten und Forscher überhaupt an, weil alles so modern ist. Leute, die was verstehen von Versuchsreihen, Laborjournalen, Messreihen und anderen Daten, Statistik und all das Zeug, das sein täglich Brot ausmacht, seine Arbeit. Oder vielmehr vielleicht: ausgemacht hat, denn was er jetzt vorhat, wird ihn sicher seinen Job kosten. Vielleicht wird man ihm woanders wieder einen ähnlichen Job geben, später, in der Forschung, mit dem Professorentitel wird’s nichts mehr werden, aber das wird dauern, denn es wird Gras über den Skandal wachsen müssen, den er gerade heraufbeschwört, so geht es allen Whistleblowern, aber es gibt kein...



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