Jutzi | Der Gorilla | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

Jutzi Der Gorilla

Die letzten schwarzen Riesen im Kongo - ein dokumentarischer Thriller

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

ISBN: 978-3-641-08315-1
Verlag: Ludwig bei Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dramatischer Kampf um die Letzten ihrer ArtDer Silberrücken Kabirizi ist einer der noch etwa 480 Berggorillas des Virunga-Nationalparks. Um sie vor dem Aussterben zu bewahren, kommt der junge Ökologe Robert Muir 2004 in den Kongo. Doch was als Tierschutz beginnt, entwickelt sich zum mörderischen Kampf gegen Wilderer, Bürgerkriegsmilizen, korrupte Beamte und die Holzmafia. Eine Dokumentation, spannend wie ein Krimi.Im Virunga-Nationalpark im Kongo lebt die Hälfte des weltweiten Bestands von Berggorillas. Ihre Heimat ist Brennpunkt tödlicher Gefahren: Illegale Holzfällerbanden verwüsten für ein paar Säcke Holzkohle den Regenwald. Bei Vulkanausbrüchen verglüht die Vegetation zu Asche. Und immer wieder fallen Milizen in den Nationalpark ein – denn die Tiere stehen dem Raubbau im Weg, mit dem die Bürgerkriegsparteien ihren blutigen Krieg finanzieren.Fesselnd schildert der Wissenschaftsjournalist und Afrika-Kenner Sebastian Jutzi das Leben und Verhalten der Berggorillas. Im Zentrum steht dabei das Schicksal von Kabirizi und seiner Sippe. Zugleich lässt Jutzi die Leser teilhaben am lebensgefährlichen Engagement des Naturschützers Robert Muir und der Ranger des Parks. Bei ihren Ermittlungen gegen ein weitverzweigtes Netz der Holzmafia werden Hinterhalte und Morddrohungen für sie zum Alltag. – Ein beklemmender Öko-Thriller.
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I Kongo. Kein Wort hätte Robert Muir besser davon überzeugen können, dass er die richtige Wahl getroffen hatte. In einem Landrover rumpelt er über die Pisten Afrikas. Zahlreiche Bodenwellen schütteln den Wagen und seine Ladung durch. Die Vibrationen des Gefährts und das Röhren des Motors breiten sich im Körper aus, durchdringen jede Faser, bis er das Gefühl hat, selbst nur noch aus Vibration und Dröhnen zu bestehen. Die Reifen des Fahrzeugs wirbeln Staub auf, der sich durch die kleinste Ritze zwängt und alles, inklusive der dichten Haare des 27-Jährigen, mehlig bedeckt. Was hatte der Offizier an dem Militärposten noch gesagt? Der Soldat hatte ihm eine Eskorte mitgeben wollen. Das vor ihm liegende, von Banditen gebeutelte Land sei viel zu unsicher, um ihn alleine fahren zu lassen. Er wäre ein zu leichtes Opfer. Robert hatte davon gehört. Auch hatten ihm alle empfohlen, von der Serengeti aus nördlich um den Viktoriasee herumzufahren, um in die Demokratische Republik Kongo zu gelangen. Aber die ihm eigene Zuversicht und ein Blick auf die Landkarte hatten ihn die wesentlich kürzere Route wählen lassen, direkt aus dem Herzen der Serengeti durch den Westen Tansanias und Ruanda bis zu seinem Einsatzgebiet, den Virunga-Vulkanen im Osten des Kongos. Robert hatte sich nichts dabei gedacht, als er den Offizier, der ihm die Eskorte anbot, fragte, ob sie ihn nur bis zur ruandischen Grenze oder bis zur Grenze des Kongos begleiten würde. Das schlug wie ein Blitz ein. Noch nie hatte er erlebt, dass ein Wort einen Menschen so überraschen, ja entsetzen konnte. Spöttisch hatte ihn der Posten durchgewunken. Die Gedanken des Soldaten waren deutlich von seinem Gesicht abzulesen: »Du armer Irrer, du brauchst keine Eskorte.« Immer weiter westwärts fahrend grübelt Robert, was er von dieser Reaktion halten soll. Doch ehe sich Zweifel oder Ängstlichkeit breitmachen, hebt ihn ein gewaltiger Schlag aus dem Sitz. Gedankenverloren hat er eine tückische Bodenwelle übersehen. Der Landrover fliegt mehrere Meter weit, und Robert hat Mühe, das Lenkrad im Griff zu behalten. Geschickt fängt er den Wagen ab, der hart auf der Piste landet. Der Aufprall ist so heftig, dass er seine Wirbelsäule staucht. Dem wagemutigen Briten wird klar, dass er sich besser konzentrieren muss. Einen Überfall von Kriminellen könnte er quasi als höhere Gewalt noch akzeptieren. Aber aus eigener Unachtsamkeit auf der Strecke zu bleiben, wäre eine unverzeihliche Dummheit. Die Landschaft verändert sich. Aus der Ebene der Savanne erheben sich immer mehr Hügel, das Terrain steigt an und formt sich zu Bergen. Das Braun der Erde und die Beige- und Gelbtöne des vertrockneten Grases werden von immer satter werdendem Grün abgelöst. Als er auf die tansanisch-ruandische Grenze zufährt, atmet Robert auf. Er hat es geschafft und noch nicht einmal einen Banditen von ferne gesehen. Glück gehabt. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, das Land zu betreten, in dem zehn Jahre zuvor ein Völkermord stattgefunden hat. Wenn man weiß, dass man durch Dörfer fährt, in denen Menschen ihre Nachbarn mit Macheten abschlachteten, ganze Familien in einem Blutrausch ausgelöscht wurden, dann raubt einem das die Sicherheit und das Vertrauen in die eigene Unverletzlichkeit. Die Normalität des Alltagslebens verkommt zur Kulisse, hinter allem wähnt man Gefahr. Ruanda ist ein fruchtbares Land, an dessen Berghängen Felder mit Bohnen, Mais, Kohl oder Bananen wie große Grassoden kleben. Passanten säumen die Straßen und zeugen von der hohen Bevölkerungsdichte von mehr als 300 Einwohnern pro Quadratkilometer. Sobald man sich einer Ortschaft nähert, werden die Menschentrauben dichter und dichter. Kinder und Jugendliche winken den Vorbeifahrenden zu, Alte jedoch sieht man kaum. Ihre hohlwangigen Gesichter starren hinter den Karossen her, die über die asphaltierte Straße brausen. Am Wegrand tummeln sich wenige Tiere, meist Ziegen oder Hühner, einige magere Hunde – und vielleicht eine Kuh. Das Hotel in Kigali wirkt wie vieles in Afrika so, als sei es nie neu gewesen. Reist man in Länder mit begrenztem Wohlstand, sind verfallene Gebäude oder heruntergekommene Städte ein normaler Anblick. Aber man ahnt noch ihren ehemaligen Glanz, erkennt den Stolz ihrer Erbauer. In Afrika wirkt vieles hingegen, als ob es irgendwo auf der Erde eine Fabrik gäbe, die abgewetzte Möbel, lädierte Waschbecken und Badewannen, durchgelegene Matratzen, verklebte Klimaanlagen, ausgeblichene Landschaftsgemälde und eingerissene Tapeten produzieren und den Kontinent damit überschwemmen würde. Nach einer Dusche liegt Robert auf dem Bett und denkt nach. Morgen wird er in den Kongo fahren. Wow! Er hat einen Auftrag, den er gewählt hat, obwohl er eine Alternative gehabt hätte. Im Osten des Kongos, aus dem man nur schlechte Nachrichten hört, soll er sich für die Zoologische Gesellschaft Frankfurt um den Schutz des Virunga-Nationalparks kümmern. Das Weltnaturerbe ist ein Juwel des Artenschutzes und beherbergt unter anderem die berühmten Berggorillas. Ein Bekannter hatte ihm erzählt, dass die ZGF diesen Job zu vergeben hätte. Weshalb sie sich für ihn entschieden hat, weiß er nicht genau, aber er geht die Argumente, die aus seiner Sicht für ihn sprechen, noch einmal durch. Sein Vater war Soldat gewesen. Also waren sie spätestens alle zwei Jahre an einen neuen Einsatzort versetzt worden. Robert kam in Münster zur Welt, wuchs in Hongkong auf und lernte als erste Sprache Kantonesisch von einem alten chinesischen Kindermädchen. Daher musste die liebe Frau die Fragen seiner Eltern, wie es ihm gehe, vom Englischen ins Chinesische übersetzen und Robs Antworten dann ebenso dolmetschen. Später zog die Familie, jetzt um eine Schwester reicher, nach Zypern. Dort trieb sich der Sechsjährige jede freie Minute in der Natur herum und sammelte alle Tiere ein, die er fangen konnte. Das nomadenhafte Leben einer Soldatenfamilie schulte ihn darin, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. In einem sich ständig wandelnden Umfeld war die Familie die Konstante, auf die es ankam. Sie trotzte allen Widrigkeiten und verlieh Sicherheit. Die Fähigkeit, gestützt auf eine kleine Gruppe in vielleicht unfreundlicher Umwelt agieren zu können, ist, so dämmert ihm gerade, sicher eine gute Voraussetzung für das, was ihn erwartet. Sein Studium in Naturschutz ist als fachliche Qualifikation eine Selbstverständlichkeit. Außerdem beherrscht er Französisch, eine der Verkehrssprachen im Kongo. Manche sagen, er höre sich wie ein alter Freibeuter aus der Karibik an, der sich die Fremdsprache mühsam abringt. Aber das stört ihn nicht. Wahrscheinlich hatte die spezielle Kombination seiner Fähigkeiten und seines Charakters den Ausschlag dafür gegeben, dass er den Job bekam, den er unbedingt haben wollte. Ein reicher Scheich aus Dubai hatte ihn auch anwerben wollen. Er sollte helfen, die Arabische Oryxantilope vor dem Aussterben zu bewahren. Mit diesem Engagement wären großartige Vergünstigungen verbunden gewesen. Ein fürstliches Gehalt, Ausrüstung vom Feinsten und Freiflüge in die ganze Welt. Doch all diese Verlockungen verblassten vor dem einen, entscheidenden Wort: Kongo. Nüchtern betrachtet benennt dieses Wort nur einen Fluss und gibt zwei Staaten ihren Namen. Doch zwischen seinen fünf Buchstaben öffnet sich der Raum für Sehnsüchte und Emotionen, die mit Abenteuer, Exotik, Herausforderung, Heldenmut, Gier, Hoffnung und Verzweiflung nur unzureichend beschrieben sind. Am nächsten Morgen nimmt der Diesel des Landrovers seinen Dienst nur widerwillig auf und spuckt eine Rußwolke in die Luft von Kigali. Robert dagegen fühlt sich ausgeruht und freut sich auf den neuen Tag. Schnell ein- und gut durchzuschlafen, fällt ihm selten schwer. Die Fahrt in Richtung Grenze der Demokratischen Republik Kongo birgt keine Überraschungen. Sattes, grünes Land und Menschenmengen entlang der Straße. Einer Autofahrt durch Ruanda haftet etwas Surreales an. Man erwartet das Schreckliche, sucht nach dem Grauenhaften, aber es stellt sich nicht ein. Die Geschichte von 800 000 Toten haftet zwar im Kopf des kundigen Besuchers, aber nicht an irgendeiner Plakatwand. Kein Hinweisschild klagt an: Hier starben zehn Kinder, hier ein alter Mann, hier zwei Frauen, deren einzige Schuld es war, zur falschen Zeit als Angehörige einer falschen Gruppe am falschen Ort gewesen zu sein. Keine Leuchtreklame blinkt und verkündet, dass die Vereinten Nationen (UN) und damit die viel beschworene Weltgemeinschaft sich nicht darum scherten, dass und wie viele Menschen Opfer eines Massakers wurden. Von all dem sieht man nichts, während man unter Palmen dahinfährt und zur Grenze des Kongos vorrückt. Robert stoppt in Gisenyi. Dieser Grenzort am Kivusee hat einen schönen Strand. Gepflegte Straßen führen zu Häusern und Hotels mit europäischem Standard, und man sieht Autos in tadellosem Zustand und viele geschäftige Männer in Anzügen. Ließe man sich davon blenden, verströmte das Städtchen die Atmosphäre einer Feriensiedlung am Gardasee. Robert parkt seinen Wagen in der Nähe des Ufers und nimmt ein kühlendes Bad. Das Klima in der Region ist gemäßigt, neigt nicht zu Extremen, weder der Hitze noch der Kälte. Aber die stundenlange Fahrt hat seinen Körper ermüdet. Mittlerweile hat sich ein milchiger Schleier über den Himmel gelegt. Robert faltet seine khakifarbene Tropenbekleidung sorgfältig zusammen und spürt trotz der Bewölkung die Kraft der Äquatorsonne auf...


Jutzi, Sebastian
Sebastian Jutzi, 1967 in Bad Kreuznach geboren, studierte nach Abitur sowie Grundwehr- und Zivildienst Biologie an der Universität des Saarlands und Journalistik an der Universität Hohenheim. Als Redakteur arbeitete er unter anderem für die Zeitschrift bild der wissenschaft und für das ZDF. Seit 2001 schreibt der Wissenschaftsjournalist für das Nachrichtenmagazin Focus über Themen aus Biologie, Umwelt, Medizin, Internet und Technik. Die Menschen und die Natur Afrikas sind seine große Leidenschaft. Auf zahlreichen Reisen hat er den Kontinent südlich der Sahara intensiv erkundet.


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