Jones | Die Wurzeln des Glücks | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 320 Seiten

Jones Die Wurzeln des Glücks

Wie die Natur unsere Psyche schützt
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-641-26440-6
Verlag: Blessing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Wie die Natur unsere Psyche schützt

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

ISBN: 978-3-641-26440-6
Verlag: Blessing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Natur versetzt uns in Staunen. Sie inspiriert, spendet Erholung, nimmt uns Stress. Was der Mensch immer schon tief in sich spürt, wird heute auch von faszinierender Forschung belegt. Vom norwegischen Spitzbergen über die Urwälder Polens bis Kalifornien hat Jones eine neue Welt der Wissenschaft bereist, in der erforscht wird, wie die Natur unsere Psyche schützt - warum Dreck essen wirklich gesund ist, weshalb der Anblick natürlicher Formen unser Glücksgefühl beeinflusst und wie wir unsere Innenwelt friedlicher und erfüllter machen, indem wir mehr draußen sind.
Gegen "Erlebnisarmut" und "ökologische Trauer": warum Naturschutz auch Selbstschutz bedeutetWilde Wissenschaft: Wie wir in der Natur unsere psychische Gesundheit verbessern, Kraft schöpfen und Glück finden können.

Lucy Jones ist Journalistin und schreibt regelmäßig zu wissenschaftlichen Themen, Gesundheit, Umwelt und Natur u.a. für die BBC, The Guardian und The Sunday Times. Ihr erstes Buch 'Foxes Unearthed' (2016) über die Beziehung zwischen Mensch und Fuchs war für den Wainwright Prize nominiert und wurde mit dem Society of Authors' Roger Deakin Award ausgezeichnet, der für herausragendes Nature Writing vergeben wird. Jones lebt und arbeitet in Hampshire, Großbritannien.

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Eines Nachmittags im Spätsommer saß ich in meinem Garten am Rand eines Wildblumenbeets. Meine kleine Tochter betastete die vertrockneten Blüten und suchte in der Erde nach Regenwürmern. Im ganzen Garten hingen nun sirupfarbene Spinnen in ihren Netzen, deren gemusterte Hinterteile in der Sonne wie Juwelen glänzten. Obwohl es noch August war, schien es in Südengland bereits, als wäre der Herbst gekommen. Äpfel und Pflaumen fielen von den Bäumen, der Boden war marmeladenrutschig und voller Wespen, die Blätter verfärbten sich schon. Ich erklärte gerade, wo nachts der Igel aus seinem Versteck kam, um nach Käfern und Raupen zu suchen, da sah ich meine Tochter an und bekam ein ungutes Gefühl. In sämtlichen Zeitungen las man von Dürren, Fluten, Wetterextremen und Hitzewellen, die manchmal die Prognosen der Wissenschaftler noch übertrafen. Was kam auf sie und ihre Generation zu? Das Klimachaos wuchs. Die Eiskappen schmolzen schneller als gedacht. Die Welt schien in Flammen zu stehen. Hier in England schienen die Jahreszeiten durcheinanderzugeraten – Herbst im August, Winter im März. Jeden Tag hörte man von einer weiteren vom Aussterben bedrohten Spezies. Mauersegler1, Schwalben2, Igel3, sie alle waren vom Aussterben bedroht. Würde es noch Primärwälder4 geben, und alte Eichen5, auf die sie staunend klettern könnte? Wie viele Vogelarten würden das traurige Schicksal von Spix-Ara, Weißwangen-Kleidervogel, Pernambuco-Zwergkauz und Dunkelkopf-Blattspäher6 teilen und noch in diesem Jahrhundert aussterben? Würde sie bei der starken Lichtverschmutzung, die 80 Prozent des Nachthimmels über Europa und den USA betraf, jemals die Milchstraße sehen? Und wie würde sich diese von Wissenschaftlern als »biologische Auslöschung«7 bezeichnete Krise auf ihren Geist und ihre Seele auswirken, falls sie überhaupt überleben würde? Etwa zu dieser Zeit las ich auch von einem deprimierenden Konzept, das der US-amerikanische Autor, Ökologe und Schmetterlingsforscher Robert Pyle mit »extinction of experience« beschrieb: einem zunehmenden Mangel an Naturerfahrungen.8 Je weniger sich Kinder für die Natur begeistern, argumentierte er, desto weniger werden sich wiederum ihre eigenen Kinder der Natur verbunden fühlen. »Dieser Verlustkreislauf emotionaler Bindung beginnt mit dem Aussterben von uns bekannten Spezies, Ereignissen und Aromen in unserer unmittelbaren Umgebung; dieser Verlust führt wiederum zu Unwissenheit über die Artenvielfalt, also zu Entfremdung, Apathie und Gleichgültigkeit, was wiederum zu weiterem Aussterben führt.«9 Dieses Muster zeigte sich in meiner eigenen Familie. Meine Großmutter war ein wandelndes Lexikon, was die Natur und ihre Funktionsweise betraf. Meine Eltern kannten sich mit Vögeln, Blumen und Pflanzen aus, sie kannten ihre Namen, ihre Zyklen und Verhaltensweisen. Ich wusste ein wenig, vielleicht fünf bis zehn Prozent von dem, was sie wussten, und ich interessierte mich schon mehr für Flora und Fauna als die meisten meiner Freunde. Folglich würde die Verbindung meiner Tochter zur Natur noch schwächer ausfallen als meine eigene. Würde sie überhaupt noch Tierarten kennen und benennen können? Oder wäre ihr all das derart fremd, dass eine Beziehung zur Natur für sie wenig bis gar keinen Wert mehr hätte? Wie Pyle schrieb: »Was geht das Aussterben des Kondors ein Kind an, das noch nicht einmal weiß, was ein Zaunkönig ist?« Nie waren wir so entfremdet von der Natur. In den letzten 80 Jahren ist die Hälfte der britischen Primärwälder verschwunden.10 Im 20. Jahrhundert sind 97 Prozent der Tieflandweiden und 90 Prozent der Niederwälder in England und Wales verlorengegangen, und mit ihnen die Tier- und Pflanzenwelten, die dort beheimatet waren. In Europa ist mittlerweile jede zehnte Spezies vom Aussterben bedroht.11 Weltweit sind allein in den letzten 50 Jahren die Bestände von Säugetieren, Vögeln, Reptilien und Fischen um 60 Prozent zurückgegangen.12 Mit der Landschaft hat sich auch unser Verhalten verändert. Kurz gesagt: Wir bleiben drinnen. Wir sitzen in Großraumbüros, Autos und Hochhäusern und verbringen gerade einmal 1-5 Prozent unserer Zeit im Freien.13 Wir haben uns daran gewöhnt, jenseits der Zyklen unserer Umwelt zu überleben. Unser Bedürfnis und unser Wunsch danach, mit der Natur in Kontakt zu kommen – ebenso wie die Möglichkeit dazu –, haben dramatisch abgenommen. 2005 prägte der einflussreiche amerikanische Autor Richard Louv den Begriff der »Naturdefizit-Störung« für die negativen Auswirkungen mangelnder Berührungspunkte mit der Natur auf die allgemeine Gesundheit des Menschen. »Er beschreibt den Preis, den der Mensch angesichts seiner mangelnden Verbindung zur Natur zahlt: eine Unterentwicklung der Sinne, Konzentrationsschwierigkeiten und die Zunahme von körperlichen und geistigen Krankheitsbildern«,14 schrieb Louv. Dieses Gefühl der Abspaltung bahnt sich seither seinen Weg in unseren Sprachgebrauch. Im selben Jahrzehnt fand der australische Philosoph Glenn Albrecht den Begriff »psychoterratisch«, um damit sowohl irdische (terra) als auch den Geist (Psyche) betreffende Emotionen, Gefühle und Zustände zu beschreiben.15 Albrecht war frustriert davon, wie wenig Konzepte in der englischen Sprache zur Verfügung standen, um die Beziehung zwischen Menschen, der von ihnen erschaffenen Umwelt, der natürlichen Umwelt und ihrer psychischen Verfassung zu beschreiben. Psychoterratische Krankheiten sind beispielsweise auf die Erde bezogene, psychische Gesundheitsleiden wie Ökosystem-Angst oder Globale Furcht. Mit »Trostalgie« bezeichnet er ein Gefühl der Nostalgie und Ohnmacht angesichts der Zerstörung eines Ortes, der früher einmal Trost gespendet hat. Ein weiterer neuer Begriff, die »Arteneinsamkeit«, soll ein Gefühl kollektiver Trauer und Angst angesichts unserer Abkapselung von anderen Spezies ausdrücken. Die Naturautorin Robin Wall Kimmerer beschreibt sie als »eine tiefe, namenlose Traurigkeit, die von unserer Entfremdung vom Rest der Schöpfung herrührt, von einer zerbrochenen Beziehung«.16 Wenn man bedenkt, wie wir unsere Moore und Wälder behandeln, die Meere und Flüsse, ebenso die Wildtiere, die dort leben, könnte man meinen, die industrialisierte Gesellschaft sähe in der Natur nicht viel mehr als einen hübschen Hintergrund: einen Luxus, einen Bonus, reine Deko – »Grünen Mist«, wie der britische Ex-Premierminister David Cameron die Umweltpolitik Berichten zufolge nannte – und nicht das grundlegende System, das uns alle am Leben hält.17 Zweifelsohne wurden meine Tochter und ihre Generation in eine Zeit extremer Entfremdung hineingeboren, in der wir das Klima rasend schnell zerstören und uns psychologisch vom Rest der lebenden Welt zurückziehen. Dabei sind auch sie mit der Natur durch Geschichten und Sprache verbunden, die weit in die Vergangenheit zurückreichen. Schon immer haben sich Menschen Aspekten ihrer natürlichen Umgebung zugewandt, um die eigene Existenz zu interpretieren und zu verstehen – ganz besonders Tieren, Landschaften, Wetterphänomenen und biologischen Prozessen. Dies zeigt sich nicht nur in einfachen geflügelten Worten – »den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen«, »der frühe Vogel fängt den Wurm«, »bodenständig sein« –, sondern auch in einer Vielzahl kosmischer Symbole für Erneuerung, Regeneration und Beharrlichkeit: Die Natur hilft uns dabei, die Welt, in der wir uns wiederfinden, zu verstehen und ihr Bedeutung abzugewinnen. Selbstverständlich bestehen unsere frühesten Schöpfungsmythen und Kosmologien aus zahlreichen gemeinsamen Naturmotiven – Fluten, Schlangen, Eier und animistische Annahmen –, denn unsere Urahnen waren mit ihrer Umwelt noch wesentlich stärker verbunden. Doch trotz unserer Entfremdung beziehen wir uns noch immer auf die Natur. Sogar im Internet: »Web« (»Netz«), »Stream« (»Strom/Fluss«), »Bug« (Käfer). Linguistisch und mental sind wir stark mit der Natur verwoben; wir haben unsere Sprache, unsere Kultur und unser Bewusstsein – die wichtigsten Aspekte der menschlichen Psyche, aus denen unsere Wünsche und Vorlieben entspringen – in unmittelbarer Nähe zu der Umwelt erschaffen, in der wir seit Jahrtausenden leben. Der Schriftsteller und Naturforscher Richard Mabey findet dafür treffende Worte: »Die Affinität unserer Vorstellungskraft zur natürlichen Welt zeugt von einer essenziellen, ökologischen Verbindung, die für uns ebenso wichtig ist wie unser materielles Bedürfnis nach Luft und Wasser und der Fotosynthese von Pflanzen.«18 Unsere ästhetische Präferenz für Flora und Fauna lässt sich durch die gesamte Menschheitsgeschichte bis zum heutigen Tag verfolgen. Urbane Gemeinschaften im Byzantinischen Reich der Antike, in Persien und dem mittelalterlichen China wurden mit Ziergärten angelegt; in Pompeji wurden Fresken mit Naturszenerien gestaltet; die Zisterzienser pflanzten schon ab dem 12. Jahrhundert Blumen und Bäume aufgrund ihrer Schönheit. Auch haben wir die Natur in unsere Behausungen mitgebracht, von den Tierbildern der Höhlenmalerei über Holzschnitte von Blumen, Bergen, Stürmen und Wellen in China und Japan bis zu der europäischen Tradition, jeden Winter...


Falk, Dietlind
Dietlind Falk wuchs im Ruhrgebiet auf. Sie studierte literarische Übersetzung an der Universität Düsseldorf und arbeitet seit 2010 als freie Übersetzerin aus dem Englischen und dem Französischen.

Jones, Lucy F.
Lucy Jones ist Journalistin und schreibt regelmäßig zu wissenschaftlichen Themen, Gesundheit, Umwelt und Natur u.a. für die BBC, The Guardian und The Sunday Times. Ihr erstes Buch "Foxes Unearthed" (2016) über die Beziehung zwischen Mensch und Fuchs war für den Wainwright Prize nominiert und wurde mit dem Society of Authors' Roger Deakin Award ausgezeichnet, der für herausragendes Nature Writing vergeben wird. Jones lebt und arbeitet in Hampshire, Großbritannien.



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