Jonas | Wiedersehen am Drachenfels | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 3, 608 Seiten

Reihe: Hotel Hohenstein

Jonas Wiedersehen am Drachenfels

Roman
18001. Auflage 2018
ISBN: 978-3-492-99023-3
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, Band 3, 608 Seiten

Reihe: Hotel Hohenstein

ISBN: 978-3-492-99023-3
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Acht Jahre nach Kriegsende ringt das Luxushotel Hohenstein noch immer damit, zu seiner einstigen Größe zurückzufinden. Sebastian, der Enkel von Hotelier Karl Hohenstein, kommt mit neuen Ideen aus Amerika und will den nur zögerlich anlaufenden Tourismus ankurbeln. Er verliebt sich in die Ärztin Annemarie, die sich auf ein Verhältnis einlässt, obwohl sie einem anderem die Ehe versprochen hat. Als ihr Verlobter tot im Rhein gefunden wird, fällt der Verdacht auf Sebastian. Währenddessen holt Karl seine Vergangenheit ein, und plötzlich steht nicht nur Sebastians Ruf auf dem Spiel, sondern auch der des Hotels ...

Anna Jonas wurde im Münsterland geboren, hat einen Teil ihrer Kindheit im hohen Norden verbracht und lebt seit ihren Studententagen in Bonn. Nach ihrem Germanistikstudium widmete sie sich dem Schreiben. Die DELIA-Preisträgerin reist gerne und liebt das Stöbern in Bibliotheken, wo sie für ihre Romane intensive Recherchen betreibt. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in Rheinnähe.
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1

»Dieser Rotzbengel hat mich altmodisch genannt!« Karl Hohenstein stand im Vestibül, die Hände in die Seiten gestemmt, und sah in die Richtung, in die sein Enkel verschwunden war.

»Du hast deinen Vater seinerzeit mit demselben Wort belegt, erinnerst du dich?«, antwortete seine Ehefrau mit einem nachsichtigen Lächeln.

»Er war altmodisch, ich bin lediglich auf Stil bedacht.«

»So begründete er es seinerzeit auch.«

»Ich bin nicht altmodisch.«

»Wäre dir Altersstarrsinn lieber?«

Karl bekam den Eindruck, dass Julia dieser Disput Spaß machte, und gab es seufzend auf. Man krempelte sein Hotel um, und er sollte als Zuschauer danebenstehen. Langsam ließ er seinen Blick durch das Vestibül gleiten, über die geschwungene Treppe, die Rezeption aus poliertem Holz mit ihren goldverzierten Kästen für Zimmerschlüssel und Post, die Säulen, die eleganten Sitzgruppen – Bilder schoben sich darüber, lachende Gäste in Abendroben, Soldaten, Offiziere … Karl spürte einen Stich in der Brust und sah wieder zu dem Aufzug, dessen Türen sich hinter seinem Enkel geschlossen hatten. Vielleicht war es nicht das Schlechteste, einen klaren Schnitt mit der Vergangenheit zu machen, und Sebastian brachte in der Tat frischen Wind hier hinein.

Karl verließ das Hotel und trat auf den Hof. Es war Anfang März und die Temperaturen immer noch empfindlich kalt. Schneereste klebten an den Wegesrändern, waren auf dem Hof zu matschigen Pfützen geschmolzen. Zwar bemühte sich Karl nach wie vor um einen gepflegten Eindruck, aber es war unübersehbar, dass das Hotel einmal bessere Zeiten gesehen hatte, daran änderte auch der Anblick der glänzend polierten Limousinen – »altmodisch, Großvater!« – in der Remise nichts. »Du kannst deine Gäste doch nicht in diesen Vorkriegsmodellen durch die Gegend kutschieren«, hatte sein Enkel sich beschwert.

Aber für neuere Wagen war schlechterdings gerade kein Geld da, und Karl war – so ungern er es gestand – zu alt, um sich allein um das Hotel zu kümmern. Solange Konrad noch gelebt hatte, war es immer noch irgendwie gegangen. Außerdem hatten sie dessen Sohn Andreas gehabt, der ebenfalls mit der Leitung betraut gewesen war, aber auch der war aus dem Krieg nicht zurückgekehrt. Wie so viele andere, unter anderem Karls Neffe Jacob, dessen Bruder Hans zwar nach wie vor im Hotel in der Buchhaltung arbeitete. Doch seit seine Frau auf und davon war und ihn mit der kleinen Tochter Greta allein gelassen hatte, war er nicht mehr so recht mit dem Herzen bei der Sache. Karls Cousine Emma half zwar ebenfalls, aber auch für sie wurde es langsam zu viel.

Karl zitterte ein wenig in der Kälte, blieb jedoch dennoch draußen stehen und spürte alten Zeiten nach – wie so oft in letzter Zeit. Er hoffte nicht, dass das bedeutete, er würde sich eines Tages gänzlich in der Vergangenheit verlieren, aber er vermisste sie alle so furchtbar, die Gefährten, die ihn auf dem letzten Stück seines Weges nicht mehr begleiteten.

»Willst du dir eine Lungenentzündung holen?«, fragte Julia, die ihm nun nach draußen gefolgt war. Im Gegensatz zu ihm hatte sie sich jedoch vorher noch einen warmen Mantel geholt und ihm seinen gleich mitgebracht.

»Denkst du, es war die richtige Entscheidung?«, fragte er und sah seine Frau an. »Ihn aus Amerika kommen zu lassen? Ist es nicht, als wolle man einem Toten neues Leben einhauchen?« Er drehte sich um und sah zum Hotel, während seine Hände in die warmen Ärmel des Mantels glitten.

»Es ist nicht tot«, antwortete Julia. »Es hat all das überlebt. Ebenso wie wir.« Sie hakte sich bei ihm ein, und er drückte ihre Hand.

Im Sommer hatte er nach langem Überlegen seinem Sohn in Amerika geschrieben und diesem das erste Mal gestanden, dass er das Hotel nicht länger allein halten konnte. Da das Haus zur Hälfte seinem Sohn zustand, wollte er diesen darüber in Kenntnis setzen, dass er mit dem Gedanken spielte, es zu verkaufen, wenn nicht die Möglichkeit bestand, Hilfe zu bekommen. Sein Sohn hatte darauf reagiert, indem er Karls Enkel Sebastian schickte. Sebastian, der kaufmännisch ausgebildet war und ohnehin oft davon gesprochen hatte, nach Deutschland zu gehen, musste nicht lange überredet werden. Die Aussicht, hier etwas aufzubauen, kreativ zu werden, hatte ihn zu sehr gereizt, als dass er hätte widerstehen können.

Für Karl und Julia, die die Familie ihres Sohnes das letzte Mal vor dem Krieg gesehen hatten, war es wunderbar, dass ihr Enkel nun sozusagen heimkehrte. Und Sebastian war ein Hohenstein durch und durch, wenngleich er optisch mehr nach der Familie seiner Mutter kam mit seinem dunklen Haar und den Augen, die mehr grau als blau waren.

Und nun hatte auch noch seine Schwester Johanna aus Ungarn geschrieben und angekündigt, ihm ihren Enkel Adrián zu schicken, um ihm unter die Arme zu greifen. Da Karl und seine Schwester sich sehr nahestanden, machte ihn das Angebot überglücklich, und nur zu gerne würde er ihren Enkel hier aufnehmen. Julia hatte recht, sie mussten zuversichtlich in die Zukunft blicken. Es war das Jahr der Heimkehrer.

»Das kann einfach nicht dein Ernst sein«, beklagte Margot Rebein sich bei ihrer Mutter, während sie sich im Zimmer umsah. »Warum kann ich nicht mit Papa in Bonn bleiben?«

Emma, die diese Diskussion wieder und wieder geführt hatte, war es langsam leid. »Weil dein Vater und ich nicht getrennt leben wollen, nur weil es dir hier zu ruhig ist.«

»Es ist nicht zu ruhig, es ist todlangweilig.«

Emma sah sich in den vertrauten Räumlichkeiten um. Hier war sie aufgewachsen, hatte auch nach ihrer Eheschließung immer wieder ihre Eltern besucht, und nicht im Traum wäre ihr eingefallen, dass sie je wieder hier einziehen würde, obwohl sie nach wie vor im Hotel arbeitete. Doch jetzt fühlte es sich richtig an, als sei dies immer ihr wahres Zuhause geblieben und habe nur auf ihre Rückkehr gewartet.

Nachdem ihr Vater, Konrad Alsberg, gestorben war, hatte ihre Mutter sich allein um Andreas’ Kinder gekümmert. Emma glaubte nach wie vor, dass der Kummer um den Tod seines Sohnes ihren Vater, der immer gesund gewesen war, so plötzlich hatte sterben lassen. Sein Herz hatte einfach aufgegeben. Auch ihre Mutter hatte sich so sehr gegrämt, und allein die Erinnerung daran ließ Emma die Tränen in die Augen steigen. Aber Katharina Alsberg war nach wie vor gebraucht worden von den Kindern ihres Sohnes. Und so hatte sie sich um sie gekümmert, bis eine Erkältung, der eine Lungenentzündung gefolgt war, sie vor zwei Monaten das Leben gekostet hatte. Und da Emmas Cousin Karl – der ihrem Vater vom Alter her nähergestanden hatte als ihr, aber das war dem umtriebigen Leben ihres Großvaters geschuldet – neben dem Hotel nicht auch noch Andreas’ Kinder Ruth, Nele und Curt versorgen konnte, hatte Emma beschlossen, die Wohnung ihrer Eltern im Hotel zu beziehen.

»Bei uns wäre auch Platz gewesen für die drei«, beklagte sich Margot nun erneut.

»Das hatten wir alles schon.«

»Sie wolltest du nicht aus ihrer gewohnten Umgebung reißen, aber bei mir ist das nicht so schlimm, ja?«

Emma schloss die Augen und atmete tief durch, dann sah sie ihre Tochter an. »Du hast deine Eltern immerhin nicht verloren.« Andreas’ Ehefrau war bei der Geburt von Curt, ihres einzigen Sohnes, verstorben. Der würde nun später der Haupterbe sein, war aber gerade mal dreizehn Jahre alt und ging noch zur Schule. Emma bemühte sich um einen versöhnlichen Ton. »Du bist doch hier nicht aus der Welt.«

»Ich bin so weit entfernt von jedem fröhlichen Treiben, als wäre ich’s. Warum verkauft Karl diesen alten Kasten nicht einfach? Als würde derzeit auch nur irgendeiner Urlaub in Deutschland machen. Ich zumindest würd’s nicht tun, und ich kann auch Sebastian nicht verstehen. Wer verlässt denn New York, um hier zu leben? Entweder hat er dort etwas ausgefressen, oder er ist nicht bei klarem Verstand. Wie ein ausgemachter Langweiler wirkt er nämlich nicht gerade.«

Emma ersparte sich eine Antwort darauf, da sie wusste, dass diese ihrer Tochter nur als weitere Vorlage gedient hätte, sich erneut zu echauffieren. »Pack deine Koffer aus«, sagte sie. »Und wenn du genug geschmollt hast, kannst du dich zu uns in den Hotelsalon gesellen.« Damit verließ sie das Zimmer und ging durch den Korridor zur Wohnungstür.

Die Wohnungen lagen im privaten Wohntrakt der Familie, der durch eine Tür vom Hotelbetrieb getrennt war. Unten wohnte Hans mit seiner Tochter Greta, darüber Karl und Julia in der Beletage, darüber nun Emma mit Georg und Margot, und im dritten Obergeschoss hatte einstmals Emmas Bruder Andreas mit seiner Familie gelebt, nun wohnten dort nur noch seine drei Kinder, wobei die älteste Tochter Ruth gerade einundzwanzig geworden war, zwei Jahre älter als Margot. Da sich die beiden allerdings nicht gut verstanden, war das für Emmas Tochter nicht gerade ein Anreiz gewesen, sich mit der neuen Wohnsituation abzufinden.

Als Emma das Vestibül betrat, sah sie Sebastian in ein Gespräch mit dem Concierge vertieft. Sie gesellte sich dazu, schenkte dem jungen Mann, der so unverkennbar amerikanische Weltgewandtheit ausstrahlte, ein Lächeln und sah in das Buch, in dem die Reservierungen verzeichnet waren. So mager hatte das zuletzt 1920 ausgesehen, aber da hatte sich der Hotelbetrieb irgendwann wieder erholt. Nun jedoch schien es, als verschlinge das Haus nur noch Geld, ohne auch nur annähernd genug einzubringen, um die laufenden Kosten zu decken. Karl war schon vor drei Jahren an sein Privatvermögen gegangen und hatte dieses in den Betrieb investiert, nachdem sämtliche finanzielle Rücklagen des Hotels...


Jonas, Anna
Anna Jonas wurde im Münsterland geboren, hat einen Teil ihrer Kindheit im hohen Norden verbracht und lebt seit ihren Studententagen in Bonn. Nach ihrem Germanistikstudium widmete sie sich dem Schreiben. Die DELIA-Preisträgerin reist gerne und liebt das Stöbern in Bibliotheken, wo sie für ihre Romane intensive Recherchen betreibt. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in Rheinnähe.



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