E-Book, Deutsch, 328 Seiten
Johnson Praxis der Emotionsfokussierten Paartherapie
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7495-0223-3
Verlag: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Verbindungen herstellen. Überarbeitete Neuauflage
E-Book, Deutsch, 328 Seiten
ISBN: 978-3-7495-0223-3
Verlag: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Das Standardwerk der EFPT – auf den neuesten Stand gebracht
Für Paartherapeut*innen, und Supervisor*innen, die emotionsfokussiert arbeiten möchten, ist dieses Buch seit jeher der Leitfaden.
In die überarbeitete Auflage wurden aktuelle Entwicklungen auf dem Gebiet der Paartherapie einbezogen sowie neuere Forschungsergebnisse zu klinischen Interventionen.
Berücksichtigt wurden außerdem ein erweitertes Verständnis von Emotionsregulation, Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften und zum Bindungsverhalten Erwachsener sowie dynamische EFT-Anwendungen für Probleme wie Depressionen, Angstzustände, sexuelle Störungen und PTBS. Als einer der plausibelsten, am besten dokumentierten und erforschten paartherapeutischen Ansätze ist die Emotionsfokussierte Paartherapie (EFPT) eine äußerst wirksame Beziehungstherapie.
Das Buch bietet einen in sich stimmigen Werkzeugkasten von Interventionen und einen Leitfaden für den Prozess der Veränderung.
„Die Neuauflage von Susan M. Johnsons Buch Praxis der Emotionsfokussierten Paartherapie, 15 Jahre nach Erscheinen der Erstauflage, zeigt, wie wichtig systematische Forschungsarbeit für die Entwicklung einer großen Theorie sein kann.
Dieses Buch ist ein Muss für jeden Therapeuten.“ —John Gottman
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2. EFT: Liebe aus der Sicht der Bindungstheorie
„Sind wir doch, von der Wiege bis zur Bahre, immer dann am zufriedensten, wenn sich unser Leben in Form längerer oder kürzerer Explorationen gestaltet, die von der verlässlichen Basis bedeutsamer Bindungsfiguren aus erfolgen.“ (John Bowlby 2018, S. 48) In Bezug auf die Probleme unserer Klient*innen müssen wir uns stets drei grundsätzliche Fragen stellen. Ihre Antworten bilden den Rahmen für das Verständnis der beobachteten multidimensionalen Phänomene, und dieser bestimmt den Therapiefokus und die Behandlungsstrategien. Die drei Fragen lauten: Was geschieht hier? Was ist das Problem? Was ist das Ziel der Intervention?
Was sollte hier geschehen? Was ist gesund? Was ist das Ziel der Behandlung?
Was muss das Paar tun, um das Problem zu verändern und zu einer gesünderen Beziehung zu gelangen? Wie kann ich diese Veränderung begünstigen?
Wir brauchen zum einen eine Theorie dafür, was ein gesundes Leben ausmacht und wie Probleme auftreten und Störungen verursachen können, und zum anderen eine Theorie für therapeutische Veränderungen. Und da die Klientin in der Paartherapie die Beziehung ist, brauchen wir auch eine Theorie der Intimität, ein Verständnis vom Wesen der Liebe im Erwachsenenleben. Damit befasst sich dieses Kapitel. 2.1 Die Sichtweise der EFT auf die Liebe zwischen erwachsenen Menschen
Fragen wir unsere Klient*innen nach der Grundlage einer glücklichen Lebenspartnerschaft, werden sie zweifellos mit einem Wort antworten: Liebe. Doch ausgerechnet im Bereich der Paar- und Familientherapie glänzt der Begriff durch Abwesenheit: Liebe ist eine vergessene Variable (Roberts 1992). Paar- und Familientherapie konzentriert sich meist auf Macht, Kontrolle, Autonomie und Konfliktmediation, aber nicht auf Liebe und Zuwendung (Mackay 1996). Daher ist es für die Paartherapie revolutionär, dass die Bindungstheorie neuerdings auch auf Erwachsenenbeziehungen angewandt wird, weil wir so erstmalig einen schlüssigen, relevanten und gut erforschten Verständnis- und Behandlungsrahmen haben (Brassad & Johnson 2016; Johnson, LaFontaine & Dalgleish 2015). Aber die Revolution ist noch viel umfassender: Endlich widmen sich die Wissenschaften den „tiefsten Geheimnissen menschlicher Beziehungen“ (Berscheid 1999, S. 206). Nichts ist so praktisch wie eine gute Theorie. Sie macht uns klar, wodurch sich das komplexe vielschichtige Drama der unglücklichen engen Beziehung kennzeichnet. Sie liefert uns eine Sprache, mit der wir die individuellen Erfahrungen unserer Klient*innen legitim beschreiben können. Sind die Kennzeichen erst einmal auf der Karte der Beziehungslandschaft eingezeichnet, ist diese überschaubarer und leichter zu bereisen – bis an ihre entferntesten Enden. Mithilfe einer Theorie der Liebe können wir verstehen, was in der Dyade schiefgelaufen ist, und zudem auch die relevanten Behandlungsziele bestimmen sowie die erforderlichen Schritte, um sie zu erreichen. Eine gute Theorie sorgt dafür, dass Interventionen „zielführend“ sind und den Kern der Sache treffen. Wie lauten die ursprünglich von Bowlby (2006a, 2018) postulierten Grundprinzipien, die dann von Sozialpsycholog*innen und zunehmend auch von Ärzt*innen (Costello 2013; Magnavita & Anchin 2014) weiterentwickelt und auf Erwachsene angewandt wurden (Mikulincer & Shaver 2007)? 2.2 Die zehn Grundprinzipien der Bindungstheorie
1. Bindung ist eine angeborene Triebkraft. Den Kontakt zu Bezugspersonen zu suchen und aufrechtzuerhalten ist eine angeborene, primäre und lebenslange Motivation des Menschen. Folglich ist die in der westlichen Kultur verpönte und pathologisierte Abhängigkeit etwas zutiefst Menschliches und nicht das abzulegende unreife Verhalten eines Kindes. Das, was enge Beziehungen aber vor allem ausmacht – sozusagen unser therapeutischer „Dreh- und Angelpunkt“ –, sind Bindung und die dazugehörigen Emotionen. Die interkulturelle (van Ijzendoorn & Sagi 1999) Theorie der Bindung bezieht sich auf die Evolution des Menschen als soziales Tier und erinnert in ihrer Universalität daran, dass alle Menschen Angst vor Isolation und Verlust haben und damit im selben Boot sitzen. 2. Sichere konstruktive Abhängigkeit als Ergänzung zu Autonomie. Laut Bindungstheorie gibt es weder die vollkommene Unabhängigkeit noch die übermäßige Abhängigkeit von anderen Menschen (Bretherton & Munholland 1999), sondern Abhängigkeit kann nur effektiv oder ineffektiv sein. Sichere Abhängigkeit stärkt die Unabhängigkeit und das Selbstvertrauen. Es handelt sich also nicht um Gegensätze, sondern um die zwei Seiten ein und derselben Medaille. Und wie wir aus der Forschung wissen, korreliert eine sichere Bindung mit einem schlüssigen, klaren und positiven Selbstbild (Mikulincer 1995). Wenn wir wissen, wohin wir gehören, werden wir zu uns selbst finden. Je sicherer die Verbindung zu anderen, desto besser können wir uns von ihnen unterscheiden und entfernen. Nach diesem Modell zeigt sich Gesundheit nicht darin, dass man autark und von anderen getrennt ist, sondern in Form einer gefühlten Wahrnehmung wechselseitiger Abhängigkeit. 3. Bindung bietet einen essenziellen Zufluchtsort. Kontakt zu Bindungsfiguren ist ein angeborener Überlebensmechanismus. In ihrer Gegenwart – der Eltern, Kinder, Ehegatten oder Lebensgefährt*innen – findet man Trost und Geborgenheit, ihre Unzugänglichkeit verursacht Kummer. Nähe zu geliebten Menschen beruhigt das Nervensystem (Schore 1994). Sie ist das natürliche Gegenmittel zu den Ängsten und Verletzlichkeiten, die nun einmal Teil des Lebens sind. Eine positive Bindung ist für Menschen aller Altersstufen ein sicherer Ort, der nicht nur die Folgen von Stress und Unsicherheit abpuffert (Mikulincer, Florian & Wesler 1993), sondern auch optimale Bedingungen schafft für die kontinuierliche Entwicklung der Persönlichkeit. 4. Bindung ist eine sichere Basis. Von seiner sicheren Basis aus kann der Mensch sein Umfeld erkunden und angemessen darauf reagieren. Sie regt das Erkundungsverhalten an und die kognitive Aufgeschlossenheit für neue Informationen (Mikulincer 1997). Sie stärkt das Selbstvertrauen, etwas zu riskieren, zu lernen und die inneren Arbeitsmodelle von sich selbst, von anderen und der Welt auf dem Laufenden zu halten und so die Anpassung an neue Kontexte zu erleichtern. Eine sichere Bindung stärkt die Fähigkeit, mit einem Abstand zu sich selbst, die eigenen Verhaltensweisen und mentalen Zustände zu reflektieren (Fonagy & Target 1997). Eine sichere Beziehung ist tendenziell glücklicher, stabiler und befriedigender. In ihr kann man besser auf andere zugehen, sie unterstützen und gut mit Konflikten und Stress fertigwerden. Dieses Bedürfnis nach einer sicheren emotionalen Verbindung zu einem anderen Menschen, nach einer Verbindung im Sinne eines sicheren Orts und einer zuverlässigen Basis, ist das zentrale Thema unglücklicher Beziehungen und effektiver Heilungsprozesse. 5. Emotionale Zugänglichkeit und Responsivität sorgen für Verbundenheit. Ganz allgemein lässt sich sagen, dass Emotion das Bindungsverhalten aktiviert und organisiert, und im Besonderen, dass emotionale Zugänglichkeit und Responsivität die Bausteine verlässlicher Verbindungen sind. Eine Bindungsfigur kann physisch anwesend, emotional jedoch abwesend sein. Wird sie als unzugänglich wahrgenommen, kann das Trennungsschmerz verursachen. Es kommt also ganz wesentlich darauf an, wie stark diese Person emotional involviert ist und wie sehr man mit ihr rechnen kann, wenn man sie braucht. Bindungsmäßig gesprochen ist jede Reaktion (sogar Wut) besser als keine. Ohne Kontakt, ohne Responsivität, wird die Botschaft der Bindungsfigur so verstanden: „Egal, welche Signale du gibst – zwischen uns besteht keine Verbindung.“ Die Theorie, nach der Emotion das zentrale Bindungselement ist, macht die Normalität extremer beziehungsstressbedingter Emotionen begreiflich: In der Bindungsbeziehung sind sie am stärksten und folgenreichsten; sie kommunizieren uns und anderen, was uns motiviert und was wir brauchen, sie sind die Musik zum Tanz der Liebenden (Johnson 2014, S. 80–83). Wie Bowlby sagte, „lässt sich die Psychologie und Psychopathologie der Gefühle weitgehend als die Psychologie und Psychopathologie der affektiven Bindungen erklären“ (2001, S. 161). 6. Angst und Ungewissheit aktivieren Bindungsbedürfnisse. Fühlt sich jemand bedroht – etwa durch ein traumatisches Ereignis, Alltagsprobleme wie Stress oder Krankheiten oder wenn die Bindungssicherheit selbst in Gefahr scheint –, kochen mächtige Affekte und Bedürfnisse nach Trost und Verbindung hoch und schieben sich zwingend in den Vordergrund. Das aktiviert Bindungsverhaltensweisen, etwa den Wunsch nach Nähe. Sich mit dem geliebten Menschen verbunden zu wissen ist ein von Anbeginn eingebauter emotionaler Regulierungsmechanismus. Bindung zu Menschen, die einem wichtig sind, stellt „den primären Schutz gegen Gefühle der Hilflosigkeit und der Sinnlosigkeit dar“ (McFarlane & van der Kolk 2000, S. 47). Anhand dieser Theorie wird verständlich, wie ein bestimmtes Vorkommnis wie der Flirt auf einer Party oder eine kurze Phase der Distanz ausgerechnet dann, wenn man den anderen dringend braucht, die Beziehung bedroht und in eine Abwärtsspirale führt. 7. Trennungsschmerz ist ein vorhersehbarer Prozess. Bringt das Bindungsverhalten keinen Trost, weil es bei der Bezugsperson weder Responsivität erzeugt noch Kontakt zu ihr...