Jacobsen | Watt | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

Jacobsen Watt


2. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7562-9913-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

ISBN: 978-3-7562-9913-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das Watt. Unendliche Weiten. Grauer, nasser Schlick wohin man schaut. Auf seinem Fußmarsch über den trockengelegten Meeresboden, stößt Nils-Henning Örstedt, trotz jahrelanger Erfahrungen in diesem Teil des Nordens, immer wieder auf neue Phänomene. Dieses Mal, wird er jedoch von einer erschreckenden Erkenntnis aus seiner sonst so ruhigen Bahn geworfen. Gemeinsam mit seiner Kollegin Sabine, muss Kommissar Heller ein weiteres Mal erkennen, dass Nordfriesland nicht so unschuldig ist, wie es auf den ersten Blick erscheint.

Chris Jacobsen, geborener Flensburger und überzeugter Norddeutscher. Lebt und schreibt in Düsseldorf.

Jacobsen Watt jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Sie saßen am Strand, so wie Gott sie geschaffen hatte, blickten in die Weite und träumten sich beide in die Ferne. Sie waren jetzt schon so lange zusammen, die Kinder waren groß und nun war es einfach mal Zeit, an sich selbst zu denken. Von der See her kam der kühlende Morgenwind, der sich aber schon mit den ersten Sonnenstrahlen vermischte und ab und zu ein bisschen Wärme auf die Haut blies. Dann begann das Schauspiel. Parallel zum steigenden Wasserpegel stieg die Sommersonne am Horizont höher und warf langsam die wärmenden Strahlen erst auf das spiegelglatte, auflaufende Wasser, um sich dann immer näher an das Ufer heranzuarbeiten. Die beiden saßen hier jeden Morgen, exakt an dieser Stelle des Strandes, und bestaunten dieses Schauspiel und immer wieder war es neu und faszinierend. Immer wieder anders. Immer wieder aufregend. Immer wieder unverbraucht. Die Sonne nahm langsam, aber merklich an Stärke zu und begann, den noch von der Nacht feuchten Sand zu trocknen und auch unter ihren Füßen zu erwärmen. Das Wasser kroch wie ein langsames Urtier in Richtung Küste. Ruhig, kraftvoll und trotz aller Gefahren, die der nasse Riese mit sich bringen konnte, friedlich. Die Farben der Sonne teilten sich in tausend Farben in dem flüssigen Spiegel. Immer näher spülte das Wasser auf den Strand, doch die beiden standen an ihrem Platz und waren fest entschlossen, nicht zu weichen. Die Sonne brach sich jetzt selbst in der Hälfte im Meer, also im unteren Teil des Horizontes, und die andere Hälfte stand unverrückbar und machtvoll am Himmel und erkämpfte sich den Job als Tagesbeleuchtung zurück. Und während die beiden die glühende Scheibe beobachteten, achteten sie nicht darauf, dass das Wasser bereits in ihrer Nähe und an einigen Stellen um sie herumgelaufen war. Zu faszinierend und aufregend waren diese Augenblicke, wenn die Sonne aufging. Erschrocken blickten sie sich um, dann sahen sie wieder in die Sonne und es sah so aus, als wollten sie sich ihrem Schicksal ergeben. Als die erste Welle dann jedoch in ihre unmittelbare Nähe lief, breiteten sie ihre Flügel aus und flogen in Richtung Sonne. Jeder Morgen als Silbermöwe an der Nordseeküste ist einfach immer wieder ein Erlebnis. Das Watt. Unendliche Weiten. Ein zum großen Teil unerforschter Lebensraum einer abwechslungsreichen und wilden Natur. Viele Geheimnisse, verborgen unter feuchtem Sand, im tiefen Schlick und zu wenig geschätzt von denen, die nicht darauf angewiesen sind. Auf ihrer Reise durch dieses salzig-duftende Erlebnis befand sich die kleine Wattwandertruppe unter der Leitung von Nils-Henning Örsted. Nils, wie ihn hier in seiner Heimatstadt Husum alle nennen, studierte nach seinem Schulabschluss Biologie, zog hinaus in die Welt, lebte im Anschluss eine Zeit lang in der Arktis, um dann bewaffnet mit einem langen Bart und seiner tiefen, sonoren Stimme hier in seinem Heimatort ordentlich aufzutrumpfen. Dachte er. Die Sache ist aber die: Hier im echten Norden tragen viele Männer Bärte und tiefe Stimmen, die gibt’s hier auch zuhauf! Also musste ein neues Alleinstellungsmerkmal her und das fiel ihm eines Nachts, als er auf der Couch eingeschlafen war, siedend heiß aus seinen Träumen auf seinen inneren Merkzettel. Wattwanderungen. Okay, Wattwanderungen waren jetzt nichts großartig Neues, aber Wattwanderungen mit Geschichten und Gedichten aus Nordfriesland. Die ganze geballte kulturelle Vielfalt des Nordens in freier, ungezügelter Natur. Das machte hier noch niemand und das würde laufen wie fließend Wasser die Wände herunter. Wer einmal in einem Iglu gewohnt und die globale Erderwärmung beobachtet hat, weiß, wovon dieser Mann spricht. Seit zwei Jahren machte er das jetzt. Ging mit den Touristen ins Watt und rezitierte Storm, Achim von Arnim, Hebbel, Lenz, Klaus Groth, Wilhelm Busch und von Eichendorff. Nun waren nicht alle diese Dichter aus dem Norden, hatten aber wenigstens zu ihren Lebzeiten darüber geschrieben, gedichtet und die Landschaft in einer wunderbaren Sprache beschrieben. Das musste für die Aufnahme in seine Gedichtsammlung reichen. Sein Repertoire wuchs unaufhörlich und seine Kunden und Kurzwegbegleiter genossen es sichtlich. Hier draußen die frische Luft, das Wissen, dass man auf dem Grunde des Meeres stand und dennoch atmen konnte und zusätzlich seine doch eher eigenwilligen Interpretationen verschiedenster Dichter. Darüber hinaus machte er natürlich immer wieder auf die Gefahr des Klimawandels aufmerksam. Ein Thema, das er im Zusammenhang mit Meer und Wattwanderungen, der sich verändernden Flora und Fauna hier vor Ort, dem Verschwinden verschiedener Kleintierarten und dem Auftauchen neuer nicht außer Acht lassen konnte. Er war jedoch nicht hier, um Moral und Anstand zu predigen, sondern nur dafür , den Menschen zu zeigen, wie zerbrechlich diese Welt war, in und auf der man lebte, und wie einfach es sein konnte, sie zu erhalten, sie zu schützen. Nun denn. An diesem Nachmittag gingen er und seine fünfköpfige Gefolgschaft über den feuchten Meeresboden, der vor ihnen und unter ihren nackten Füßen lag. Noch schwieg er. Die Erhabenheit des Wattenmeeres kroch langsam und unaufhörlich in die Besucher und ließ sie immer ruhiger werden. Gerade als er überlegte, mit welchem Poem er seine Kunden beeindrucken wollte, rief eine Teilnehmerin, dass es schier nicht zu begreifen sei, wie man so ein Naturwunder nur so verkommen lassen könne, und er wurde schlagartig aus seinen Gedanken gerissen, öffnete die Augen und wäre beinahe über einen gelben Gummistiefel gestolpert, der mit dem Schaft nach unten im sandigen Boden steckte. Er blieb vor der weißen, mit grauem feuchten Schlick bedeckten Schuhsohle stehen und drehte sich zu seiner Truppe um. „Wir leben hier in Nordfriesland“, hob er an, „direkt an und in einem der bedeutendsten Naturräume der Welt. UNESCO-Weltnaturerbe. Das hier ist nur ein Stiefel, aber wenn man bedenkt, dass jedes Jahr zehn Millionen Tonnen Müll in die Weltmeere gekippt werden, dann haben wir hier mit diesem einen Stiefel ja noch mal richtig Glück gehabt.“ Er lächelte seine Zuhörer an und hoffte, dass sie den kleinen Spaß verstehen würden. Er bückte sich langsam nach vorn, griff nach dem Schuh und wollte ihn aus dem Sand ziehen, aber irgendetwas schien ihn festzuhalten. Er drehte und ruckelte an dem gelben Schuh und dann löste er sich mit einem Ruck und Nils hielt ihn seinen Mitläufern triumphierend entgegen. Die Truppe, die bis vor ein paar Sekunden noch einen gesunden und motivierten Eindruck gemacht hatte, stand jetzt schweigend, zum Teil mit geöffneten Mündern und aschfahl hinter ihm. Eine der Frauen, die heute mit dabei waren, schien noch nie einen derartigen Schuh gesehen zu haben. Anders konnte Nils-Henning ihre Mimik nicht deuten. Sie öffnete und schloss ihren Mund immer schneller und es entwich ihr immer wieder ein leicht stotterndes „Aber …“ Dieses „Aber“ wurde immer lauter und Nils-Henning entschloss sich, noch einmal zu der Stelle zu schauen, wo er den Schuh aus dem Grund gezogen hatte. Wie soll man es sagen? Wo einstmals der Schuh aus dem Boden gezeigt hatte, stach jetzt ein nackter Fuß hervor und wies pedantisch darauf hin, dass nach dem Fuß wohl auch noch der Rest kommen könnte, der zu einem Menschen gehört. Der sonst so in sich ruhende und bedachtsame Nils-Henning kramte mit zittrigen Fingern sein Mobiltelefon aus der mit Klettverschluss verschlossenen Jackentasche und wählte die Nummer der Husumer Polizei, denn das hier, das konnte man ja nun wirklich nicht einfach so liegen lassen. Steffen Heller genoss diesen Morgen in seiner Wohnung. Seine eigene kleine Zweizimmerwohnung am Zingel. Eine eigene Wohnung war, weiß Gott, nichts Neues für ihn. Aber hier, nicht weit entfernt vom Hafen und dann noch um die Ecke von seiner neuen Arbeitsstelle, das war schon etwas anderes als in Hamburg. Kein Stau am Morgen, durch den man sich kämpfen musste, keine S-Bahn, auf die man ständig zu warten hatte. Es war alles ein bisschen kleiner hier, konnte man denken, doch wenn man die Dimensionen bedachte, in und mit denen man hier lebte, eine Stadt am Meer, deren „Vorgarten“, wie er das Wattenmeer gerne scherzhaft nannte, bis zum Horizont reichte. Da konnte Hamburg nun wirklich nicht mithalten. Er saß in seinem kleinen Garten, der sich an das Wohnzimmer anschloss, genoss die ersten Sonnenstrahlen, seinen Kaffee und den Gedanken, dass sich daran heute nichts Großartiges ändern würde. Er hatte frei, keine Verpflichtungen und der Tag gehörte ihm und seinen persönlichen Wünschen. Dachte er. Er nahm noch einen kräftigen Schluck aus seiner Tasse, als leise sein Handy klingelte. Konnte eigentlich nur seine Mutter sein. Er schaute aufs Display und musste zu seiner Verwunderung feststellen, dass es sein alter Schulfreund Nils-Henning war, der ihn anrief. Nils-Henning war drei Jahrgangsstufen...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.