E-Book, Deutsch, 148 Seiten
Jacobsen Einfach schön hier
2. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7534-2935-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 148 Seiten
ISBN: 978-3-7534-2935-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Steffen Heller ist dort angekommen, wo er nie hinwollte. Nie wieder hinwollte. In seiner Geburtsstadt Husum. Hier muss der in Hamburg lebende Kommissar einen Mord aufklären und im Laufe der Ermittlungen nicht nur Details zu den moralischen Abgründen in dieser kleinen Stadt am Meer entdecken, sondern auch seine eigene unfreiwillige Liebe zu ihr.
Chris Jacobsen, geborener Flensburger, also Norddeutscher. Lebt und schreibt inzwischen in Düsseldorf. Weiter Infos zu ihm unter: ChrisJacobsenAutor.com
Autoren/Hrsg.
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Was sollte das alles hier? Urlaub in der Heimat? Nun, nicht ganz freiwillig, um es freundlich auszudrücken. Er war versetzt worden, beziehungsweise wollte er sich versetzen lassen. Nach einem Disziplinarverfahren, standen ihm die Möglichkeiten Entlassung oder Versetzung zur Verfügung und da er einfach noch nach Dienstjahren gerechnet, zu jung für eine Entlassung war, hatte er sich für die Versetzung entschieden. Die musste aber jetzt verdammt schnell eingeleitet werden, denn er war 49 Jahre alt und mit 50 sanken die Chancen gen Null, als Beamter in ein anderes Bundesland versetzt zu werden. „Druck, immer dieser Druck“, beweint Heller sich lachend selbst. Es war ja auch irgendwie schön, dieses Dorf mit dem temporären Wasserspiegel mal wieder zu sehen. Hier jedoch zu leben und noch älter zu werden, als er ohnehin schon war, diese Möglichkeit hatte er immer weit von sich gewiesen. Er sah sich um. Chris Norman lächelte, leicht vergilbt auf ihn herunter. Suzi Quatro, lasziv und faltenfrei in ihren Lederklamotten. Er hatte, aus nostalgischen Gründen, vor ein paar Monaten in Hamburg ein Konzert von ihr gesehen und konnte sich ein: „Der passt dir aber auch nicht mehr“, nicht verkneifen. Er sah in Richtung seines alten Bücherregal. Die Abenteuer des Kapitän Hornblower von C.S.Forrester, Moby Dick von Melville, Meuterei auf der Bounty, Die Geschichte der Seefahrt und natürlich, wie konnte es anders sein, Fünf Freunde von Enid Blyton. Scheinbar hatten Julian, Dick, Anne, Goerge und Timmy einen größeren Einfluss auf seine spätere Berufswahl gehabt, als die Entwicklung vom Einbaum bis zum Riesenfrachter. Kein Wunder, denn auch wenn Heller an der Küste aufgewachsen war, breitete sich in seinem Magenbereich ein mulmiges Gefühl aus, sobald er ein Schiff betrat. Weitere Touren auf dem offenen Meer, waren für ihn indiskutabel und blieben nicht ohne Folgen. Er hatte auf einem Schulausflug zu den Halligen, die gesamte Überfahrt in der Porzellanabteilung verbracht. Eine Schmach, die ihm bis heute nachhing. Schlagartig hatte er das Bedürfnis rauszugehen und sich in Husum umzuschauen, was sich alles verändert hatte. Den Hafen hatte er schon gesehen. Er war schöner als zu seiner Kindheit, das musste er neidlos anerkennen. Ihn interessierte die Innenstadt, die Geschäfte. War Husum auch dem krampfhaften Versuch verfallen, durch Boutiquen und teure Geschäfte diese falsche und unsägliche Art von Großstadt zu suggerieren? Er machte sich auf und lief durch die Brüggemannstraße Richtung Zentrum. Auf seinem Weg fielen ihm die vielen kleinen neuen Geschäfte auf, ohne überhöhte Preise. Kleine Handwerksbetriebe und Restaurants, die gutbürgerliche Küche zu bezahlbaren Preisen anboten. Ohne sie gesucht zu haben, fand er sich vor der Eingangstür, seiner früheren Stammkneipe wieder, dem Bugspriet und diesem Namen auch optisch Nachdruck zu verleihen, ragte über der Tür eine dieser hölzernen Segelstangen heraus unter der eine dieser typischen, barbusigen Damen angenagelt war, die nicht in ihrer ausgetreckten Hand hielt, als ein schönen Glas mit Bier. Auch sie war in die Jahre gekommen. Hatte wohl schon etliche Verschönerungsoperationen hinter sich und auch das mit dem Bierglas war neu, aber passte. Heller musste schmunzeln. Von außen schnieke, frisch gestrichen, eine, in schwungvoller Handschrift beschriebene Kreidetafel, die darauf hinwies, dass dieses Etablissement eines der ältesten Häuser am Platz war, in der auch Theodor Storm mit Sicherheit seinen Grog getrunken hätte. Die Tür war wie früher, nur eben neuer und frisch bemalt. Er drückte die Klinke nach unten und schob die Tür nach innen auf. Jetzt stand er wirklich in seiner Jugend. Eine verqualmte Spelunke, mit Schiffsmodellen auf den Fensterbänken, Bildern vom tosenden Meer und natürlich, auch er durfte hier nicht fehlen, Theodor Storm in Großformat, als Büste und ab und zu auch als Hutständer. Steffen musterte die Anwesenden und erkannte auf Anhieb drei der Besucher, von denen schon vor Jahren behauptet worden war, dass diese Kneipe um sie herum gebaut worden wäre. Sie saßen immer am gleichen Platz und schienen diesen Ort des dampfenden Alkohols nie zu verlassen. „Moin, Herr Kommissar“, kam es vom Tresen und Heller drehte ruckartig seinen Kopf. Klaus Hermsen, der Besitzer, oder wie er auch genannt wurde – Kneipenklaus, stand mit verschränkten Armen hinter der Bar, lachte ihn an und wie immer trug er ein blaukariertes Handtuch auf seiner linken Schulter. Steffen Heller ging in die Richtung das Wirtes, streckte seine Hand über den Tresen, und die beiden Männer begrüßten sich. „Bist du zu Besuch hier oder übernimmst du die Polizeistation?“, fragte Hermsen. „Weder noch Klaus, ich will mich hierher versetzen lassen und arbeite jetzt erstmal hier mit Sabine zusammen.“ „Ihr zwei? Wieder zusammen? Wie schön. Hat ja auch lange genug gedauert“, grinste Hermsen mit einem Augenzwinkern. „Ne, so auch nicht. Ich bin ja auch noch verheiratet, von daher würde das ja auch nicht gehen“, nuschelte Heller undeutlich. „Macht ja nichts. Schön, dass du hier bist. Setz Dich. Willst du ein Bier?“ Heller zögerte etwas mit der Antwort. Immerhin wohnte er bei seiner Mutter und konnte unmöglich mit einer Bierfahne, geschweige denn angetrunken nach Hause kommen, warf dann aber seine Bedenken über Bord, nahm am Tresen Platz und bestellte ein Bier, das ihm ohne langes Zögern gezapft wurde. „Der Steffen ist wieder da“, lachte Kneipenklaus noch ein paar Mal und Steffen Heller umwehte nicht nur der Qualm der Zigaretten, sondern auch ein leises und gutes Gefühl. Er fühlte sich wohl. Während er am Tresen saß und die Sonne langsam unterging, nahm am Innenhafen von Husum, mit Blick auf die Weite, ein Hund auf der Kaimauer Platz. Herr Hansen, grau und beschnauzbärtet, saß da, beobachtet, wie die Möwen in die untergehende Sonne flogen, sich der Himmel langsam rot färbte und die ganze Stadt in ein warmes Licht tauchte. Wo auf dieser Welt, konnte ein Hund besser leben als hier? Es wurde langsam dunkler und leiser in der grauen, bunten Stadt am Meer, in der jeder, egal was er tat, dachte oder trank, ein schönes Zuhause hatte. Als Steffen Heller am nächsten Morgen das Büro betrat, strahlte ihn Sabine in einer für ihn sehr befremdlichen und durchdringenden Art an. Zum Glück trug er seine Sonnenbrille. „Na Steffen, gut geschlafen?“ fragte sie freudig erregt. „Jo, das ging wohl und selbst?“ grummelte er zurück. „Alles gut, mein Bester“, sinnierte sie über einen frischen Stapel Papiere gebeugt. „Ich habe hier gerade was gefunden, was uns vielleicht weiterbringt. Der Pingel hatte nicht nur Pferde und Landbesitz, der hat auch Geld verliehen und das in rauen Mengen. Nicht mal eben, um ein Auto zu kaufen, sondern eher eine kleine Fabrik. Wir müssen uns mit seinem Steuerberater treffen und auf eine Erklärung hoffen. Ich warte noch auf einen Gerichtsbeschluss, damit wir für jeden Fall ein Druckmittel haben.“ „Geldverleiher mochte ich noch nie“, gab Steffen zurück und in diesem Moment, kam unerwartet der Geschmack seines letzten Bieres vom Abend zuvor hoch. Er schluckte und verzog sein Gesicht. „Soll ich denn nachher mal nach St. Peter fahren? Zu Pingels Partner?“ fragte Heller?. „Das mach mal und fühl dem ein bisschen auf den Zahn. Vielleicht verplappert er sich, oder bringt unbewusst ein neues Detail ins Spiel.“ Sabine unterbrach ihren Satz, schrieb etwas auf einen kleinen Zettel und reichte ihn Steffen Heller mit den Worten: „Das hier ist die Adresse. Brauchst du einen Wagen, oder hast du einen hier?“ Sie blinzelte ihn an und erkannte an Steffens Miene, dass er einen Dienstwagen brauchte. Sie kramte in der Schublade, zog einen Schlüssel hervor und reichte ihn über den Stapel Papier und den Schreibtisch in Richtung Heller. Der griff zu. „Steht hinten auf dem Hof. Ein Fiat“, flüsterte sie, als sei es ein Geheimnis oder ihr unangenehm, einen Fiat als Dienstwagen anbieten zu müssen. Heller entschied sich für das unangenehm, als er den Hof betrat und den Fiat sah, der dort auf ihn wartete. Ein weißer Fiat 126p. Die Miniausgabe eines Kleinwagens. Er stand da und war ganz offensichtlich nicht nur schon im Katalog vor sich hingerostet, sondern auch die letzten Jahrzehnte auf dem Hinterhof der Polizei. „Spitze“, stöhnte Heller vor sich hin und steckte sich zur Beruhigung eine Zigarette an. Wenn das jetzt sein Dienstwagen war, dann war es auch ein Raucherauto. Ganz klar und ohne Frage. Er steckte den Schlüssel in das Schloss und die Tür öffnete sich knarrend und etwas zögerlich. Ein Abbild der Norddeutschen, wie er fand und musste grinsen. Mit einem: „Ja, so seit ihr“, schwang er sich in die automobile Enge, stellte den Fahrersitz und den...