Ione Demonica - Entfesselt
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-8025-8545-6
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 02, 432 Seiten
Reihe: Demonica-Reihe
ISBN: 978-3-8025-8545-6
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Der attraktive Dämon Shade hat Runa Wagner das Herz gebrochen. Seither sinnt sie auf Rache. Da werden Shade und Runa von Unbekannten entführt und gemeinsam in eine Zelle gesperrt. Die unerwartete Nähe lässt die Gefühle zwischen den beiden wieder auflodern. Doch wie einst wagt Shade es nicht, sich Runa ganz hinzugeben. Er fürchtet, dadurch einen alten Fluch auszulösen, der auf ihm lastet. Können sich Shade und Runa aus dem Gefängnis befreien und den Fluch aufheben?
Mit der Demonica-Serie gelang Larissa Ione der große internationale Durchbruch. Zu ihren Lieblingsautoren gehören Stephen King, Robert Jordan und Marion Zimmer Bradley.
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Prolog
Vor drei Jahren …
»Er ist hinüber. Hören wir auf.«
Shade ignorierte seine Partnerin und presste den Brustkorb des Gestaltwandlers weiter in regelmäßigen Abständen zusammen. Jedes Mal knirschten gebrochene Rippen unter seinen Handflächen.
Eins-eintausend, pressen, zwei-eintausend, pressen. Shades eigenes Herz klopfte wild und schien genug Blut durch seine Adern zu pumpen, um den lavabetriebenen thermalen Generator des Underworld General anzutreiben, doch auf das Herz des Patienten sprang kein Funke über. Drei-eintausend, pressen. Nachdem er jetzt schon Gott weiß wie lange in der Blutlache neben seinem Patienten kniete, schmerzte Shades Oberschenkelmuskulatur höllisch. Vier-eintausend, pressen.
Ein Prickeln breitete sich über dem Dermoire aus, das seinen Arm von der rechten Schulter bis zur Hand überzog, während er seine besondere Gabe dazu einsetzte, das Herz des Patienten wieder zum Schlagen zu bringen.
»Hör schon auf, Shade.« Skulk, Shades Halbschwester, Sanitäterin und seine Partnerin im Rettungswagen, legte ihm die zierliche graue Hand auf den Arm. »Wir haben getan, was wir konnten.«
Das Wissen, dass Skulk recht hatte, machte es auch nicht leichter aufzugeben, und Shade hatte nicht einmal mehr genug Atem in den Lungen, um darüber zu fluchen. Keuchend stellte er seine Wiederbelebungsversuche ein und hockte sich auf dem mit Dreck übersäten Boden der verlassenen Brauerei auf die Fersen. Von der Anstrengung zitterten ihm die Arme, und das Stethoskop fühlte sich wie ein Mühlstein um seinen Hals an.
Mit knirschenden Zähnen blickte er in die glasigen Augen des verstorbenen Patienten. Das Opfer war praktisch noch ein Kind. Höchstens vierzehn. Er hatte vermutlich gerade erst gelernt, wie er sich aus seiner menschlichen Gestalt in die Spezies verwandelte, der seine Familie angehörte. Das verräterische Geburtsmal eines wahren Wandlers, ein rotes, sternförmiges Mal hinter dem linken Ohr, schien noch nicht einmal vollständig ausgeformt zu sein.
»Das ist doch Scheiße«, murmelte Shade. Er stand auf. Neben ihnen standen die beiden Falschen Engel, die das Krankenhaus informiert hatten; ihr liebreizendes, jungfräuliches Erscheinungsbild stand in seltsamem Kontrast zu dem unheilvollen Glitzern in ihren Augen.
»Ihr habt nicht gesehen, wer ihn hier abgeladen hat?«, fragte er.
Einer der Hochstapler-Engel schüttelte den Kopf, sodass ihr goldenes Haar wispernd über den Stoff ihres weißen Gewands strich. »Er lag einfach nur da. Friedlich.«
»Auf dich macht er also einen friedlichen Eindruck? Wo ihm die Hälfte seiner Organe fehlt?«
Der andere Falsche Engel lächelte. »Was sind wir heute wieder empfindlich.« Ihr Finger glitt aufreizend über den tiefen Ausschnitt ihres Gewands, das kein wahrer Engel tragen würde. »Wie wäre es, wenn wir dir helfen, dich ein bisschen zu entspannen, Inkubus?«
»Ja«, schnurrte die andere. »Männer in Uniform haben mir schon immer gefallen.«
Der erste Falsche Engel nickte. »Veragoth treibt sich einfach zu gern auf Polizeirevieren herum.«
»Mmm …« Der Engel mit dem Namen Veragoth wickelte sich eine Haarsträhne um den Finger und ließ einen gierigen Blick über Shade gleiten, vom Gesicht bis zu seinen Füßen. »Aber so langsam glaube ich, dass ich mich vielleicht doch lieber an euch Sanitäter halten sollte.«
O ja, seine schwarze Uniform im Stil eines Kampfanzugs machte alle Frauen heiß, sogar wenn er gerade mal nicht die Fick-mich-Pheromone ausströmte, die zur Standardausrüstung eines Seminus-Dämons gehörten. Ausnahmsweise verspürte Shade allerdings nicht die geringste Lust, sich in Gegenwart zweier bezaubernder Frauen auszuziehen. Er war erschöpft, wütend und hatte die Nase gestrichen voll von dieser neuen Welle von Verstümmelungen an Dämonen. Das Schlimmste daran war, dass es so ziemlich allen am Arsch vorbeiging, dass irgendjemand Dämonen wegen ihrer Organe ausschlachtete, die dann auf dem Schwarzmarkt der Unterwelt verhökert wurden. So was hatte es schon immer gegeben, doch das interessierte kaum jemanden.
Shade schon.
Er war der Idiot, der dann an den Tatort gerufen wurde, auch wenn es ihm nur in den seltensten Fällen gelang, den Tod des Opfers zu verhindern. Die meisten waren zu schwer verletzt. Oder bereits tot.
Skulk steckte ihr Funkgerät wieder ins Holster und durchwühlte die Notfalltasche auf der Suche nach einem neuen Paar Handschuhe. »Da sich Wandler über der Erde nicht zersetzen, will Doc E die Leiche haben. Dann lass uns mal zusammenpacken. Hier sind wir fertig.«
Hier sind wir fertig. In letzter Zeit endeten einfach zu viele Notrufe mit diesem Satz.
Laut fluchend half Shade Skulk dabei, die Leiche des Jungen auf die Bahre zu laden und zum Krankenwagen zu rollen. Ihr schwarzer Rettungswagen – einer von zweien, über die das Underworld General Hospital verfügte – wurde von einem Zauber geschützt, der ihn für menschliche Augen unsichtbar machte, aber hier war dieser Deckmantel überflüssig. Sie befanden sich in einem ruhigen Teil von New York City, einem ehemaligen Industriegebiet, das zur Zeit der Prohibition aufgegeben worden war und sich erst langsam zu einem Wohngebiet entwickelte.
»Auf geht’s«, sagte Shade und knallte die Hecktüren des Wagens zu.
Da Skulk mit Fahren dran war, schwang sich Shade auf den Beifahrersitz, steckte sich ein Kaugummi in den Mund und konzentrierte sich darauf, das benötigte Formular auszufüllen.
Hauptbeschwerde des Patienten? Tod infolge von Organentfernung.
Reaktion des Patienten auf die Behandlung? Ist immer noch tot, verdammte Scheiße.
»So ein Mist!« Shade schleuderte den Stift gegen das Armaturenbrett. »Das geht mir so was von auf den –« Er verstummte, als ihn plötzlich ein Grummeln tief in seinem Inneren erschütterte, ein Erdbeben mitten in seiner Seele. Vom Epizentrum ausgehend, verbreitete es sich durch seinen ganzen Körper, bis ihn ein Tsunami grauenhafter Qualen gegen die Rückenlehne seines Sitzes warf.
»Shade? Was ist los? Shade?« Skulk rüttelte an seinen Schultern, was er allerdings kaum mitbekam. Er riss die Tür auf, dankbar, dass sie noch nicht losgefahren waren, und stürzte aus dem Fahrzeug.
Seine Knie trafen mit einem Krachen auf das Pflaster, das er sogar durch das Rauschen des Bluts in seinen Ohren hörte. Tief vornübergebeugt, hielt er sich die Arme vor den Leib. Ihm wurde schwarz vor Augen. Dann verschlang die Schwärze auch sein Gehirn. Einer seiner Brüder war tot. Wer? O ihr Götter, wer?
Er sandte seine Gedanken aus, um mit Wraith Verbindung aufzunehmen, dem Bruder, der gar nicht unterschiedlicher hätte sein können, mit dem ihn aber eine einzigartige Beziehung verband. Nichts. Er konnte Wraith nicht fühlen. Noch während er um jeden Atemzug kämpfte, suchte er nach der schwächeren Verbindung zu Eidolon. Wieder nichts. Auch Roag konnte er nicht spüren.
Im Hintergrund hörte er Skulk per Handy mit Solice sprechen, der diensthabenden Triageschwester im Krankenhaus. »Wo sind Shades Brüder? Ich muss es wissen. Sofort!«
»Skulk«, keuchte er.
Sie kniete sich neben ihn. »Halt durch.« Dann lauschte sie einen Augenblick auf die Stimme im Telefon. »Okay, Solice sagt, Roag ist ins Brimstone gegangen. Sie ist ziemlich sauer, weil er sie nicht mitnehmen wollte, aber sie macht sich gerade fertig, um auch hinzugehen. Sie weiß nicht, wo E und Wraith sind. Sie wollten Roag jedenfalls nicht begleiten.«
Kein Wunder. Kein Seminus, der halbwegs bei Verstand war, würde einen Dämonenpub betreten, in dem ihn die Lust der weiblichen Gäste tagelang gefangen halten konnte – schlimmer noch: Der Tod konnte ihn ereilen, zum Beispiel durch die Klauen eines eifersüchtigen männlichen Dämons.
Shade stöhnte und schluckte aufsteigende Galle. Nach und nach durchdrang ein Funken Licht die Dunkelheit. Wraith. Er spürte Wraiths Lebenskraft. Den Göttern sei Dank. Vor Erleichterung entspannten sich seine verkrampften Schultern, wenn auch nur eine Sekunde lang. Er konnte Eidolon nicht fühlen. Blindlings streckte er die Hand aus, als könnte er seinen Bruder berühren. Skulk ergriff seinen Arm und verschränkte ihre Finger mit den seinen.
»Atme, Schattenbleich«, flüsterte sie seinen Kosenamen aus Kindheitstagen, den sie ihm vor über achtzig Jahren gegeben hatte. »Wir stehen das durch.«
Nicht, wenn E tot war. Scheiße, er war der Bruder, der sich um sie alle kümmerte, der dafür sorgte, dass Roag nicht aus der Reihe tanzte, der Wraith am Leben erhielt.
Ein Bewusstsein durchdrang ihn. Eidolon. Er war in Sicherheit.
Langsam ließen die höllischen Qualen nach; doch eine nagende, schmerzliche Leere bohrte ein weiteres Loch in Shades Seele. Seminus-Dämonen waren mit all ihren Brüdern verbunden, und wenn einer von ihnen starb, nahm er einen Teil seiner überlebenden Brüder mit sich. Siebenunddreißig Tode später fühlte sich Skulk wie ein Sieb.
»Wer war...




