Indriðason | Duell | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 430 Seiten

Indriðason Duell

Island Krimi
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-8387-4497-1
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Island Krimi

E-Book, Deutsch, 430 Seiten

ISBN: 978-3-8387-4497-1
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Reykjavík 1972, der russische Schachweltmeister Boris Spasski tritt mitten im Kalten Krieg gegen seinen amerikanischen Herausforderer Bobby Fischer an. In der aufgeheizten Stimmung wird ein Jugendlicher in einem Reykjavíker Kino brutal erschlagen. Warum bloß ermordet jemand einen Fünfzehnjährigen? Der Junge schien doch nur die Tonspur eines Films aufnehmen zu wollen ... Die Leitung der Ermittlung in diesem brisanten Fall, der nicht nur am Rande auch das Geschehen auf dem Schachbrett berührt, liegt in den Händen von Marian Briem, bereits bekannt aus den bisherigen Indriðason-Krimis. Der Beginn einer neuen Krimiserie von Arnaldur Indriðason, Islands erfolgreichstem Krimiautor.

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Eins Erst als nach Ende des Films das Licht wieder angegangen war und alle Besucher das Kino verlassen hatten, fand der Platzanweiser die Leiche. Es geschah in einer Fünfuhrvorstellung mitten in der Woche. Die Kinokasse hatte wie gewöhnlich eine Stunde vor der Vorstellung aufgemacht, und der Junge hatte sich als Erster eine Karte gekauft. Die Frau an der Kasse hatte ihn kaum wahrgenommen. Sie war um die dreißig und trug ein blaues Seidenband im toupierten Haar. Ihre Zigarette qualmte in einem kleinen Aschenbecher vor sich hin. Sie hatte sich in eine dänische Illustrierte vertieft und kaum hochgeschaut, als er vor der Glasscheibe auftauchte. »Eine Karte?«, fragte sie, und der Junge nickte. Die Frau reichte ihm die Karte und das Wechselgeld. Das Programmheft schenkte sie ihm. Dann setzte sie ihre Lektüre fort, und er steckte das Wechselgeld in die eine Hosentasche, die Eintrittskarte in die andere und ging wieder nach draußen. Am liebsten ging er allein ins Kino, und zwar in die Fünfuhrvorstellung. Er kaufte sich immer eine Tüte Popcorn und dazu eine Flasche Limo. Er hatte einen Stammplatz in diesem Kino, genau wie in allen anderen Filmtheatern der Stadt. So wie die Kinos sich voneinander unterschieden, hatte er auch in jedem einen anderen Lieblingsplatz. Im Háskólabíó wollte er immer ziemlich weit links oben sitzen, denn es war bei weitem das größte Kino mit der größten Leinwand in der Stadt. Er saß dann gerne weiter von der Leinwand weg, damit ihm keine Details entgingen. Mit einer gewissen Entfernung zwischen sich und der Leinwand fühlte er sich auch sicherer, denn Filme konnten so sehr unter die Haut gehen, dass man sich völlig überwältigt fühlte. Im Nýja bíó setzte er sich immer auf einen Platz in der kurzen Bank im oberen Parkett direkt am Gang. Im Gamla bíó hingegen befand sich sein Lieblingsplatz im mittleren Parkett. Wenn er ins Austurbæjarbíó ging, saß er immer rechts, drei Reihen unterhalb des Eingangs. Im Tónabíó war die Reihe beim Eingang am besten, wo er die Beine ausstrecken konnte und die Leinwand in sicherer Entfernung war. Das Gleiche galt für das Laugarásbíó. Im Hafnarbíó, dem Kino am Hafen, verhielt es sich etwas anders als in den anderen Kinos, und es hatte lange gedauert, bis er den richtigen Platz gefunden hatte. Es war das kleinste Kino von allen und von der Einrichtung her auch das schlichteste. Zunächst kam man in ein nicht sehr großes Foyer, in dem sich ein kleiner Stand mit Süßigkeiten befand. Rechts und links daneben waren die Eingangstüren zum Kinosaal. Der Saal selbst erstreckte sich schmal und lang unter einem Tonnengewölbe, das von einer Militärbaracke aus den Kriegsjahren stammte. Auf beiden Seiten der Sitzreihen befanden sich die Gänge, die zu den Ausgängen rechts und links neben der Leinwand führten. Einige Male hatte er ziemlich weit oben links gesessen, nur ein paar Plätze vom Gang entfernt, manchmal auch links direkt am Gang, bis er schließlich seinen festen Platz weiter hinten rechts gefunden hatte. Es war noch etwas Zeit bis zum Beginn der Vorstellung, und er ging über die Skúlagata hinunter zum Meer, wo er sich auf einen großen, von der Sonne beschienenen Felsbrocken setzte. Er trug ein grünes Blouson und einen weißen Schal, und er hatte eine Schultasche dabei, in der sich ein relativ neuer Kassettenrekorder befand. Er nahm den Apparat heraus und platzierte ihn auf seinen Knien. Er hatte zwei Kassetten dabei, von denen er eine in das Gerät schob. Dann drückte er auf den roten Aufnahmeknopf und hielt das Mikrofon in Richtung Meer. Kurze Zeit später stoppte er die Aufnahme, spulte zurück, drückte auf Play und lauschte dem Geplätscher der Wellen. Er spulte ein weiteres Mal zurück. Die Probeaufnahme war beendet. Das Gerät war startklar. Er hatte die Kassetten bereits mit dem Namen des Films beschriftet. Den Rekorder hatte er vor mehr als einem Jahr zum Geburtstag geschenkt bekommen. Zunächst hatte er gar nicht gewusst, was er damit anfangen sollte. Er lernte aber schnell, ihn zu bedienen. Es war ja auch kinderleicht: aufnehmen und abspielen, vorwärts und rückwärts spulen, schnell oder langsam. Anfangs hatte er es witzig gefunden, seine eigene Stimme zu hören, so als käme sie aus einem Radio, aber das verlor schnell seinen Reiz. Er hatte sich Musikkassetten gekauft, unter anderem aus der Serie Top of the Pops der britischen Hitliste. Und eine Kassette mit Simon und Garfunkel. Da seine Eltern aber einen Plattenspieler besaßen, aus dessen Boxen alles viel besser klang, spielte er Musik lieber auf dem Plattenspieler. Er schnitt die Hitparade des isländischen Rundfunks mit, an anderen Sendungen hatte er kein Interesse. Er wollte gerne etwas Spannenderes aufnehmen, aber nachdem er alle möglichen Laute von sich selber aufgezeichnet und seine Eltern und die Nachbarn aus dem Block interviewt hatte, machte ihm das Gerät keinen Spaß mehr, und es verschwand in einer Schublade. Bis er die Idee hatte, den Rekorder zu einem ganz anderen Zweck zu verwenden. Was Spielfilme anging, war er sozusagen ein Allesfresser, ihm gefiel alles, und in jedem Film fand er etwas Interessantes, was den Preis für die Eintrittskarte wert war. Das Genre spielte keine Rolle, er mochte sowohl aufwendige Musical-Verfilmungen vor großartigen Kulissen mit unerhört gut aussehenden Stars als auch Western, die in vegetationslosen Wüsten spielten, in denen die Darsteller die Augen gegen die Sonne zusammenkniffen. Er interessierte sich aber auch für Filme, die in der Zukunft spielten, egal, ob in ihnen die Menschheit in einer atomaren Katastrophe ausgelöscht wurde oder irgendwelche Raumschiffe durch das schwarze All glitten, von nichts als der Fantasie angetrieben. All das drang durch seine im Dunkel des Kinos glänzenden Augen in ihn ein. Und auch der Ton der Filme faszinierte ihn. Er konnte der Geräuschkulisse einer Großstadt lauschen, dem Stimmengewirr von Menschen, der Landung eines Düsenjets, knallenden Schüssen, Musik und Gesprächen. Einige Geräusche kamen aus längst vergangenen Zeiten, andere aus noch nicht erreichten. Manchmal war der Lärm ohrenbetäubend, ein anderes Mal schrie ihn die Stille förmlich an. Und so war ihm die Idee für eine neue Verwendungsmöglichkeit des Rekorders gekommen. Er konnte nicht den ganzen Film mitschneiden, aber er konnte den Ton aufnehmen und später den Film vor seinem inneren Auge noch einmal ablaufen lassen. Das hatte er schon einige Male getan, und er besaß bereits Tonmitschnitte von diversen Filmen. Eine Viertelstunde vor der Vorführung öffnete der Platzanweiser die Tür und riss die Karte des Jungen ab. Ein junges Mädchen verkaufte am Kiosk im Foyer Süßigkeiten, doch bevor er zu ihr ging, sah er sich noch die Plakate mit den Filmen an, die demnächst gezeigt werden sollten. Auf einen wartete er besonders gespannt, Little Big Man mit Dustin Hoffman in der Hauptrolle, einem seiner Lieblingsschauspieler. Angeblich sollte es ein ungewöhnlicher Western sein, und er freute sich schon sehr auf den Film. Der Filmvorführer schäkerte mit dem Mädchen, das die Süßigkeiten verkaufte. An der Kinokasse hatte sich inzwischen eine kleine Schlange gebildet. Der Junge stellte seine Schultasche auf den Boden und holte das Wechselgeld von der Kinokarte aus der Hosentasche, von dem er sich Popcorn und Limo kaufte. Er ging zu seinem Platz und setzte sich. Wie immer hatte er Popcorn und Limo schon auf, bevor der Film anfing. Er stellte den Rekorder auf den Sitz neben sich und befestigte das Mikrofon an der Lehne des Sitzes vor ihm. Er kontrollierte noch einmal, dass die Kassette eingelegt und der Rekorder aufnahmebereit war. Die Lichter im Saal gingen aus. Er nahm immer alles auf, auch die Vorschau. Der Film, der gezeigt werden sollte, war ein Western mit Gregory Peck, einem Schauspieler, den er sehr mochte. The Stalking Moon verkündete das Plakat im Eingangsbereich, und er war entschlossen, nach der Vorführung zu fragen, ob er ein Plakat bekommen könne. Vielleicht würden sie ihm auch ein paar Fotos überlassen, denn die sammelte er. Die Leinwand belebte sich. Er hoffte, dass in der Vorschau kurze Ausschnitte aus Little Big Man gezeigt würden. Die Fünfuhrvorstellung war schon geraume Zeit vorbei, als der Platzanweiser den Kinosaal betrat. Er war spät dran, denn er hatte für die Frau an der Kinokasse einspringen müssen, sie taten sich manchmal gegenseitig einen Gefallen. Zur Siebenuhrvorstellung waren ungewöhnlich viele Leute erschienen, und vor der Kasse hatte sich eine längere Schlange gebildet. Währenddessen konnte er niemanden in den Saal einlassen, also kontrollierte das Mädchen vom Kiosk die Karten. Sobald sich die Gelegenheit bot, beeilte er sich, in den Kinosaal zu kommen. Er musste die Türen am Ausgang für die Kinogäste öffnen und wieder schließen, damit niemand einfach sitzen blieb, um sich in die nächste Vorstellung zu schummeln, oder durch einen der Ausgänge hereinkam. Wie immer, wenn er sich verspätete, hatten die Kinobesucher bereits selbst die Türen geöffnet. Also ging er den Gang hinunter und schloss erst die rechte Tür, dann durchquerte er den Raum und machte auch die linke Tür zu. Die Siebenuhrvorstellung würde gleich beginnen, und die Besucher warteten ungeduldig darauf, in den Saal gelassen zu werden. Auf dem Weg zurück ins Foyer ließ der Platzanweiser seinen prüfenden Blick über die Reihen schweifen. Im Halbdunkel des Raums sah er, dass offensichtlich jemand nach der Vorstellung nicht gegangen war. Der Junge mit der Schultasche saß immer noch auf seinem Platz, war aber irgendwie auf den Sitz neben ihm gesunken, weshalb er kaum zu sehen gewesen war. Er schlief anscheinend fest. Der Platzanweiser kannte ihn vom Sehen, genau wie die...



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