E-Book, Deutsch, 452 Seiten
ISBN: 978-3-7431-0838-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Felix Huber ist in zweiter Ehe verheiratet, 64 Jahre alt, wohnt in Brücken, im schönen westpfälzer Bergland, ist Rentner und hat zwei erwachsene Kinder aus erster Ehe. Literarisch aktiv wurde er erst 2015, seine erste Veröffentlichung war der Kurzkrimi 'Flieg Helmut flieg', 2016 erschienen im Paashaas Verlag. felix.huber@hit-info.net
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2. Max und Erwin
Als er ankam traf er Marta, Erwins Haushälterin, Lebensgefährtin oder was auch immer, Max war sich darüber noch nicht ganz im Klaren, seine Fantasie lieferte ihm da manchmal die seltsamsten Eingebungen, am Hauseingang. Sie kam offensichtlich vom Einkaufen. Max bot sich an den Korb mit den Lebensmitteln zu nehmen, aber sie winkte nur ab und schloß auf. Aus dem Wohnzimmer dröhnte ihnen der Fernseher entgegen. Sie traten ein und schauten sich um, von Erwin keine Spur. Marta rief, aber es rührte sich nichts. Da öffnete sich die Kellertür und Erwin kam mit einer Flasche Bordeaux, laut rufend auf sie zu: Ja, ja, was ist denn, was soll der Krach!! Marta, warum schreist Du hier so rum? Senor Max ist da und der Fernseher ist so laut. Ja, ist ja gut, gehe in die Küche und bereite das Essen vor. Ist der alte Gauner jetzt endlich wieder aufgetaucht, stellte er in mürrischem Ton, mit Marta in die Küche gehend, fest. Max fand dabei erst einmal keine Beachtung, so als wäre dieser gar nicht anwesend, wie Luft. Er nahm es gelassen und ordnete es als kleine Trotzdemo ein, er kannte das von Erwin. Der stellte die Flasche in der Küche ab, trat dann wortlos, mit ernstem Blick, auf ihn zu und legte ihm die rechte Hand auf die Schulter. Sag mal, mein Freund, wieso vereinbaren wir eigentlich Termine, wenn Du sie doch nie einhälst? Wir hatten den Donnerstag festgelegt, aber die letzten 3 Wochen war kein Max zu sehen oder irre ich mich da, hä? Musste er dringende Geschäfte erledigen, womöglich eine feine Dame ausführen die ich nicht kenne? Erwin grinste spitzbübisch. Oder hat er im Lotto gewonnen und war auf den Malediven, Fischlein gucken? Aber schön verkleidet hat er sich wieder, denn das Dress kenne ich nur zu gut, stellte Erwin fest, dabei einen Schritt zurücktretend und Max von oben bis unten taxierend. Also, nächstens mehr Disziplin, ich bitte darum. Und schließlich gibt es auch noch Telefon, Brieftauben sind bekanntlich abgeschafft. Dann hob er die Hand und sagte in bestimmendem, warnendem Ton: Komme er mir nicht mit Ausreden, ich will davon gar nichts hören. Max hielt ihm den mitgebrachten Wein hin und entgegnete nur knapp, auf Erwins Bemerkungen nicht eingehend: Heute wieder nur vom Besten. Aha, sehr interessant, bemerkte Erwin schmunzelnd, dabei das Etikett studierend. Ein exzellenter, echter Karstwälder Hirschpiss, gegen die Verkalkung, das Vergessen, die Demenz, speziell für dich, erklärte Max schelmisch grinsend und deutete dabei mit dem rechten Zeigefinger an seine Schläfe. Aber bestimmt auch bestens zum Einreiben bei Ischias geeignet, mein Lieber, entgegnete Erwin lachend und zeigte auf sein rechtes Hinterteil. Erste Gerüche aus der Küche krochen Max in die Nase. Aha, Marta ist anscheinend mit der Suppe fertig, sicher hatte sie schon Alles vorbereitet und wohl auch seinen Besuch einkalkuliert, registrierte er erwartungsvoll. Es gab immer eine Suppe vor dem Essen, Erwin war absoluter Suppen-Narr. Diesmal roch es arg nach Curry. Denke dran, daß wir jetzt einen hungrigen Wolf im Hause haben, also ein Gedeck mehr, rief ihr Erwin zu, wohl um sicher zu gehen, daß Marta auch wirklich genug auf den Tisch bringen würde. Sie hat heute leider wieder keinen Kaviar gekriegt, also gibt es nur Hausmannskost, aber es riecht doch wieder fantastisch, gelle mein Lieber! Marta hatte noch nie Kaviar gekriegt, deshalb war Max sich auch diesmal nicht sicher ob ihn Erwin verarschen wollte oder es tatsächlich so war. Letztlich war Max das aber auch egal, es gab eh immer ein gutes Essen, nicht immer ausgezeichnet, aber fast, immer mindestens gut. Ja, antwortete Max und hob dabei demonstrativ den Kopf, den Küchenduft einsaugend. Es riecht lecker, ich bin gespannt. Sie gingen in's Wohnzimmer und Erwin machte es sich in seinem Sessel gemütlich. Das Einzige was jetzt zu hören war kam aus der Küche, die Töne waren leise und unaufdringlich, den Fernseher hatte Marta direkt nach ihrem Eintreffen abgestellt. Max blieb noch einen Moment stehen, dann ging er auf und ab, dabei sich neugierig umsehend. Erwin ließ ihn gewähren und sah ihm seinen suchenden Blicken hinterher. Komm setz dich zu mir, das rumgetrippel macht mich nur nervös. Erwin deutete dabei auf den Sessel neben ihm und Max folgte seiner Aufforderung. Was nehmen wir denn heute als Apero, ich denke wir nehmen mal einen Metaxa oder willst du lieber einen Ouzo, was wäre denn meinem alten Süffelkamerad heute genehm? Nein danke, heute keinen Apero, versuchte Max abzulehnen, dabei demonstrativ müde abwinkend, ich habe morgen noch einen schweren Tag. Aber Erwin hatte schon eingegossen, seinen Einwand einfach ignoriert und sagte: Also ein Ouzo, das muss sein! Ein Willkommenstrunk für den verlorenen Sohn, das bist du mir schuldig mein Freundchen. Erwin hob das Glas zum Anstoßen und Max konnte sich jetzt nicht entziehen, das war klar. Mitten in ihrem Ritual wurden sie durch Marta unterbrochen, die aus der Küche rief: Senor, nur noch 5 Minuten, Suppe dann fertig. Na, Maxi, dann lass uns schnell das kleine Schlückchen Teufelswasser, viel mehr ist es ja eh nicht, zu uns nehmen, bevor wir uns Martas Festmahl zuwenden und Eines sage ich dir, wenn Du schlechte Nachrichten hast, dann behalt sie bis nach dem Essen für dich, vorher will ich nichts hören, ist das klar? Ich sehe dir doch an, dass es in dir rumort und raus will. Lass uns beim Essen über Frauen, Musik, das Fernsehprogramm oder sonst was reden, Hauptsache irgendetwas Belangloses, meinetwegen auch Blödsinniges, wie Fußball, danach kannst du dich meinetwegen auskotzen. Sie tranken in einem Zug leer und stellten die Gläser ab. Eine ziemlich klare Ansage war das, so wie er es von Erwin gewohnt war, frei raus und ohne Rücksicht auf Verluste. Max fügte sich widerspruchslos, der Ablauf war so auch in seinem Sinne, sie würden noch genug Zeit haben um Max's Problemfelder zu beackern. Wie du willst, dann lass uns über die Beatles plaudern, du könntest dazu ein paar frühe Aufnahmen auflegen, schlug er deshalb vor. Erwin schaute ihn ungläubig an. Aber doch nicht zum Essen mein Guter, das passt doch überhaupt nicht. Bei frühen Aufnahmen wie 'I wanna hold your hand oder dizzy miss lizzy' fällt einem doch das Ohr ab. Was hat dieser Mensch nur für einen Geschmack, wie halte ich das mit diesem Kerl überhaupt schon so lange aus? Entsetzte sich Erwin, dabei wild mit den Händen durch die Luft fuchtelnd. Nein, da brauchen wir was Anderes, ein paar schöne melodische Jazzstücke, ich werde mal schauen. Du bist und bleibst ein Barbar, lernst einfach nichts dazu, es ist zum Verzweifeln. Kopfschüttelnd ging Erwin zu seiner Plattensammlung und wühlte. Da haben wir's doch, das ist das Richtige. Er hielt eine Platte hoch, als wollte er sie der Sonne zeigen und legte dann auf. In Jazz war Max nicht so bewandert, er ließ es über sich ergehen, aber er vermutete, der Trompete nach zu urteilen, daß es sich um eine Scheibe von Miles Davis handelte. Er wollte Erwin auch nicht befragen, das hätte nur einen längeren Monolog über Max's erbärmliche musikalische Jazzkenntnisse nach sich gezogen, das hatte er bereits oft genug erlebt. Diese Vorlage wollte Max zumindest heute vermeiden. Und noch etwas Anderes wollte er heute auch unbedingt vermeiden, nämlich zeit- und alkoholmässig über die Strenge zu schlagen, er hatte sich unbedingte Zurückhaltung auferlegt. Zu dumm auch, daß er diesen Geburtstag vor sich hatte, aber es würde ja noch weitere Treffen geben und es war vielleicht ganz gut sich selbst zu beweisen, daß es auch mal normal ablaufen konnte, ohne ausuferndes Sauf- und Fressgelage, sagte er sich, allerdings nicht ohne eine gehörige Portion Wehmut. Das Essen war durchschnittlich, so zumindest empfand es Max, der Fisch war jedenfalls schon mal besser. Das Tisch-Gespräch verlief wie gewünscht belanglos und glitt nicht in Problemthemen ab, obwohl sie manchmal fast hinein geschlingert wären. Besonders als es über die Musik in die 60er-Jahre ging und sie auf die Studentenrevolte zu sprechen kamen, wieder einmal. Erwin präsentierte sich gerne in seiner Rolle als Revoluzzer, war aber in Wirklichkeit nie richtig dabei gewesen, da einfach zu feige und zu faul. Dann zitierte er immer wieder die Slogans, wie z.B. ‚Unter den Talaren Muff von 1000 Jahren‘, mit einer fast schon stolzen Attitüde, so als ob er sie erfunden hätte. Da war man dann doch schon gefährlich Nahe mit der Politik beschäftigt, einem Lieblingsereiferungsthema von Erwin. Zum Glück gelang es aber Max geschickt wieder davon abzulenken. Ihm fiel eine Anekdote ein, mit der er Erwin ein bisschen ärgern, zumindest kitzeln, konnte. Warum nicht? dachte Max, wer austeilt muß auch einstecken können. Und Erwins Arroganz etwas stutzen, ihm ab und an einen kleinen Seitenhieb für seine Frechheiten zu verpassen, das musste von Zeit zu Zeit einfach sein. Mein Guter, wenn wir schon bei den alten Zeiten sind, wie war das denn damals, als wir diesen fürchterlichen Suff mit Rüdiger und Michael im ‚Gasthaus Sommer‘ gemacht und du...