Horváth | Geschichten aus dem Wiener Wald. Volksstück | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 248 Seiten

Reihe: Reclams Universal-Bibliothek

Horváth Geschichten aus dem Wiener Wald. Volksstück

Textausgabe mit editorischer Notiz, Anmerkungen/Worterklärungen, Literaturhinweisen und Nachwort - Horváth, Ödön von - 18613

E-Book, Deutsch, 248 Seiten

Reihe: Reclams Universal-Bibliothek

ISBN: 978-3-15-960927-0
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



In Zusammenarbeit mit dem Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek, an dem zur Zeit die neue historisch-kritische Ausgabe entsteht, erscheinen Horváths wichtigste Werke jetzt in der 'Universal-Bibliothek' - in einer anhand der Originale revidierten, verlässlichen Textgestalt, zusammen mit den wichtigsten Vorstufen und Entwürfen und einem Kommentar auf neuestem Forschungsstand. Das 1931 uraufgeführte Stück um Marianne, den Fleischhauer Oskar, dem sie versprochen ist, und Alfred, mit dem sie zusammenlebt und einen Sohn hat, enthüllt die latente Brutalität und den Opportunismus der Beteiligten durch ihre Sprache, durch pathetische Floskeln und hohle Wiener Stereotypen. Erstmals wird in dieser Ausgabe auch die frühere Version des Stückes rund um die Zentralfigur eines Hofrates - eine der wichtigsten Vorstufen - vollständig abgedruckt und kommentiert. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

Ödön von Horváth (9. 12. 1901 Su?ak, heute ein Stadtteil von Rijeka - 1. 6. 1938 Paris) ist vor allem für seine sozialpolitischen Romane und Dramen bekannt, seine Volksstücke stellen das Zentrum seines Werks dar. Der österreichisch-ungarische Schriftsteller geht u.a. der Frage nach der Verantwortung und Schuld innerhalb einer Gesellschaft nach, stets ist es die Sprache, die die Verhältnisse entlarvt. Zu seinen bekanntesten Werken zählen 'Geschichten aus dem Wiener Wald' für das er den Kleist-Preis erhielt, und 'Jugend ohne Gott'? weitere bekannte Dramen sind 'Kasimir und Karoline' sowie das 1932 entstandene 'Glaube Liebe Hoffnung' das nach Hitlers Machtergreifung nicht mehr in Berlin, sondern erst 1936 in Wien zur Aufführung gebracht werden konnte.
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[7]Erster Teil
I Draußen in der Wachau
Vor einem Häuschen am Fuße einer Burgruine. Alfred sitzt im Freien und verzehrt mit gesegnetem Appetit Brot, Butter und sauere Milch – seine Mutter bringt ihm gerade ein schärferes Messer. In der Luft ist ein Klingen und Singen – als verklänge irgendwo immer wieder der Walzer »Geschichten aus dem Wiener Wald« von Johann Strauß. Und in der Nähe fließt die schöne blaue Donau. DIE MUTTER. (sieht Alfred zu – plötzlich ergreift sie seine Hand, in der er das Messer hält, und schaut ihm tief in die Augen). ALFRED. (stockt und starrt sie mit vollem Munde mißtrauisch an. – Stille). DIE MUTTER. (streicht ihm langsam über das Haar). Das ist schön von dir, mein lieber Alfred – daß du nämlich deine liebe Mutter nicht total vergessen hast, lieber Alfred – ALFRED. Aber wieso denn total vergessen? Ich wär ja schon längst immer wieder herausgekommen, wenn ich nur dazugekommen wär – aber heutzutag kommt doch schon keiner mehr dazu, vor lauter Krise und Wirbel! Wenn mich jetzt mein Freund, der Hierlinger Ferdinand, nicht mitgenommen hätt mit seinem Kabriolett, wer weiß, wann wir uns wiedergesehen hätten! DIE MUTTER. Das ist sehr aufmerksam von deinem Freund, dem Herrn von Hierlinger. ALFRED. Er ist überhaupt ein reizender Mensch. In einer guten halben Stund holt er mich wieder ab. [8]DIE MUTTER. Schon? ALFRED. Leider! DIE MUTTER. Dann iß bitte nicht die ganze sauere Milch zusammen, ich hab sonst nichts da zum Antragen – ALFRED. Der Hierlinger Ferdinand darf ja gar keine sauere Milch essen, weil er eine chronische Nikotinvergiftung hat. Er ist ein hochanständiger Kaufmann. Ich hab öfters mit ihm zu tun. DIE MUTTER. Geschäftlich? ALFRED. Auch das. (Stille.) DIE MUTTER. Bist du noch bei der Bank? ALFRED. Nein. DIE MUTTER. Sondern? (Stille.) ALFRED. Ich taug nicht zum Beamten, das bietet nämlich keine Entfaltungsmöglichkeiten. Die Arbeit im alten Sinne rentiert sich nicht mehr. Wer heutzutag vorwärts kommen will, muss mit der Arbeit der anderen arbeiten. Ich hab mich selbständig gemacht. Finanzierungsgeschäfte und so – (er verschluckt sich und hustet stark). DIE MUTTER. Schmeckts? ALFRED. Jetzt wär ich aber fast erstickt. DIE MUTTER. Ich freu mich nur, daß es dir schmeckt. (Stille.) ALFRED. Apropos ersticken: wo steckt denn die liebe Großmutter? DIE MUTTER. Mir scheint, sie sitzt in der Küch und betet. ALFRED. Betet? DIE MUTTER. Sie leidet halt an Angst. ALFRED. Angst? (Stille.) DIE MUTTER. Vergiß ihr nur ja nicht zu gratulieren – nächsten Monat wird sie achtzig, und wenn du ihr nicht gratulierst, dann hab ich hier wieder die Höll auf Erden. Du bist doch ihr Liebling. [9]ALFRED. Ich werds mir notieren. (Er notiert es sich.) Großmutter gratulieren. Achtzig. (Er erhebt sich, da er nun satt ist.) Das ist ein biblisches Alter. (Er sieht auf seine Armbanduhr.) Ich glaub, es wird Zeit. Der Hierlinger muß jeden Moment erscheinen. Es ist auch noch eine Dame dabei. DIE MUTTER. Was ist das für eine Dame? ALFRED. Eine ältere Dame. (Stille.) DIE MUTTER. Wie alt? ALFRED. So mittel. DIE MUTTER. Hat sie Geld? ALFRED. Ich hab nichts mit ihr zu tun. (Stille.) DIE MUTTER. Eine reiche Partie ist nicht das letzte. Du hast halt die Richtige noch nicht gefunden. ALFRED. Möglich! Manchmal möcht ich ja schon so Kinder um mich herum haben, aber dann denk ich mir immer wieder: nein, es soll halt nicht sein – DIE GROSSMUTTER. (tritt mit ihrer Schale sauerer Milch aus dem Häuschen). Frieda! Frieda! DIE MUTTER. Na, wo brennts denn? DIE GROSSMUTTER. Wer hat mir denn da was von meiner saueren Milch gestohlen? DIE MUTTER. Ich. Weil der liebe Alfred noch so einen starken Gusto gehabt hat. (Stille.) DIE GROSSMUTTER. Hat er gehabt? Hat er gehabt? – Und da werd ich gar nicht gefragt? Als ob ich schon gar nicht mehr da wär – (zur Mutter) tät dir so passen! ALFRED. Bäääh! (Er streckt ihr die Zunge heraus.) (Stille.) DIE GROSSMUTTER. Bäääh! (Sie streckt ihm die Zunge heraus.) (Stille.) DIE GROSSMUTTER. (kreischt). Jetzt möcht ich überhaupt [10]keine Milch mehr haben! Da! (Sie schüttet die Schale aus.) DER HIERLINGER FERDINAND. (kommt mit Valerie, einer hergerichteten Fünfzigerin im Autodreß). ALFRED. Darf ich bekannt machen: das ist meine Mutter und das ist mein Freund Ferdinand Hierlinger – und Frau Valerie – und das dort ist meine liebe Großmutter – DIE MUTTER. Das ist sehr schön von Ihnen, Herr von Hierlinger, daß Sie mir den Alfred herausgebracht haben – ich danke Ihnen, danke – DER HIERLINGER FERDINAND. Aber ich bitte, meine Herrschaften! Das ist doch alles nur selbstverständlich! Ich hätt Ihnen ja den Alfred schon öfters herausgebracht – der liebe Alfred hätte ja nur ein Wörterl verlauten dürfen. DIE MUTTER. Nur ein Wörterl? DER HIERLINGER FERDINAND. Wie gesagt – (er stockt, da er merkt, daß er sich irgendwie verplappert hat). (Peinliche Stille.) VALERIE. Aber schön haben Sies hier heraußen – DIE MUTTER. Wollen die Herrschaften vielleicht mal auf den Turm? DER HIERLINGER FERDINAND. Auf was für einen Turm? DIE MUTTER. Auf unseren Turm da – DER HIERLINGER FERDINAND. Ich bitte, gehört denn da diese hochromantische Ruine den Herrschaften? DIE MUTTER. Nein, die gehört dem Staat. Wir verwalten sie nur. Wenn die Herrschaften wollen, führ ich die Herrschaften hinauf – nämlich dem Besteiger bietet sich droben eine prächtige Fernsicht und eine instruktive Rundsicht. DER HIERLINGER FERDINAND. Aber gern, sehr gern! Zu charmant, gnädige Frau! DIE MUTTER. (lächelt verlegen). Aber oh bitte! (Zu Valerie.) Die Dame kommen doch auch mit? VALERIE. Danke, danke – es tut mir schrecklich leid, aber [11]ich kann nicht so hoch hinauf, weil ich dann keine Luft krieg – DIE MUTTER. Also dann auf Wiedersehen! (Ab mit dem Hierlinger Ferdinand.) VALERIE. (zu Alfred). Dürft ich mal den Herrn um eine kleine Information bitten? ALFRED. Was gibts denn? DIE GROSSMUTTER. (setzt sich an das Tischchen und horcht, hört aber nichts). VALERIE. Du hast mich wieder mal betrogen. ALFRED. Sonst noch was gefällig? VALERIE. Der Hierlinger erzählt mir grad, daß beim letzten Rennen in Saint-Cloud nicht die Quote hundertachtundsechzig, sondern zweihundertzweiundzwanzig herausgelaufen worden ist – ALFRED. Der Hierlinger lügt. VALERIE. Und das Gedruckte da lügt auch? (Sie hält ihm eine Rennzeitung unter die Nase.) (Stille.) VALERIE. (triumphierend). Na? ALFRED. Nein, du bist halt keine richtige Frau. Du stoßt mich ja direkt von dir – mit derartigen Methoden – VALERIE. Du wirst mir jetzt das geben, was mir gebührt. Siebenundzwanzig Schilling. S’il vous plaît! ALFRED. (gibt ihr das Geld). Voilà! VALERIE. Merci! (Sie zählt nach.) ALFRED. Kleinliche Person. VALERIE. Ich bin keine Person! Und von heut ab bitte ich es mir aus, daß du mir immer eine schriftliche Quittung – ALFRED. (unterbricht sie). Bild dir nur ja nichts ein, bitte! (Stille.) VALERIE. Alfred, du sollst mich doch nicht immer betrügen – ALFRED. Und du sollst nicht immer so mißtrauisch zu mir sein – das untergräbt doch nur unser Verhältnis. Du [12]darfst es doch nicht übersehen, daß ein jeder Mensch Licht- und Schattenseiten hat, das ist normal. Und ich kann dir nur flüstern: eine rein menschliche...


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