Ein kompakter Leitfaden
E-Book, Deutsch, 195 Seiten
ISBN: 978-3-7022-4018-9
Verlag: Tyrolia
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Rolle der Führungskraft auf einem christlich-humanistischen Hintergrund
Führungskräfte sind weithin einem großen Erwartungsdruck ausgesetzt. Sowohl die eigenen als auch die fremden Ansprüche sind teilweise zu hoch und auch unrealistisch. Doch wie damit umgehen?
Dieses Buch richtet sich an Personen der unteren und mittleren Führungsebene, die z. B. eine Pflegestation, Supermarktfiliale oder eine Abteilung mit mehreren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern leiten bzw. an jene, die eine solche Aufgabe übernehmen möchten aber im Zweifel sind, ob sie sich diese Verantwortung zutrauen. Die Autorin, die sich seit vielen Jahren praktisch und theoretisch mit Aufgaben und Herausforderungen von Führungskräften auseinandersetzt, gibt hier Hilfestellungen, Tipps und Tricks für eine gute Führungsbalance. Ihre tiefgreifenden Überlegungen, konkreten Anleitungen und Reflexionsfragen zu den Themen "sich selbst führen", "Menschen führen" und "Organisationen führen", machen dabei ihr eigenes, in der katholischen Soziallehre verankertes Ziel deutlich, dass der Mensch im Zentrum von Führung steht – und ihre Überzeugung, dass vor allem auch mehr Frauen sich trauen sollen, Führungspositionen zu bekleiden.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1. Eine gute Vorgesetzte sein
Rolle und Position einer Führungskraft
„Meine Chefin ist eine coole Frau,“ meinte die Assistentin der Direktorin am Montagmorgen. „Mit ihr kann ich sehr gut private Dinge besprechen und wir lachen auch gerne gemeinsam – vor allem frühmorgens, wenn sonst noch niemand im Büro ist. Manchmal bringt sie mir auch den Kaffee. Dabei ist klar: Jetzt begegnen wir uns nicht in den Rollen von Direktorin und Assistentin, jetzt haben wir diese ‚Hüte‘ zur Seite gelegt und begegnen uns von Frau zu Frau. Und trotzdem wissen wir: Im Büro sind wir immer auch in unseren Rollen, die können wir nie ganz ablegen. Letztlich ist sie meine Chefin und beauftragt mich mit Dingen, auch wenn ich keine Lust dazu habe. Und im Ernstfall muss sie etwas auch gegen meine Meinung entscheiden. Da hat sie das letzte Wort. Und die Verantwortung. Das liegt in ihrer Rolle als Direktorin und in meiner Rolle als Assistentin. Aber gestern habe ich zu meiner Freundin gesagt: ‚Wenn diese Frau mal nicht mehr meine Chefin ist, dann können wir Freundinnen werden!‘“, schloss die Assistentin und ihre Augen leuchteten. Führungskräfte sind Menschen, die eine Position besetzen und diese mit ihrer jeweils persönlichen Art füllen – so nehmen sie ihre Rolle ein. Darin ist es ihre Verantwortung, sowohl das Beziehungsgeschehen mit und zwischen dem Personal zu gestalten wie auch organisationale Rahmenbedingungen, Strukturen, Kommunikationsflüsse und Regeln so auszurichten, dass die Ziele der Organisation erreicht werden. FÜHRUNG FRÜHER UND HEUTE
Führung ist, wie alle gesellschaftlichen Prozesse, ein Produkt der jeweiligen Zeit. Führungskräfte sind, wie alle Menschen, Kinder ihrer Zeit. Aufgrund ihrer Sozialisierung und Bildung werden sie von gewissen Bildern, Denkmustern und Paradigmen geleitet. So wie es vor nicht viel mehr als 100 Jahren in allen mitteleuropäischen Gesellschaften undenkbar war, Frauen Zugang zu den Wahlurnen zu ermöglichen oder gar ins Parlament zu wählen, ist das heute überall Normalität und im Denken des Großteils der Bevölkerung selbstverständlich. Das gesellschaftliche Bild hat sich geändert – und das wirkt sich auch auf Führungskräfte aus. Frauen in Führungspositionen sind heute zwar in den oberen Rängen mancher gewinnorientierter Betriebe nach wie vor nicht gleich stark vertreten wie Männer, in anderen, vor allem sozialen und dienstleistungsorientierten Unternehmen sind Frauen hingegen überdurchschnittlich präsent. Die Frage der Gerechtigkeit entlang der Linie Geschlecht bezüglich Beteiligung an Entscheidungsprozessen, Zugang zu Macht und Einfluss oder auch der geschlechtsbezogenen Bezahlung (Gender-Pay-Gap) kann hier nicht diskutiert werden. Die Richtung ist eingeschlagen, dass die Position der Leitung sowohl von einem Mann als auch einer Frau besetzt werden kann. Denn die Gesellschaft hat sich verändert – und mit ihr Bilder von Führungskräften. Bilder von Führung sind immer auch eng verbunden mit Bildern der Organisation, in denen Führung gelebt wird. Organisationen wurden früher eher wie Maschinen gesehen, in denen Mitarbeiter*innen wie Führungskräfte wie Rädchen eingebunden sind und zu funktionieren haben. Führung wurde meist streng linear und autoritär gesehen und gelebt. Inzwischen spricht man von Organisationen als lernende Organismen, in denen die Belegschaft eher wie eine Gemeinschaft gesehen und Führung dezentral gedacht wird. Vertrauen, Sinn und Menschenführung spielen im Führungsalltag eine größere Rolle als früher. Führung selbst ist zudem ein Spiegel gesellschaftlicher und organisationaler Veränderungen. Führung findet nicht mehr nur an einer Position statt, sondern zunehmend dezentral, verteilt auf unterschiedliche Rollen wie z. B. Projekt- oder Gruppenleiter*innen, die – klar begrenzt auf Aufgabengebiete und Zeiträume – Entscheidungen treffen und verantworten können. Dieses Führungsverständnis verlässt das Bild des alten, allmächtigen Managers, der sein Verhalten mehr auf Machtdemonstration und Status auslegt. Vorgesetzte mit einem jüngeren Führungsverständnis wirken realitätsnah und kritikfähig, zielorientiert und kooperativ. Kurz gesagt: Moderne Führungskräfte agieren weniger „heroisch“ – wie Kaiser oder Despotinnen – sondern eher „postheroisch“ – wie „normale Menschen“. Es ist heute kaum mehr möglich, das Phänomen „Führung“ allein durch die individuelle Psychologie der Führungskraft zu erklären. „Postheroische“ Strukturen haben inzwischen in vielen Organisationen oder Abteilungen Einzug gehalten. Im Zentrum stehen dabei Ideen von Selbstorganisation, Wechselwirkungen, Kooperation und Komplexität – gespeist aus Sozial- oder Neurowissenschaften, Komplexitätsforschung und Psychologie. DIE ROLLE DER FÜHRUNGSKRAFT
Eine Führungskraft hat ihre Rolle aus beruflichen Gründen inne. Sobald sie eine Position übernimmt, füllt sie ihre Rolle. Eine Rolle beschreibt – wie in einem Theaterstück – das Verhalten, das in einer gewissen sozialen Situation erwartet wird. Sie ist daher nicht selbst ausgedacht, sondern wird einer Person von den Mitagierenden zugewiesen. So erwartet z. B. ein Patient, der ein Krankenhaus besucht, ein je unterschiedliches Verhalten und unterschiedliche Qualitäten der Auskunft von einer Stationsschwester, einem Reinigungsmann, einem Sanitäter oder einer Oberärztin. Wie eine Führungskraft nun ihre Rolle erfüllt, hängt nicht nur mit ihrer Position, also der Beschreibung ihres formalen Platzes (Stellenbeschreibung) zusammen, sondern wesentlich damit, wie sie sich selbst in ihrer Rolle versteht. Und wie sie sich selbst führt. Ist das aber nicht nur wieder so ein Psycho-Ding? Geschieht Führung nicht hauptsächlich über Machtausübung und Führungsinstrumente? LERNEN AN VORBILDERN
„Wenn ich an meine Lehrerin denke, bin ich heute noch beeindruckt. Sie hat immer ein offenes Ohr für unsere Anliegen gehabt. Und war trotzdem streng und gerecht. Sie war zwar keine Chefin in einer Firma, aber die Art, wie sie uns in der Klasse geführt hat, macht sie für mich zum Vorbild als Führungskraft“, antwortet eine Seminarteilnehmerin auf die Frage, wer für sie ein Vorbild als Führungskraft ist. Vorbilder verkörpern in ihrem Tun, Reden und ihrer Persönlichkeit Werte und Haltungen, die als erstrebenswert interpretiert werden. Wer sich selbst führen will, wer lernen und sich entwickeln will, orientiert sich dabei meistens an Vorbildern, die der eigenen Person, dem Team, der Organisation oder auch einer Gesellschaft gutgetan haben. Ob jemand Vorbild ist oder nicht, hängt von den eigenen Werten und Haltungen ab und davon, ob die eigenen mit den Werten des Vorbildes übereinstimmen. Wer gerne strukturierter arbeiten möchte, sucht sich wahrscheinlich ein Vorbild, das geplant und mit klaren Prioritäten vorgeht. Wer sich schwertut, sachliche Rückmeldungen zu geben, hat wahrscheinlich ein Vorbild, das in kritischen Gesprächen die eigenen Gefühle gut im Griff hat. Wer den Wert des Vertrauens hochhält, wird wohl ein Vorbild haben, das Geheimnisse wahren kann. Werte werden aus reflektierten Erfahrungen gebildet: Was im eigenen Leben – oder im Leben anderer – als hilfreich, wohltuend oder förderlich für das gute Zusammenleben, mehr Gerechtigkeit oder menschenfreundliche Strukturen erlebt worden ist, das kann sich zu eigenen Werten ausbilden. Nach dem Motto: „Ja, so kann es gehen!“ Diese Erfahrungen von Sinn zu reflektieren, ist ein Weg, zu eigenen Werten zu gelangen. Der Weg kann aber auch über Ablehnung, negative Beispiele, über Kontrast-Erfahrungen führen: „Nein, so soll es nicht gehen, das ist nicht gut!“ Oder man gewinnt Motivation aus der Erfahrung, dass die eigene Person wichtig für das Gelingen oder Vorankommen eines Prozesses oder das gute Miteinander und friedliche Zusammenleben ist. Diese Motivations-Erfahrung des „Auf mich kommt es an!“ führt in der Reflexion zur Ausbildung von Werten wie z. B. einer beteiligungsorientierten Führungskultur. ROLLE-POSITION-PERSON
Position Die Erwartungen an eine Position (WAS ist zu tun?) sind ablesbar an der Stellenbeschreibung oder am Ausschreibungstext. Hier werden Erwartungen mit Blick auf Ergebnisse, Unternehmensziele, Leitlinien, aber auch an Benehmen, Einstellungen, Werten und Beziehungsgestaltung gesetzt. Die Stellenbeschreibung ist eine quasi idealisierte Form dessen, wie eine Person eine Rolle ausfüllen könnte oder sollte. Person Die Person, die eine Position besetzt, ist der einzelne Mensch (WER?) mit seinenn individuellen Entwicklungsgeschichten...