Holzinger | Sonne statt Atom. | Buch | 978-3-902876-17-1 | sack.de

Buch, Deutsch, 130 Seiten, Format (B × H): 150 mm x 210 mm, Gewicht: 280 g

Holzinger

Sonne statt Atom.

Robert Jungk und die Debatten über die Zukunft der Energieversorgung von den 1950er-Jahren bis heute.

Buch, Deutsch, 130 Seiten, Format (B × H): 150 mm x 210 mm, Gewicht: 280 g

ISBN: 978-3-902876-17-1
Verlag: JBZ


„Atoms for Peace“ - unter diesem Titel fand 1955 eine Konferenz der Vereinten Nationen in Genf statt. Einberufen wurde sie auf Betreiben der USA, die vom Negativimage der Atomtechnologie aufgrund der sich ausbreitenden Furcht vor dem atomaren Wettrüsten ablenken wollte. „Dein Freund, das Atom“ lautete die populärwissenschaftliche Antwort auf die Atomskepsis. Walt Disney war von der US-Regierung beauftragt worden einen Fernsehfilm zu produzieren, der die Harmlosigkeit der Atomtechnologie zum Ausdruck bringen sollte. Denn groß waren die Erwartungen in diese neue Energiequelle. Insbesondere als Antwort auf die Ölkrisen der 1970er-Jahre setzten dann viele Staaten auf Kernenergie. Doch bald trat Ernüchterung ein: hohe Kosten und wiederkehrende Unfälle ließen die Atomträume nicht so wirklich wahr werden. Der Ende der 1970er-Jahre einsetzende Widerstand besorgter Bürger und Bürgerinnen durchkreuzte so manche Atomausbaupläne. Und heute - nach Tschernobyl und Fukushima - entpuppt sich die Atomstrategie immer mehr auch als ökonomische Sackgasse.

Robert Jungk war eine wichtige Identifikationsfigur in der Friedensbewegung für eine atomwaffenfreie Welt sowie im Widerstand gegen die zivile Nutzung der Atomenergie. Ihm ist dieses Buch aus Anlass seines 100. Geburtstags gewidmet. Das einleitende Kapitel „Mein Leben für die Zukunft“ gibt Einblicke in das Wirken des Zukunftsdenkers und Anti-Atom-Aktivisten. Im Kapitel „Der Griff nach dem Atom“ werden Jungks zentrale Bücher zum Thema Atom näher vorgestellt. Es folgen Abschnitte über die Auseinandersetzungen um die Atomenergienutzung seit den 1950er Jahren („Dein Freund das Atom oder Lebensfeindliche Energie?“) sowie über die ebenfalls in den 1970er-Jahren beginnenden Initiativen für Solarenergie („Die Sonne gehört allen“). Das abschließende Kapitel „Energie für das 21. Jahrhundert“ widmet sich der aktuellen Energiesituation und gibt Ausblicke auf die Energieversorgung im kommenden Jahrhundert mit ihren Chancen und Risiken.
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Zielgruppe


An Fragen der Energieversorgung sowie der Geschichte der Atomtechnologie Interessierte; leicht verständliches Sachbuch; Schüler und Studierende;


Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


DER FLUCH EINER ENTDECKUNG? ……………………………………………………7
ROBERT JUNGK ALS GALIONSFIGUR DER ANTI-ATOM-BEWEGUNG
„MEIN LEBEN FÜR DIE ZUKUNFT“ 13
EINBLICKE IN ROBERT JUNGKS LEBEN UND WIRKEN
JUGEND UND KRIEGSZEIT 16
„VERLORENER FRIEDE“ – ÜBERGANG IN DEN KALTEN KRIEG 18
Widerstand gegen die „friedliche“ Atomenergienutzung 22
PROTESTE GEGEN DEN VIETNAMKRIEG – NEUE FRIEDENSBEWEGUNG 25
BEZUG ZU ÖSTERREICH – GRÜNER PRÄSIDENTSCHAFTSKANDIDAT 26
Bibliothek für Zukunftfsragen in Salzburg…………………………… ………27
Zahlreiche Ehrungen in Jungks letzten Lebensjahren 29
„DER GRIFF NACH DEM ATOM“ 31
ROBERT JUNGKS ZENTRALE BÜCHER ZUR ATOMFRAGE
DIE ZUKUNFT HAT SCHON BEGONNEN (1952) 33
Der Macht ein Gesicht geben 35
Zitiert: „Die Zukunft hat schon begonnen“ 37
HELLER ALS TAUSEND SONNEN (1956) 37
Anfänge der Atomforschung 38
Atombombe vor Einsatz 40
Physiker als Warner 41
ZITIERT: „HELLER ALS TAUSEND SONNEN“ 43
STRAHLEN AUS DER ASCHE (1958) 44
Tragödie begreifbar machen 44
Worte für das Unbeschreibbare finden 46
ZITIERT: „STRAHLEN AUS DER ASCHE“ 47
DER ATOMSTAAT (1977) 50
Ein neuer Begriff für eine neue Gefahr 50
„Homo atomicus“ und der „Fehlbarkeitsfaktor Mensch“ 52
Warnender Berichterstatter des Atomzeitalters………………….……….54
ZITIERT: „DER ATOMSTAAT“ 55
„DEIN FREUND DAS ATOM“ ODER „LEBENSFEINDLICHE ENERGIE“? 57
EINE KURZE GESCHICHTE DER ANTI-AKW-BEWEGUNG UND DIE DEBATTEN ÜBER ATOMKRAFT IM KONTEXT DER ÖLKRISEN DER 1970ER-JAHRE
ERWARTUNGEN AN DIE ATOMENERGIE IN DEN 1950ER-JAHREN 59
KOALITION VON ATOMINDUSTRIE UND GEWERKSCHAFTEN 61
PRO-KONTRA-DEBATTEN IN DER WISSENSCHAFT 65
DIE ROLLE DER POLITISCHEN PARTEIEN 66
ANTI-ATOMKRAFT-BEWEGUNG IN ÖSTERREICH 69
ZIVILE UND MILITÄRISCHE NUTZUNG GREIFEN INEINANDER 72
RESÜMEE: EINE HISTORISCHE KRAFT 75
„DIE SONNE GEHÖRT ALLEN“ 79
ROBERT JUNGK UND DIE DEBATTEN ÜBER DIE SOLARENERGIE DER 1970ER-JAHRE
HOFFNUNG AUF SONNENZEITALTER 84
ANFÄNGE DER ENERGIEWENDE IN DEUTSCHLAND 86
DEBATTEN ÜBER SONNENENERGIE IN FRANKREICH 88
WEM GEHÖRT DIE SONNE? 90
ENERGIE FÜR DAS 21. JAHRHUNDERT 93
GELINGT DIE ENERGIEWENDE ODER DROHEN NEUE RESSOURCENKRIEGE?
SACKGASSE ATOM …………………………………………………………………………….93
FOSSILISMUS UND INDUSTRIALISMUS 97
Vierfaches Versagen des Kapitalismus 98
Weltkrieg um Wohlstand? 105
Fossilismus als Achillesferse des Konsumkapitalismus 106
ZUKUNFTSPERSPEKTIVE SOLARZEITALTER 107
Zukunftsweg „Solarspargesellschaft“ 109
Globaler Ausgleich als zentrale Herausforderung 110
AUSBLICK 113
ANHANG 117
HISTORISCHE ZEITTAFEL ZU „ATOM“ 118
ACHT THESEN ZUR AKTUALITÄT VON ROBERT JUNGK 124
ZITIERTE BÜCHER VON ROBERT JUNGK 126
WEITERE VERWENDETE LITERATUR 127


Der Fluch einer Entdeckung?
Robert Jungk als Galionsfigur der Anti-Atom-Bewegung

Exakt im Jahr 1900 hatte der Physiker Max Planck entdeckt, dass Radio-aktivität durch den Zerfall von Atomen entsteht. Die Quantenphysik, also die Lehre von den kleinsten, nicht mehr teilbaren Energieeinheiten war geboren. Fünf Jahre später formulierte Albert Einstein die Relativitätstheorie, der ge-mäß Energie das Produkt aus Masse und dem Quadrat der Lichtgeschwindig-keit entspricht. Daraus wurde die Vorstellung von einem „Atomzeitalter“ unbegrenzter Energie, allerdings auch grenzenloser Zerstörungskräfte abge-leitet.
1913 formulierten die Physiker Ernest Rutherford und Niels Bohr ein auf der Quantentheorie aufbauendes Atommodell. Ein Jahr darauf, zu Beginn des Ersten Weltkriegs, beschrieb H. G. Wells in seinem utopischen Roman The World Set Free erstmals die Möglichkeit des Baus einer Atombombe. 1918 – kurz vor dem Ende des Ersten Weltkriegs¬ – soll Ernest Rutherford bei einer Sitzung der britischen Sachverständigenkommission, die über neue Methoden zur Abwehr feindlicher U-Boote zu beraten hatte, die Möglichkeit einer Zer-trümmerung des Atoms durch menschlichen Eingriff und die daraus entste-henden neuen Dimensionen des Krieges angedeutet haben. Doch erst als im Jahr 1932 der italienische Physiker Enrico Fermi die Neutronen als nicht elektrisch geladene Bestandteile des Atomkerns entdeckte, war ein „ideales Geschoss“ für die Spaltung von Atomkernen gefunden. Es waren die deut-schen Physiker Otto Hahn und Fritz Strassmann, denen 1938 – im Jahr des Beginns des Zweiten Weltkriegs – schließlich erstmals die Bestrahlung von Uran mittels einer radioaktiven Neutronenquelle gelang. Nachdem die beiden ihre Ergebnisse in der Jänner-Ausgabe 1939 der Fachzeitschrift Naturwissen-schaften publiziert hatten, entdeckte bereits einen Monat später der dänische Physiker Niels Bohr die Möglichkeit einer Kettenreaktion durch die beim Beschuss von Atomkernen freiwerdenden Neutronen. Die Möglichkeit zur Freisetzung gigantischer Energiemengen durch derartige Kettenreaktionen geriet in greifbare Nähe.
Die Angst vor einer deutschen Atombombe in den Händen Hitlers bewog in die USA emigrierte jüdische Physiker um Leo Szilard und Albert Einstein, Franklin D. Roosevelt zum Start eines Atomprogramms zu drängen. Im Jahr 1941, dem Kriegseintritt der USA, wurde die US-Atomforschung unter mili-tärischer Leitung organisiert. 1942 folgte der Start des Manhattan Projects zum Bau der Atombombe, für welches in den Folgejahren insgesamt 2 Milli-arden Dollar ausgegeben werden sollten. 1943 wurde mit dem Bau dreier Großforschungsanlagen – der Isotopentrennanlage in Oak Ridge, einer Pluto-niumfabrik in Hanford und einer Anlage zur Konstruktion der Bombe in Los Alamos begonnen. Am 16. Juli 1945 erfolgte die erste erfolgreiche Versuchs-explosion einer Atombombe in der Wüste New Mexicos. Drei Wochen spä-ter, am 6. August desselben Jahres, wurde die erste Atombombe auf Hiro-shima abgeworfen, drei Tage später eine weitere auf Nagasaki.
Im Zuge der Kapitulation der deutschen Wehrmacht im Frühjahr 1945 konnten sich die Alliierten zwar vergewissern, dass Hitler über keine Atom-bombe verfügte. Doch den besorgten Physikern, die selbst an der Entwick-lung der Atomtechnologie mitgewirkt hatten, gelang es nicht mehr, die US-Füh¬rung vom Einsatz ihrer ersten Atombomben abzuhalten. Auch der Vor-schlag, die Bomben unter Vorwarnung der militärischen Gegner auf evaku-iertem Gelände oder in einer unbewohnten Wüste zu zünden, wurde nicht aufgegriffen.
Die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki wurden zu den Opfern eines Angriffes, der nicht allein Japan gegolten hatte – die japanische Armee stand ja kurz vor der Kapitulation. Über 100.000 Tote sowie eine Vielzahl an Menschen, die erst Jahre später an den Folgen der atomaren Verstrahlung starben, waren die Folge. „Hiroshima“ und „Nagasaki“ sollten – so die Ein-schätzung der meisten HistorikerInnen – der Welt zeigen, dass die USA fort-an die uneingeschränkte militärische Weltmacht sein würden.
Doch die Geschichte verlief anders. Bereits 1949 gaben die Sowjets die Zündung ihrer ersten Atombombe bekannt. Und auch Frankreich und Groß-britannien traten in den „Club“ der Atomwaffen produzierenden Staaten ein. Das nukleare Wettrüsten nahm seinen Lauf.
Mit der Spaltung von Atomkernen wurde die bislang wohl folgenreichste Entdeckung in der Geschichte der Menschheit gemacht: Der Physiker Udo Schelb spricht von knapp 2 Millionen Energieeinheiten Elektronenvolt, die allein bei einem Spaltungsvorgang freigesetzt werden. Im Vergleich erschei-nen Verbrennungsprozesse in der Natur mickrig: Ein Kohlenstoffatom und ein Sauerstoffmolekül verbrennen zu Kohlendioxid (CO2) unter Abgabe von 4 (!) Energieeinheiten (Schelb 1987, S. 12f).
Militärische und zivile Nutzung der Atomenergie unterscheiden sich prin-zipiell nicht. Bei der zivilen Nutzung wird der Spaltprozess moderiert, was eine kontrollierte Kettenreaktion ermöglicht. Durch das Einfahren von Regel-stäben zwischen das Spaltmaterial – in der Regel Grafitstäbe – werden die überschüssigen Neutronen eingefangen. Bei der militärischen Anwendung unterbleibt diese Regulierung, es wird bewusst eine Explosion des radioakti-ven Materials herbeigeführt. Notwendig ist lediglich eine kritische Masse, das heißt eine Mindestmenge an Spaltmaterial, damit eine Kettenreaktion stattfinden kann. Während bei Atombomben vorwiegend Plutonium zum Einsatz kommt, wird in Atomkraftwerken (AKWs) vor allem Uran 265 ver-wendet. Versagt in einem Atomkraftwerk die Kühlung oder die moderierende Funktion der Regelstäbe, kommt es freilich zur Schmelze der AKW-Hülle und zur Freisetzung der tödlichen radioaktiven Strahlung.
Jene Physiker, die in den USA an den Atomversuchen arbeiteten, wussten um die Zerstörungskraft dieser Technologie. Getrieben waren sie – wie ge-sagt – von der Angst, dass Adolf Hitler als erster in den Besitz der Atom-bombe gelangen könnte. Gelockt haben aber ebenso Prestige und Geld, das für diese Forschungsprojekte in Milliardenhöhe winkte. Und der Forscher-drang wird wohl auch mitgespielt haben.

„Atoms for Peace“ und „Dein Freund das Atom“

Um die Atomforschung in ein freundlicheres Licht zu stellen, begann man in den 1950er-Jahren verstärkt die zivile Nutzung dieser Technologie zu forcie-ren. 1955 kam es auf Betreiben der USA zu einer UNO-Konferenz in Genf unter dem Motto Atoms for Peace. In den USA selbst wurde von Walt Disney im Auftrag der Regierung ein Fernsehspot Dein Freund das Atom produziert, der die Angst vor der Nukleartechnologie nehmen sollte. Zugleich stiegen die Hoffnungen auf die Kernenergienutzung ins Unermessliche – man glaubte mit ihr alle Energieprobleme der Zukunft lösen zu können. Das Fachmagazin der deutschen Atomwirtschaft prognostizierte, dass der Strom bereits in eini-gen Jahren zu 80 Prozent aus Atomkraft stammen würde.
Erste Ernüchterungen traten ein, nachdem Ende der 1950er-Jahre die ers-ten AKWs in Betrieb gingen. Die Energiegewinnung daraus gestaltete sich schwieriger und kostspieliger als erwartet. Die 1960-Jahre galten jedoch dem weiteren Ausbau der Atomenergienutzung. In den 1970er-Jahren, nachdem erste größere Unfälle in Atomkraftwerken bekannt wurden, stieg die Ableh-nung in der Bevölkerung. Besonders stark war diese in der BRD, wo das Atomprogramm aufgrund von Protesten durch die sich ausbreitende Anti-Atomkraft-Bewegung nur begrenzt umgesetzt werden konnte. Whyl, Brok-dorf oder Gorleben gelten als erste Orte des Widerstands.
Während Regierungen, Wirtschaftsverbände und die Atomindustrie vor dem Energiekollaps warnten, sollte auf den Ausbau der Kernenergie verzich-tet werden – die ersten Ölkrisen hatten in den 1970er-Jahren die Abhängig-keit von den fossilen Energien ins Gedächtnis gerufen –, stieg in der Bevöl-kerung also die Skepsis. Auch wenn der Widerstand gegen Atomenergie von Nation zu Nation unterschiedlich stark war – in der „Atom-Nation“ Frank-reich konnte dieser etwa nie nennenswerte politische Wirkung entfalten –, begann die Atomfront zu bröckeln.
1978 wurde in Österreich – nach Irland dem zweiten Land weltweit – per Volksabstimmung die Nutzung der Atomenergie untersagt. Das bereits ge-baute AKW Zwentendorf durfte nicht in Betrieb gehen. Der Super-GAU – größtmöglicher anzunehmender Unfall – im sowjetischen Atomkraftwerk Tschernobyl am 26. April 1986 gab der Anti-AKW-Bewegung erneut Auf-trieb. 1988 fiel nach Gorleben auch das Projekt einer atomaren Wiederaufbe-reitungsanlage im bayerischen Wackersdorf – unter maßgeblicher Unterstüt-zung des Widerstands auch auf österreichischer Seite, etwa der Salzburger Plattform gegen Atomgefahren.
Kein Erfolg beschieden war den Protesten gegen die AKWs an der tsche-chischen, slowakischen und slowenischen Grenze. Das atomfreie Österreich ist nach wie vor umgeben von mehreren Kernkraftwerken. Am heftigsten waren die Proteste gegen den Ausbau der Atomanlagen im tschechischen Temelin, die bislang freilich kein Gehör bei der tschechischen Regierung gefunden haben.
Mit der Kernschmelze im japanischen AKW Fukushima im März 2011 in Gefolge eines Erdbeben-Tsunamis wurde der internationalen Atomlobby ein neuer Tiefschlag versetzt. Deutschland fasste den endgültigen Ausstiegsbe-schluss. Es folgten die Schweiz, Belgien und Taiwan. In Italien wurde per Volksabstimmung der von Silvio Berlusconi angestrebte Wiedereinstieg ver¬eitelt.
Jenseits der Sicherheitsrisiken und der ungelösten Problematik der Endla-gerung von radioaktivem Material wird aber auch das finanzielle Debakel der Atomindustrie immer deutlicher, die ohne massive öffentliche Förderung nie überlebensfähig gewesen wäre. 430 AKWs waren Anfang 2013 weltweit in Betrieb, sechzehn weniger als 2002, dem Höchststand der globalen AKW-Dichte. Neue AKWs werden heute nur mehr in Schwellenländern gebaut. Der Anteil der Atomenergie am weltweiten Stromverbrauch macht gerade mal 11 Prozent aus, bezogen auf den Gesamtenergieverbrauch sind es nur 2 Prozent, so der Welt-Statusbericht Atomindustrie 2012. Der Bedeutungszenit der Atomenergie scheint überschritten – dennoch werden weiterhin ungeheure Forschungsmittel in die Atomenergienutzung gesteckt. Die neue Hoffnung lautet Atomfusion: im französischen Cadarache wird in einem internationa-len Konsortium am ersten Fusionsreaktor gearbeitet – mit Millionen an öf-fentlichen Mitteln!
Älter als der Widerstand gegen die zivile Nutzung der Atomenergie ist je-ne gegen die militärische. Seit den 1950-Jahren gab es Bewegungen für einen weltweiten Ausstieg aus der Atomwaffenproduktion und für eine atomwaf-fenfreie Welt. Geschichtsmächtig wurde diese Bewegung aber auch erst in den 1980-Jahren, als weltweit Millionen von Menschen auf die Straßen gin-gen, um für ein Ende des nuklearen Wettrüstens zu demonstrieren. Die Imp-losion der Sowjetmacht sowie die Delegitimation der Politik der atomaren Drohung in allen westlichen Demokratien sind wesentlich ein Erfolg dieser neuen Friedensbewegung. Von einer atomwaffenfreien Welt sind wir nach wie vor weit entfernt, aber in den öffentlichen Sicherheitsdiskursen beruft sich kaum jemand mehr auf seine Nukleardoktrin.

Robert Jungk als Galionsfigur der Anti-Atomkraft-Bewegung

Eine zentrale Identifikationsfigur der Friedensbewegung im Einsatz für eine atomwaffenfreie Welt sowie im Widerstand gegen die zivile Nutzung der Atomenergie war Robert Jungk. Ihm ist dieses Buch aus Anlass seines 100. Geburtstages gewidmet. Als wohl erster Nicht-Physiker hat er sich der Mühe unterzogen, die Nukleartechnologie und ihre Zerstörungskraft öffentlich zu machen. Seine ersten Bücher handeln vom Griff nach dem Atom und dessen Gefahren. Jungk wird in den 1950er-Jahren auch zu einer wichtigen Persön-lichkeit im pazifistischen Engagement für eine weltweite Beendigung der Atomwaffentest sowie eine Verschrottung aller Atombomben. In der 1959 bei einer Friedenskonferenz in London verlesenen Charta der Hoffnung ruft er die Europäer und Europäerinnen auf, zum Vorreiter für eine von Atomwaf-fen freie Welt zu werden. Früh erkennt Jungk auch, dass sich militärische und zivile Nutzung der Atomenergie nur bedingt oder gar nicht trennen lassen. Früh erkennt er auch die sicherheitspolitische und wirtschaftliche Sackgasse der Nukleartechnologie sowie der Atomindustrie. Seine Prognosen wurden mittlerweile von der Wirklichkeit eingeholt.
Nun zum Aufbau des Buches: Das einleitende Kapitel Mein Leben für die Zukunft gibt Einblicke in die Biografie und das Schaffen von Robert Jungk. Im Kapitel Der Griff nach dem Atom werden Jungks zentrale Bücher zum Thema Atom – Die Zukunft hat schon begonnen, Heller als tausend Sonnen, Strahlen aus der Asche sowie Der Atomstaat – näher vorgestellt. Es folgen Abschnitte über die Auseinandersetzungen um die Atomenergienutzung von den 1950er bis in die 1970er-Jahre vor dem Hintergrund der sogenannten Ölkrisen (Lebensfeindliche Energie) sowie Einblicke in die ebenfalls in den 1970er-Jahren beginnende Bewegung für Solarenergie (Die Sonne gehört allen). Das abschließende Kapitel Energie für das 21. Jahrhundert widmet sich der aktuellen Energiesituation und gibt Ausblicke auf die Energieversor-gung im kommenden Jahrhundert mit ihren Chancen und Risiken.
Wertvolle Hinweise auf zeitgeschichtliche Quellen verdanke ich dem Zu-gang zum Robert-Jungk-Nachlass, die im Buch verwendeten Fotos dem Fo-toarchiv der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen. Für Druckkosten-beiträge zum Buch danke ich schließlich der Elfie-Gmachl-Stiftung für eine atomfreie Zukunft, der Grünen Bildungswerkstatt sowie der Heinrich-Böll-Stiftung (alle angefragt!)

Hans Holzinger, im Februar 2013


Hans Holzinger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen in Salzburg. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Nachhaltigkeit und Energie, neue Wohlstandsmodelle, Zukunft der Arbeit und sozialen Sicherung, globale Gerechtigkeit. Vortrags-, Publikations- und Seminartätigkeit; Lektor an der Alpen-Adria Universität Klagenfurt und an der Pädagogischen Hochschule Salzburg; Mitherausgeber der Zeitschrift "Pro Zukunft". 2012 ist sein Buch "Neuer Wohlstand. Leben und Wirtschaften auf einem begrenzten Planeten" (JBZ-Verlag) erschienen. 2013 kuratierte er die Ausstellung „Robert Jungk: Weltbürger und Salzburger“ für das Salzburg Museum.
www.jungk-bibliothek.at
www.robertjungk100.org


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