E-Book, Deutsch, 196 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
Holm Haushaltskonsolidierung in Kommunen
2. aktualisierte und überarbeitete Auflage 2025
ISBN: 978-3-648-18568-1
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Worauf es in der Praxis ankommt
E-Book, Deutsch, 196 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
ISBN: 978-3-648-18568-1
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Dipl.-Verwaltungswirt Helge Holm war jahrelang in der Kommunal- und Landesverwaltung tätig. Seine Arbeitsschwerpunkte waren Finanz- und Haushaltsplanung sowie Haushaltskonsolidierung. Dabei prüfte und bewertete er auch die Konzepte anderer Kommunen auf formelle und inhaltliche Gesichtspunkte. Heute ist er als Dozent tätig.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Rechtswissenschaften Öffentliches Recht Verwaltungsrecht Verwaltungspraxis Kommunal- und Regionalverwaltung
- Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Politische Systeme Kommunal-, Regional-, und Landesverwaltung
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Unternehmensfinanzen Öffentliches Finanz- und Rechnungswesen
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1.4 Fehlentwicklungen im Gemeindefinanzierungssystem
Haushaltskonsolidierung ist kein Normalfall in der Haushaltswirtschaft der Kommunen. Vielmehr gilt der in den Gemeindeordnungen und Kommunalverfassungen vorgegebene Haushaltsausgleich als Normalfall und Intention des Gesetzgebers. Danach decken alle Einnahmen prinzipiell alle Ausgaben – oder in der Doppik »die Erträge des Ergebnishaushalts die Aufwendungen des Ergebnishaushalts«. Der Konsolidierungsfall tritt ein, wenn genau das nicht funktioniert, indem die Aufwendungen bzw. Ausgaben die Erträge bzw. Einnahmen überschreiten.
Angesichts der Häufigkeit, in der bundesweit der Konsolidierungsfall für Kommunen eintritt, könnte man ins Grübeln kommen. Sind es wirklich nur die »hausgemachten«, internen Gründe, die ich im Kapitel 1.1 »Die wirklichen Gründe für defizitäre Haushalte« beschrieben habe, die letztlich den Konsolidierungsfall verursachen? Oder liegt das Problem eher auf der äußeren Ebene, die von den Kommunen nicht beeinflusst werden kann? Werden also die Kommunen von Bund und Land nicht ausreichend mit Finanzierungsmitteln oder zumindest positiven Rahmenbedingungen ausgestattet?
Die äußere Ebene wird durch den Bundes- oder Landesgesetzgeber als Rahmen vorgegeben. Diese Ebene verdeutlicht sich einerseits durch den verfassungsmäßigen Status, der den Gemeinden durch das Grundgesetz zugedacht ist, und andererseits durch die Regelungen über die Finanzausstattung der Gemeinden.
Der Status der Gemeinden ist im Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz mit dem Begriff »Selbstverwaltungsgarantie« umschrieben. Jedoch garantiert der Staat keine staatsorganisationsrechtliche Existenz einer bestimmten Einzelkommune, sondern gibt den vorhandenen Gemeinden das einschränkbare Recht auf Selbstverwaltung. Und obwohl sie »existieren«, haben die Gemeinden keine originäre Gesetzgebungsbefugnis über Steuern – die ergiebigste der ihnen zugedachten wenigen Einnahmequellen. Und da sind wir wieder zwangsläufig bei dem Dilemma der kommunalen Steuern, über das ich in Kapitel 1.3 geschrieben habe.
Vielmehr befinden sich die Gemeinden in einer finanzverfassungsrechtlichen Abhängigkeit von Bund und Ländern. Jegliche Gesetzgebungsbefugnis über die Steuern liegt nämlich nur bei Bund und Ländern (vgl. Artikel 105 Grundgesetz).
Wenn man jetzt denkt, Bund und Länder werden es schon richten oder gerichtet haben, so ist das dem Standpunkt des jeweiligen Betrachters vorbehalten. In jedem Fall steht fest:
Die Gemeindefinanzierung beruht auf zwar mehreren, jedoch nicht nachhaltig tragfähigen Säulen.
Bevor ich auf die wesentlichen Finanzierungskomponenten im Einzelnen etwas näher eingehe, werfen wir zunächst einen Blick auf die landesgesetzliche Festlegung zur Gemeindefinanzierung.
Das kommunale Haushaltsrecht als Teil der Finanzverfassung der Gemeinden ist durch den Landesgesetzgeber normiert. Dadurch verfügt jedes Bundesland über eigenständige Regeln, die jedoch im Vergleich untereinander ähnlich oder weitgehend wortgleich sind. Hierzu haben die Landesgesetzgeber eine Rangfolge der Einnahmebeschaffung für die Kommunen festgelegt. Als Beispiel schauen wir auf die Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern. Sie sieht hierzu folgende Regelung vor:
Art. 62 GO Grundsätze der Einnahmebeschaffung
(1) Die Gemeinde erhebt Abgaben nach den gesetzlichen Vorschriften.
(2) Sie hat die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Einnahmen
-
soweit vertretbar und geboten aus besonderen Entgelten für die von ihr erbrachten Leistungen,
-
im übrigen aus Steuern
zu beschaffen, soweit die sonstigen Einnahmen nicht ausreichen.
(3) Die Gemeinde darf Kredite nur aufnehmen, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich ist oder wirtschaftlich unzweckmäßig wäre.
Die anderen Bundesländer haben ähnliche Regelungen getroffen.
Der wesentliche Regelungsinhalt besteht aus der vorgegebenen Rangfolge der Einnahmebeschaffung, bei der die unbedeutenden Einnahmen Vorrang vor den aufkommensstärkeren genießen. Bereits das erschwert den Kommunen die Finanzierung. Allein mit den »sonstigen Einnahmen«, die im Wesentlichen aus der Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr, Mieten, Pachten und allgemeinen Zuweisungen bestehen, ist keine Gemeinde finanzierbar. Die danach vorgesehenen besonderen Entgelte für die von Ihnen erbrachten Leistungen zielen auf Verwaltungs- und Benutzungsgebühren ab. Einschränkend gilt dabei, dass diese nur »soweit vertretbar und geboten« erhoben werden dürfen.
Auch bis hierhin genügen die Finanzgarantien nicht, um der gemeindlichen Aufgabenvielfalt bei Allzuständigkeit für örtliche Angelegenheiten Herr zu werden. Es läuft damit zwangsläufig auf die subsidiäre Steuererhebung hinaus.
Den Gemeinden sind also Status und Finanzierungsrahmen gesetzlich vorgegeben. Ein Ausbruch aus diesem System ist nicht möglich. Der finanzielle Befreiungsschlag undenkbar. Das den Kommunen gesetzlich eingeräumte Steuerfindungsrecht für bisher noch nicht erhobene Steuern mit örtlicher Begrenzung auf das Gemeindegebiet stellt zwar theoretisch einen erweiterbaren Finanzierungsrahmen dar, scheiterte aber bisher in den meisten Fällen – aus unterschiedlichen Gründen. Entweder waren diese Steuern nicht aufkommenserheblich genug, um den durch ihre Erhebung entstehenden Verwaltungsaufwand zu rechtfertigen. Oder die Gemeinden hatten eine mächtige Lobby gegen sich – etwa bei der Getränkesteuer oder der Pferdesteuer. Oder die »erfundene« Steuer war bisher vorhandenen Landes- oder Bundessteuern zu ähnlich und durfte daher aus diesem Grund nicht »zusätzlich« eingeführt werden.
Wie ist es nun bestellt um die Steueranteile der Kommunen?
Artikel 106 Abs. 6 des Grundgesetzes lautet:
Artikel 106 Abs. 6 GG
Das Aufkommen der Grundsteuer und Gewerbesteuer steht den Gemeinden, das Aufkommen der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern steht den Gemeinden oder nach Maßgabe der Landesgesetzgebung den Gemeindeverbänden zu. Den Gemeinden ist das Recht einzuräumen, die Hebesätze der Grundsteuer und Gewerbesteuer im Rahmen der Gesetze festzusetzen.
Mit der Gewerbesteuer ist den Gemeinden die Besteuerung der Gewerbebetriebe im Gemeindegebiet ermöglicht. Die Steuer hat damit zwar einen klaren kommunalen Bezug, jedoch auch einige Nachteile. Der größte Nachteil ist die Konjunkturabhängigkeit der Gewerbesteuer. Sie unterliegt Schwankungen und ist als verlässliches Planungsinstrument insbesondere für die über das Haushaltsjahr hinausgehende fünfjährige Finanzplanung schwer kalkulierbar und verursacht daher bei den Kämmerern immer wieder rauchende Köpfe. Überdies werden Unternehmen bis zu einer bestimmten Größenordnung von ihr nicht erfasst. Schließlich können Gewerbebetriebe ihre Gewerbesteuerzahlungen auf die Einkommensteuer anrechnen lassen, wodurch es dort zu einem Minderaufkommen beiträgt, welches die Kommunen mindestens mittelbar auch betrifft. Alles in allem ist die Gewerbesteuer keine verlässliche Einnahmequelle der Kommunen.
Kreisangehörigen Gemeinden etwa verbleibt vom Gewerbesteueraufkommen in der Regel ein Drittel, während ein weiteres Drittel über die Kreisumlage an den Landkreis abzuführen ist und das letzte Drittel über die Gewerbesteuerumlage wieder an das Land abfließt.
Auf der Grundlage von Artikel 106 Abs. 5 Grundgesetz erhalten die Gemeinden einen Anteil an der Einkommensteuer. Der Artikel lautet wie folgt:
Artikel 106 Abs. 5 GG
Die Gemeinden erhalten einen Anteil an dem Aufkommen der Einkommensteuer, der von den Ländern an ihre Gemeinden auf der Grundlage der Einkommensteuerleistungen ihrer Einwohner weiterzuleiten ist. Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Es kann bestimmen, dass die Gemeinden Hebesätze für den Gemeindeanteil festsetzen.
Die Einkommensteuer ist eine Gemeinschaftssteuer, die originär Bund und Ländern gemeinsam zusteht. Einen Teil davon wird den Gemeinden aufgrund der oben zitierten Regelung zugewiesen.
Dieser Steueranteil verbessert zwar die Gemeindefinanzierung, ist aber erneut eine konjunkturabhängige Einnahmeart. Das nach dieser Regelung mögliche Hebesatzrecht ist den Gemeinden nicht eingeräumt worden. Das erschwert die Planungsmöglichkeiten noch obendrein, da die Höhe des Zuweisungsanteils nicht vorher bekannt oder beeinflusst werden kann. Zudem haben die Gemeinden als Pendant zum Gemeindeanteil an der Einkommensteuer die bereits erwähnte Gewerbesteuerumlage abzuführen.
Die in § 6 des Gesetzes zur Neuordnung der Gemeindefinanzen (Gemeindefinanzreformgesetz) im Einzelnen geregelte Gewerbesteuerumlage ist als finanzpolitischer Preis für die Beteiligung der Gemeinden am Aufkommen der Einkommensteuer anzusehen. Die bei Bund und Ländern durch die Überlassung eines Teils der Einkommensteuer an die Gemeinden entstehende Deckungslücke wäre anderweitig nicht zu schließen gewesen, wie es in einer Dokumentation des Bundesfinanzministeriums zur Entwicklung der Gewerbesteuerumlage seit der Gemeindefinanzreform 1969 lautet. Die Dokumentation kommt im Übrigen zu der Aussage, dass sich die gesamten Steuereinnahmen der Gemeinden von 1972 bis 2010 von 11,87 auf 57,22 Mrd. erhöht haben. Diese Aussage erlaubt meines Erachtens isoliert betrachtet keine klare Wertung, da sie den Aufgabenzuwachs der Gemeinden in dieser Zeit, insbesondere auch den durch die deutsche Wiedervereinigung verursachten Anteil, nicht gegenüberstellt.
Durch das...