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E-Book, Deutsch, Band 17, 96 Seiten

Reihe: Göttinger Gespräche zur Geschichtswissenschaft

Hölscher Neue Annalistik

Umrisse einer Theorie der Geschichte

E-Book, Deutsch, Band 17, 96 Seiten

Reihe: Göttinger Gespräche zur Geschichtswissenschaft

ISBN: 978-3-8353-2055-0
Verlag: Wallstein Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: 0 - No protection



Angesichts der Vielfalt und Unversöhnlichkeit geschichtlicher Erfahrungsräume im ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhundert stellt sich die Frage, wie die Geschichte noch als einheitliche Wirklichkeit gedacht werden kann.

Der geschichtstheoretische Entwurf, der darauf eine Antwort gibt, schreibt den historischen Ereignissen eine für den Zusammenhang des geschichtlichen Kosmos zentrale, allerdings ganz neue Bedeutung zu: Als Knotenpunkte verknüpfen sie die unterschiedlichsten Geschichten zu einem sich stetig erweiternden Gewebe historischer Sinn- und Ereigniszusammenhänge. Das »annalistische« Geschichtsbild ist gegenwarts- und vergangenheitszentriert zugleich. Historisch zu denken ist allerdings nur eine unter vielen Möglichkeiten der Aneignung von und Orientierung in der Welt - wenn auch eine bislang außerordentlich erfolgreiche.
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1;Inhalt;6
2;I. Die zerbrochene Geschichte;10
3;II. Das Problem;19
3.1;1. Die Herausforderung des Konstruktivismus;19
3.2;2. Die kompensatorischen Konstrukte;24
3.3;3. Der Zerfall der geschichtlichen Wirklichkeit;27
3.4;4. Fiktionalität und Fiktivität;31
4;III. Die historiographische Erklärungskraft der Zeit;36
4.1;1. Drei Formen des historiographischen;36
4.2;2. Leistungen und Grenzen;42
4.3;3. Die vergangene Zukunft;47
4.4;4. Der historische Orientierungsbedarf;53
5;IV. Die annalistische Geschichtsbetrachtung;58
5.1;1. Geschichte und Ereignis;58
5.2;2. Das historische Ereignis;60
5.3;3.Vom Wandel der Ereignisse;67
5.4;4. Der geschichtliche Standpunkt des Historikers;74
5.5;5. Tiefenstrukturen des geschichtlichen Raums;78
5.6;6. Historismus und neue Annalistik;82
6;Anmerkungen;87
7;Nachwort;94


IV. Die annalistische Geschichtsbetrachtung (S. 57-58)

1. Geschichte und Ereignis

Der entscheidende Vorzug der historischen Erzählung gegenüber der Chronik liegt, folgt man der Argumentation der narrativen Geschichtstheorie, in der weiten Entfaltung ihrer plot-Struktur. Das einer historischen Erzählung zugrunde liegende plot setzt sich ihr zufolge aus mindestens drei Elementen zusammen: einer Ausgangskonstellation, welche die Bedingungen des Fortgangs der Erzählung festlegt, einer Endkonstellation, die in signifikanter Weise von der Ausgangskonstellation abweicht und das Ergebnis der Erzählung enthält, und einem Mittelteil, der Peripetie, in der die Ausgangs- in die Endkonstellation überführt wird.

Jedes Ereignis innerhalb einer Geschichte ist so in einen diskursiven Gesamtzusammenhang eingebunden, der ihm seine narrative Bedeutung zuweist. Anders ausgedrückt: Die geschichtliche Bedeutung eines Ereignisses besteht in der Erzählung, wie es zu ihm gekommen ist und was aus ihm folgte.

Zweifellos befriedigt die historische Erzählung damit eine spezifisch historische Neugierde und kann somit als historische Erklärung des betreffenden Ereignisses gelten. Wirklich befriedigend ist eine solche Erklärung allerdings nur für fiktive, d. h. solche Ereignisse, die nichts anderes als Elemente einer Erzählung sind.

Handelt es sich hingegen zugleich um reale Ereignisse, auf die die historische Erzählung also nur als auf Elemente einer außerliterarischen Welt verweist, so erheben sich gegen eine solche Vorstellung von der Bedeutungsdefinition historischer Ereignisse Bedenken und Zweifel: Zunächst muss nämlich jedes real vergangene Ereignis – anders als fiktive Ereignisse – als Element nicht nur einer, sondern vieler, letztlich sogar potentiell unendlich vieler Geschichten verstanden werden.

Dabei ist es unerheblich, ob wir »die Geschichte« als historische Erzählung (fiction) oder als Zusammenhang realer Ereignisse (facts) begreifen. Denn in beiden Fällen besteht das Ereignis nicht nur als Element einer bestimmten Geschichte, sondern es lassen sich von ihm eine Vielzahl von Geschichten erzählen bzw. Zusammenhänge denken, in denen es ein mögliches Element bildet. Steht ein Ereignis jedoch im Kreuzungspunkt potentiell unendlich vieler Geschichten, so erweist sich auch seine historische Bedeutung als vieldeutig, ja letztlich als unerschöpflich.


Hölscher, Lucian
Lucian Hölscher, geb. 1948, ist Professor für Neuere Geschichte und Theorie der Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum und Vorstandsmitglied im Käte-Hamburger-Institut »Dynamiken der Religion zwischen Asien und Europa«.
Seine Forschungsschwerpunkte sind Kultur- und Religionsgeschichte, Begriffsgeschichte sowie Geschichtstheorie.


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