Hölkeskamp | Theater der Macht | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 713 Seiten

Reihe: Historische Bibliothek der Gerda Henkel Stiftung

Hölkeskamp Theater der Macht

Die Inszenierung der Politik in der römischen Republik

E-Book, Deutsch, 713 Seiten

Reihe: Historische Bibliothek der Gerda Henkel Stiftung

ISBN: 978-3-406-80694-0
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



500 Jahre währte die Geschichte der römischen Republik. Große Namen wie Brutus, Cato, Sulla, Caesar und Augustus ragen daraus hervor. Doch was war der Stoff, der ihre Welt im Innersten zusammenhielt? Ausgefeilt choreographierte Zeremonien und streng festgelegte Rituale der Macht, die in Rom wie auf einer Bühne inszeniert wurden! Triumphzug und Götterkult, Volksversammlung und Leichenbegängnis – alles fügte sich zu einer niemals endenden Aufführung, in deren unablässigem Vollzug jeder Bürger den römischen Kosmos wiedererkannte und verstand, wo darin sein Platz war.

Wer dieses Buch liest, versteht mit einem Mal, dass pomp and circumstance im alten Rom nicht einfach schmückendes Beiwerk imperialen Glanzes waren, sondern vielmehr Fundament und Rückgrat des römischen Staates bildeten. Die zahllosen Bauwerke und Denkmäler im Herzen Roms – die alle die Größe, die Heroen und die Ordnung der römischen Welt herauf beschwören – erweisen sich bei näherem Hinsehen als lebendige, bedeutungsvolle und wirkmächtige Kulisse, vor der einst das Theater der Macht aufgeführt wurde. Sie bildete den Raum, in dem Götter, Priester, Politiker und Volk einander begegneten, miteinander kommunizierten und agierten. Zugleich erschließt sich, wie wichtig die durchchoreographierten Triumphe und Trauerfeiern, die Volksversammlungen und Kulthandlungen, die dort inszeniert wurden, für die Zeitgenossen waren – dienten sie ihnen doch als Begründung und Beglaubigung der unvergänglichen Macht und Herrschaft Roms. Es war geradezu das Signum dieser Kultur, dass der Alltag der Politik auf dem Forum einerseits und die außeralltägliche Welt der Bühne, der Feiern und Spiele andererseits sich ebenso gegenseitig spiegelten bzw. teilweise durchdrangen wie die zeremoniellen, symbolisch-ausdrucksstarken Formen und zweckrationalen, technisch-instrumentellen Verfahren der Entscheidungsfindung. Das dabei verwendete Repertoire an Gesten, Gebärden und Formeln in öffentlicher Rede, Zeremonien, Ritualen und anderen Handlungen mit symbolischer Qualität erbrachte als wichtigste Leistung die ständige Vergewisserung und Verpflichtung aller Beteiligten und legte sie auf Akzeptanz und Verbindlichkeit der römischen Ordnung fest.
Hölkeskamp Theater der Macht jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


II Civic rituals und Stadtstaatlichkeit – (vor)modern und antik
Vos vero, Quirites, si me audire vultis, retinete istam possessionem gratiae, libertatis, suffragiorum, dignitatis, urbis, fori, ludorum, festorum dierum, ceterorum omnium commodorum. Ihr aber, Quiriten, wenn ihr auf mich hören wollt, haltet fest
an eurem Besitz: am Einfluss, an der Freiheit, am Stimmrecht, am Ansehen, an der Stadt, am Forum, an den Spielen, an den Festtagen und an all den übrigen Vorteilen. (Cicero, De lege agraria 2,71) Es ist keineswegs ein Zufall, dass gerade bahnbrechende Arbeiten über das breite Spektrum der elaborierten, mit Symbolen, Bildern und Botschaften gesättigten civic rituals in den Stadtstaaten Italiens seit dem Spätmittelalter, insbesondere im Florenz und im Venedig der Renaissance, in vielerlei Hinsicht als Initialzündung gewirkt zu haben scheinen. Gerade diese Studien zu Pomp und Prozessionen aller Art haben das neue Interesse an den politischen Kulturen vormoderner Stadtstaaten generell angetrieben. Nach wie vor resultieren wichtige theoretische und konzeptuelle Anregungen auch aus den Forschungen zu Strukturen, Institutionen und Verfahren, zu Charakter, Zusammensetzung und Räumen von Öffentlichkeit(en), zu Medien, Semiotik und Semantik der symbolischen Kommunikation in den europäischen Städten des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit.[1] 1.Ein antikes Ritual als Paradigma:
‹Triumphe› in Mittelalter und Renaissance
Über diese allgemeinen Anregungen hinaus lohnt ein genauer Blick auf deren jeweiliges kultur- und epochenspezifisches Repertoire an Medien und Ausdrucksformen dieser Kommunikation noch aus einem zweiten Grund. Ein vielfach thematisierter, daher besonders bekannter konkreter Gegenstand dieser kulturwissenschaftlich inspirierten Richtung war und ist nämlich die Frage nach Grammatik und Vokabular, Syntax und Semantik, Symbolik und Funktionen der zunehmend raffiniert choreographierten herrscherlichen Einzüge in (loyale oder auch unterworfene) Städte, die schon früh nach der Vorlage des antiken Triumphrituals ausgestaltet wurden. Damit bietet sich eine besondere Chance: Gerade durch den (kontrastierenden) Vergleich mit konkreten, absichtsvoll (und selektiv) an antiken Vorbildern orientierten Ritualen können wir versuchen, die römischen ‹Originale› und die kultur- und epochenspezifischen Voraussetzungen und Bedingungen ihrer Ausgestaltung präziser ein- und abzugrenzen – und damit auch ihr ureigenes Vokabular und ihre Syntax noch genauer zu lesen. Unmittelbar erkennbar ist diese Orientierung schon an dem (in jeder Hinsicht) triumphalen Einzug Kaiser Friedrichs II. von Hohenstaufen in Cremona im Jahre 1237, der seinen Sieg über Mailand und die lombardischen Städte mit einer Prozession durch die Stadt feiern ließ, in der typische Elemente des antiken Triumphrituals demonstrativ aufgerufen wurden: eine lange Reihe von Gefangenen – darunter der Doge von Venedig, der auf der falschen Seite gestanden hatte, mit einer Kette um den Hals – und die auf dem Schlachtfeld eroberten Kriegswagen der unterlegenen Seite, darunter der carroco, ein Kriegswagen, auf dem deren Anführer in Fesseln vorgeführt wurden.[2] Abb. 2.1: Andrea Andreani, Caesar auf dem Wagen, nach Andrea Mantegna, Der Triumph Caesars Zwei Jahrhunderte später, im Jahre 1443, zog König Alfonso V. von Aragon in triumphaler Manier in Neapel ein. Durch eine breite Bresche in der Stadtmauer fuhr der König auf einem vergoldeten hohen Wagen, der von vier (oder sechs) weißen Pferden gezogen wurde, durch die Stadt zum Dom. Begleitet wurde er von verschiedenen Gruppen von Reitern in unterschiedlichen Kostümierungen, einer Reihe von allegorischen Figuren und einem lorbeerbekränzten Caesar (oder Alexander), der auf einer sich drehenden Weltkugel stand und dem König in Versen die anwesenden Allegorien erläuterte, um sich dann selbst in den Zug einzuordnen. Jacob Burckhardt hat diese Ausstaffierung als Triumphzug treffend als «ein wundersames Gemisch von antiken, allegorischen und rein possierlichen Bestandteilen» charakterisiert.[3] Die Adaption zentraler Elemente des antiken Triumphrituals manifestiert sich besonders deutlich in der spektakulären ‹entrée› des französischen Königs Heinrich II. in Rouen im Jahre 1550, der auch schon in die Hauptstadt Paris, in Lyon und andere Städte eingezogen war. Dieses komplexe Ritual, seine Ausgestaltung und seine Varianten hatten zu diesem Zeitpunkt längst eine lange Tradition, gerade auch in Frankreich.[4] Seit dem späten 15. Jahrhundert spielte dabei ein besonderer Einfluss aus Italien eine zunehmende Rolle, der sowohl die Semantik als auch die Syntax der herrscherlichen Einzüge auch nördlich der Alpen verfeinerte und grundlegend veränderte. Durch den frühen Humanismus wurde nämlich der klassische Triumphzug der römischen Antike zum Vorbild und geradezu zu einer Art Blaupause für solche Festzüge und ihre Ausgestaltung zu symbolträchtigen Medien der Selbstdarstellung. Nicht nur standen um die Mitte des 15. Jahrhunderts bereits die durch die gelehrten Humanisten wiederentdeckten und nun auch veröffentlichten Texte mit detaillierten Beschreibungen antiker Triumphe zur Verfügung. Das gilt vor allem für Livius, aber auch, etwa in lateinischen Übersetzungen, für Plutarch, Appian und Flavius Josephus. Außerdem lagen bereits poetische Darstellungen, etwa Francesco Petrarcas Beschreibung des Triumphes des Scipio Africanus in seinem Epos Africa und sein Gedicht I Trionfi sowie eine ähnliche Schilderung in einem Gedicht Giovanni Boccaccios und auch erste Studien wie Flavio Biondos Roma Triumphans (1457–1459) vor. Vor allem aber erfreuten sich bildliche Darstellungen verschiedener Art einiger Beliebtheit und wachsender Verbreitung – der vom Marchese Francesco Gonzaga von Mantua in Auftrag gegebene große Gemäldezyklus von Andrea Mantegna, der den Triumph Caesars erstaunlich detailliert und präzise darstellte, ist nur das bekannteste Beispiel, und das liegt auch daran, dass der Zyklus zuerst durch Holzschnitte, später durch Stiche besonders bekannt und verbreitet war (Abb. 2.1).[5] Die Holzschnitte von Andrea Andreani und anderen scheinen den örtlichen Humanisten neben den klassischen Texten als wichtige Quelle für die Planung des erwähnten Einzugs Heinrichs II. in Rouen als, wie es heißt, «pareil triomphe à tous ceulx des Caesars» gedient zu haben. Die Wagen mit Trophäen an der Spitze des Zuges seien auch bewusst «à l’imitation expressé des Romains triomphateurs» gestaltet worden.[6] Ob die folgende Parade der 57 Vorfahren des Königs zu Pferd mit Kronen und Prachtgewändern eine vage Anspielung auf antike Begräbniszüge gewesen sein könnte, muss natürlich eine Spekulation bleiben. Man müsste dann voraussetzen, dass den erwähnten Humanisten auch Zeugnisse zu den Leichenzügen des römischen Amtsadels (pompae funebres) vorgelegen hätten, auf deren höchst eigentümliches Ritualvokabular und komplexe Syntax wir noch genau eingehen werden. Die allegorischen Figuren wie ‹Königliche Majestät› und ‹Gerechter Sieg› lassen sich allenfalls mit Mühe auf antike Vorbilder zurückführen – im Gegensatz etwa zu den dann folgenden Gruppen von Soldaten, die Modelle der eroberten Festungen in der Umgebung trugen. Das war, wie wir noch sehen werden, ein typisches Versatzstück der elaborierten Triumphe seit der mittleren römischen Republik, das auch von Andrea Mantegna dargestellt wurde. Zudem hat Mantegna ein weiteres wesentliches Element von Syntax und Vokabular prominent zur Geltung gebracht, nämlich die ko-präsenten Senatoren, die Soldaten und die Träger, die Beutestücke, antik anmutende Waffen, Panzer und Helme mitführen (Abb. 2.2). Abb. 2.2: Andrea Andreani, Waffen und Beute tragende Soldaten und Diener, nach Andrea Mantegna, Der Triumph Caesars Auffälligerweise fehlt aber eine Gruppe, die nach der eingangs entwickelten Konzeption eines Rituals eigentlich unverzichtbar ist: Mantegnas Zug scheint durch eine seltsam menschenleere Umgebung zu führen, das römische Volk als Publikum und ko-präsenter Adressat spielt hier keine Rolle – durchaus im Gegensatz zu den antiken Schriftquellen, die wir noch detailliert behandeln werden, und auch zu den Darstellungen verschiedener ...


Karl-Joachim Hölkeskamp ist Professor em. für Alte Geschichte (Universität zu Köln).


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.