Hlavac | Wiener Parkgeschichten | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

Hlavac Wiener Parkgeschichten

Von Gärtnern, Kaisern und Grünoasen
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-903217-74-4
Verlag: Amalthea Signum
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Von Gärtnern, Kaisern und Grünoasen

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

ISBN: 978-3-903217-74-4
Verlag: Amalthea Signum
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Streifzüge durch Wiens Grünoasen Wo wurde Österreichs erster Blindengarten errichtet? Was haben englische Gärtner mit dem ältesten Fußballverein Wiens zu tun? Welcher Park entstand auf einer Müllhalde und wo konnte man neben Wasser auch Milch trinken? Christian Hlavac entführt mit 'Wiener Parkgeschichten' in die Geschichte und Gegenwart zahlreicher Grünanlagen - ein kurzweiliger Ideengeber für abwechslungsreiche Entdeckungsreisen durch die Stadt. Aus dem Inhalt: Von Kühen und Kirschblüten Belvedere, Landstraße Venedig in Floridsdorf Wasserpark, Floridsdorf Von Diogenes zum Film: ein verstecktes Kleinod Dehnepark, Penzing Ist es eine Wiese? Adalbert Stifter und der Prater Prater, Leopoldstadt Japan und ein Flugzeughangar Setagayapark, Döbling und viele andere Mit zahlreichen Abbildungen in Farbe

Christian Hlavac, Dr., geboren in Wien, studierte Landschaftsplanung und Architektur und ist als Landschafts- und Gartenhistoriker tätig. Er schreibt regelmäßig über die Geschichte von Gärten und Parks, Gärtner und Gartenbesitzer in der Beilage 'extra' der 'Wiener Zeitung' sowie in den Zeitschriften 'Die Gartenkunst', 'Historische Gärten' und 'Stadt + Grün'. Zahlreiche Publikationen.

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Tastpflanzen und Akustikbrunnen. Ein Park für Blinde
Wertheimsteinpark, Döbling (19. Bezirk)
Mit dem im Oktober 1959 eröffneten städtischen Blindengarten im Wertheimsteinpark konnte Wien für sich beanspruchen, die erste Stadt auf dem europäischen Festland zu sein, die eine derartige Anlage gestaltete. In zahlreichen Pressemitteilungen und Broschüren wurde damals betont, dass es auf der ganzen Welt nur drei Gärten gäbe, die speziell für Blinde errichtet wurden: einen im südafrikanischen Johannesburg und zwei in Großbritannien. Heute wissen wir, dass in den 1950er-Jahren in Europa bereits Blindengärten in den britischen Städten Exeter, Edinburgh, Hove/Brighton und London existierten. Zweck des Wiener Blindengartens war – wie der Pressedienst der Stadt damals schrieb – die Förderung eines gesunden Heranwachsens blinder Kinder durch den Aufenthalt und das Spiel in Licht, Luft und Sonne. »Ihr Wissen soll außerdem durch eine eingehende Bekanntschaft mit der Pflanzenwelt erweitert und bereichert werden. […] So sollen die Blinden in diesem Garten ohne fremde Hilfe, ja sogar ohne ihren Führungshund, sich überall frei bewegen und orientieren können.« Die Verwirklichung des Blindengartens in Wien geht auf eine Idee des damaligen Leiters des Stadtgartenamtes, Alfred Auer, zurück, der auf seinen Studienreisen in England dazu angeregt wurde. Als Errichtungsort bestimmte man den zwischen der Döblinger Hauptstraße und der Heiligenstädter Straße liegenden Wertheimsteinpark, den man für den Blindengarten eigens erweiterte. Ende 1957 schrieb die Stadt Wien in Kooperation mit Vertretern von Blindenorganisationen und der Leitung des Wiener Blindenerziehungsinstituts einen Gestaltungswettbewerb für Gartenarchitekten aus. Der erste Preis ging an die Wiener Gartenarchitekten Viktor Mödlhammer und Josef Oskar Wladar. Mödlhammer ist später unter anderem als Planer des Rosariums in Baden bekannt geworden und durfte 1974 in Jerusalem – auf Anregung des damaligen Bürgermeisters Teddy Kollek – einen weiteren Blindengarten errichten. Besucherinnen im Blindengarten, um 1963 Die Bauarbeiten in Döbling begannen nach dem von Vizebürgermeister Karl Honay vorgenommenen Spatenstich und einigen notwendigen Detailänderungen im September 1958, basierend auf den Entwürfen der Preisträger. Die Eröffnung, über die alle Wiener Tageszeitungen ausführlich berichteten, nahm der damalige Wiener Bürgermeister Franz Jonas am 3. Oktober 1959 vor. Von Duftpflanzen und Eseln Bei der Gestaltung des Blindengartens wurde insbesondere auf gute Orientierungs- und Informationsmöglichkeiten für blinde Menschen, auf das Ansprechen aller Sinne und auf geeignete Aufenthalts- und Spielbereiche für Jung und Alt geachtet. Die Grundidee bestand darin, blinden Menschen die Beschäftigung mit Pflanzen ohne fremde Hilfe zu ermöglichen. Daher wurden an den beiden Eingängen Orientierungspläne mit Brailleschrift aufgestellt, die in Reliefform die Einrichtungen des 6000 Quadratmeter großen Blindengartens darstellten. Schon am Eingang in den Wertheimsteinpark an der Döblinger Hauptstraße fanden die Besucher in einem Kleinsteinpflasterstreifen einen taktilen Wegweiser vor, der am Haupteingang des Blindengartens endete. Gärtnerischer Höhepunkt der Anlage waren sieben erhöhte Beete mit Küchengewürzen, Heil- und Duftpflanzen, Sommerblumen, Rosen, Kleinkoniferen sowie Zwiebelpflanzen und Blütenstauden. Diese Bankette mit Duft- und Tastpflanzen wurden mit Tafeln bestückt, die in Braille- und Letternschrift Auskunft über Art und Verwendung jeder Pflanze gaben. Man setzte vor allem Pflanzen, die sich besonders gut durch Riechen oder Abtasten erkennen ließen, wie beispielsweise Lavendel, Minze, Heidekraut und Zwergfichte. Durch die Pflanzenwahl und einen Akustikbrunnen (Entwurf von Josef Seebacher-Konzut, ausgeführt vom Bildhauer Wander Bertoni) sollten Tast-, Geruchs- und Gehörsinn der blinden Besucher angesprochen werden. Der Brunnen war nach dem Zwölftonsystem gestimmt: Die Tropfen von drei Wasserstrahlfontänen fielen auf Messingresonanzplatten und erzeugten so verschiedene Töne. Ein sogenanntes Klubhaus mit Tischen, Bänken und Sesseln sowie Boxen für die Blindenhunde wurden in der südwestlichen Ecke der Anlage errichtet. Wie ein zeitgenössisches Foto vom Herbst 1959 belegt, gab es auf der Liegewiese neben dem Klubhaus Liegestühle und Sonnenschirme, später standen auch Hollywoodschaukeln dort. Ergänzt wurde das Areal durch die noch heute vor Ort existierende Plastik »Vogeltränke« von Andrea Schrittwieser und die ebenfalls von ihr gestaltete Plastik »Die Woge«. Von April bis September 1960 wurden in diesem Spezialgarten sage und schreibe 8500 blinde Besucherinnen und Besucher gezählt. In den 1960er-Jahren war der Blindengarten zumeist nur zwischen Ostern und Anfang Oktober von 9 Uhr morgens bis zum Einbruch der Dunkelheit geöffnet. Nahe der Heiligenstädter Straße legte das Stadtgartenamt damals auch einen Kinderspielplatz an, der heute allen Sicherheitsfachleuten ein Dorn im Auge wäre: Betonröhren und eiserne Klettergerüste auf Asphaltflächen drückten damals diesem Gelände für Kinder den Stempel auf. Gleich daneben gab es einen Kleintierstall mit einer Auslauffläche für Esel, Lämmer, Kaninchen und Ziegen. Besonderer Beliebtheit erfreute sich eine Eselfamilie, bestehend aus drei Tieren, welche im September 1968 allerdings durch zwei Islandpferde ersetzt wurde. Der vom Stadtgartenamt veranlasste Tausch fand – wie der Pressedienst der Stadt mitteilte – statt, »weil die Eselchen die unangenehme Eigenschaft haben, sich immer wieder im Schmutz zu wälzen. Die blinden Kinder, die das Erlebnis Tier ja nur mit Hilfe des Tastsinns empfinden können, werden nach dem Angreifen und Streicheln ihrer vierbeinigen Gefährten immer wieder schmutzig. Um diesem, für die Kinder nicht sehr glücklichen Zustand abzuhelfen, werden nun die Ponies im Blindengarten Einzug halten.« Was blieb vom Blindengarten? Mit der Übersiedlung des nahen Blindenerziehungsinstitutes in den Prater verlor der Blindengarten an Bedeutung. Alle Tafeln an den Beeten und am Eingang sind inzwischen verschwunden, die letzten Tiere des Tiergartens wurden in den 1980er-Jahren umgesiedelt, die Reste des Akustikbrunnens 2013 abgebaut, das Klubhaus 2014 abgerissen. Die Beete pflegte man nicht mehr, viele Pflanzenindividuen wuchsen stark in die Höhe und in die Breite oder sind durch Spontanvegetation verdrängt worden. Aufgrund der fehlenden Nachfrage funktionierte man 2014 die sieben Beete zu abgezäunten »Naturinseln« um, die nun unter anderem als Lebensräume für Mauereidechsen und Wildbienen dienen. Der Blindengarten war in den 1980er- und 1990er-Jahren versperrt, den Schlüssel erhielt man auf Nachfrage in der nahe gelegenen Gärtnerunterkunft. Im Jahre 2008 wurde die Fläche des Blindengartens in den übrigen Park integriert, indem man die niedrigen Tore nicht mehr versperrte. Ein Vorstoß der Stadt Wien, den Blindengarten im EU-weiten »Jahr der Menschen mit Behinderung« 2003 zu einem Mehrzweckgarten für verschiedene Arten der Behinderung zu adaptieren, wurde nicht weiterverfolgt. Nach Auskunft des Blindenverbandes bestand kein Interesse an der Fortführung des Blindengartens, da die zentralen Einrichtungen für Blinde in Wien inzwischen in weit entfernten Bezirken angesiedelt sind und nur mehr wenige blinde Menschen den weiten Weg in den 19. Bezirk auf sich nehmen würden. Andererseits haben sich auch die gesellschaftlichen Anforderungen an Grünräume geändert. Das Beispiel der Generationenspielplätze zeigt, dass nicht mehr nur für einzelne Zielgruppen Flächen zur Verfügung gestellt werden, sondern der Versuch unternommen wird, vielseitig nutzbare Grünräume zu schaffen, die barrierefrei von Menschen unterschiedlichen Alters oder unterschiedlicher physischer Verfassung benutzt werden können. Obwohl die Stadt Wien in einer Pressemitteilung im Oktober 2009 des 50-jährigen Jubiläums gedacht und so ein wenig Aufmerksamkeit auf diesen historischen Sondergarten gelenkt hat, löst sich diese spezielle Grünfläche seit Jahren im umliegenden Parkgelände auf. Oder anders ausgedrückt: Die Geschichte des Blindengartens ist auch eine Geschichte des Verlustes, denn alle paar Jahre verschwindet ein Teil seiner einstigen Ausstattung. So existiert seit der Neuasphaltierung der Parkwege im Sommer 2020 der taktile Wegweiser für Blinde, der Kleinsteinpflasterstreifen, nicht mehr. Er ermöglichte den Blinden, »ihren« Garten mit dem Blindenstock und somit ohne fremde Hilfe zu finden. Dazu passend gab es über viele Jahrzehnte in der Straßenbahnlinie 37 die Durchsage »Nächste Station: Wertheimsteinpark, Blindengarten«, mit der auf diesen besonderen Wiener Garten hingewiesen wurde. Aber an diese Worte aus dem Lautsprecher werden sich nur mehr ältere Semester erinnern können. Der Wertheimsteinpark Unweit vom einstigen Blindengarten befindet sich eines der ersten Denkmäler in Wien, das für eine Frau errichtet wurde. Das von Nadelbäumen beschattete Felsenmonument mit einer Inschriftentafel ist Franziska von...


Christian Hlavac, Dr., geboren in Wien, studierte Landschaftsplanung und Architektur und ist als Landschafts- und Gartenhistoriker tätig. Er schreibt regelmäßig über die Geschichte von Gärten und Parks, Gärtner und Gartenbesitzer in der Beilage "extra" der "Wiener Zeitung" sowie in den Zeitschriften "Die Gartenkunst", "Historische Gärten" und "Stadt + Grün". Zahlreiche Publikationen.



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