Ein Kriminalroman mit Lokalkolorit aus der Region Köln-Düsseldorf-Aachen
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
ISBN: 978-3-7578-2622-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dr. Volker Himmelseher ist Gesellschaftergeschäftsführer in einem größeren Unternehmen in Köln. Am Beginn seines Ruhestandes erfüllte er sich einen lang gehegten Wunsch und begann historische Romane und Kriminalromane zu schreiben. Gern setzt er die Geschehnisse in Gegenden, in denen er selbst längere Zeit gewohnt und besondere Ortskenntnis hat.
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Eindrücke der Annakirmes in der heutigen Zeit
Düren Ende Juli, der Tag der Eröffnung der Annakirmes war nah. Bürgermeister Norbert Nepomuk war früh aufgestanden, um noch einmal alle Punkte zu rekapitulieren, die ihn die nächsten Tage in seinem Amt beschäftigen würden. Sie gaben ihm die Möglichkeit, sich zu profilieren und seine Wählerschaft zu vergrößern. Deshalb ging er mit großem Ernst an die Vorbereitungen. Er hatte sich an der Kaffeemaschine ein Kännchen Kaffee gezogen und hatte eine Tasse vor sich stehen. »Schwarz wie meine Seele«, sagte er in solchen Fällen gern. Als Erstes hatte er die gestrigen Pressemeldungen überflogen. In der Nacht von vorgestern auf gestern war etwas passiert, was ihm schwer an die Nieren ging. War das etwa ein schlechtes Omen für den Verlauf der Annakirmes? Gegen 1:30 Uhr war ein 35-jähriger Motorradfahrer aus seiner Stadt kurz vor der Abfahrt Düren von Köln kommend tödlich verunfallt, als von hinten ein Pkw auf ihn auffuhr. Er wurde auf den linken Fahrstreifen geschleudert und dort von einem weiteren Auto überrollt. Die beiden Fahrer der Pkws kamen mit einem Schock ins Dürener Krankenhaus, blieben aber ansonsten unverletzt. Der Halter des Wagens, der den Motorradfahrer überfuhr, kam aus Großbritannien. Der andere aus Weisweiler. Gegen ihn wurde wegen fahrlässiger Tötung ermittelt. Die A4 blieb bis in den Nachmittag hinein gesperrt. War das Schicksal des Dürener Bürgers schon schlimm genug, so wollte sich Nepomuk gar nicht vorstellen, was ein solches Unglück am Tage der Kirmeseröffnung bedeutet hätte. Eine Vielzahl von Gästen aus Richtung Köln hätte im Stau gestanden, anstatt sich in Düren zu vergnügen. Nepomuk schüttelte sich und hoffte, damit auch dieses schlimme Ereignis aus seinem Kopf zu vertreiben. Viele Menschen hatten dieses Gefühl schon einmal erlebt: Man denkt an so etwas, und wenig später passiert es wirklich. Pessimismus passte nicht zu den Aufgaben, die er nun noch einmal durchgehen wollte. Mit Stolz trat das gesamte Kirmesgelände vor sein inneres Auge. Es wurde von der Aachener Straße, der Rütger-von-Scheven-Straße und der Rur begrenzt und beherbergte das größte Volksfest in der Euregio Maas-Rhein-Region. Da musste er sich auf jeden Fall als Spezialist für Sicherheit hervortun. Nepomuk rief sich einige wichtige Aspekte in Erinnerung. Nur die Aachener Straße und die Rütger-von-Scheven-Straße boten Zugang. An den Eingängen wurden stichprobenartige Kontrollen der Taschen und Rucksäcke durchgeführt. Dunkelgrüne Fahnen mit einem weißen Rechteck signalisierten den schnellsten Fluchtweg für die Besucher im Ernstfall, der hoffentlich nie eintreten würde. Die meisten Zufahrtsstraßen waren durch Straßensperren abgeriegelt und mit HTR-Sperren gesichert. Nur wenige Parkplätze waren Anliegern vorbehalten. Für Behinderte gab es einige wenige dicht dabei. Ein Großteil der Gäste wurde animiert, weiter außerhalb der Stadt zu parken und mit der P&R-Buslinie zum Kirmesgelände zu kommen. Dort standen auch die meisten Reisebusse. In allen Farben mit ausländischen Nummernschildern, bevorzugt aus dem Dreiländereck, spuckten sie vergnügungssüchtige Touristen aus, ganz wie er sich das wünschte. Dann schoben sich die Menschentrauben mit großer Geräuschkulisse Richtung der Busse und später durch die Wege des Kirmesgeländes, um zu staunen, die Geräte zu benutzen und zu konsumieren. Das Sicherheitskonzept stand, aber es musste jetzt auch wirklich alles gelingen. Neun Tage drehte sich nun alles um diese Kirmes. Sie bestimmte das öffentliche Leben. Nach sehr genauen Schätzungen würde knapp eine Million Besucher zu Gast sein. Als Nächstes beschäftigte sich Norbert Nepomuk mit den Highlights der diesjährigen Annakirmes. Im Rathaus fand dazu mit dem Vorsitzenden des Verbandes reisender Schausteller Düren, Kurt Ellwanger, ein Podiumsgespräch statt. Man wollte die neuen Sensationen in allen Facetten vorstellen. Dieser Mann war Fachmann dafür, aber Nepomuk wollte ihm nicht nachstehen. Er hatte sich mit den vielen Überraschungen bekannt gemacht: Die Geisterbahn hatte es ihm besonders angetan. Sie hatte den ambitionierten Namen »Geisterstadt«. Ein großer Düsseldorfer Schausteller hatte sich dafür extra in den USA umgesehen. Dort herrschte schließlich der Halloweenkult. Er glaubte die dortigen Hersteller für jede Überraschung gut und sollte recht behalten. Der Düsseldorfer erwarb besonders aufwendig gefertigte Gruselfiguren. Sie waren mit Druckluftmechanik extrem beweglich. Er hatte immerhin zwanzig Stück von ihnen in seiner Geisterbahn verbaut. Die Reklame versprach, dass aus der Dunkelheit der Bahn unter anderem ein Monster mit einer Kettensäge in den Händen, die täuschend echt aufkreischte, aus dem Nichts auf die Besucher zuschoss und sie bis ins Mark erschreckte. Das Ganze war nichts für schwache Nerven. Bis zu 750 Fahrgäste konnte man pro Stunde durch die Bahn schleusen, alle 12 Sekunden eine Gondel, damit die Monsterfiguren auch wieder auf ihre Ausgangspositionen zurückkehren konnten. Ein denkmalgeschütztes Fahrwerk mit dem Namen »Fahrt ins Paradies« aus dem Jahr 1939 wollte er auf jeden Fall erwähnen. Es passte nach seinem Verständnis so gut zu dem Geruch von gebrannten Mandeln und den weißen Gebilden aus Zuckerwatte. Besonders die Kinder würden es lieben. Und die wurden schließlich auch einmal Wähler und hatten wählende Eltern. Kurz vor Toresschluss konnte noch der 80 Meter hoch fliegende Kettenflieger »Around the World« als Attraktion gewonnen werden. Sie hatte natürlich bei den Tickets ihren Preis, aber wer auf ihr gesessen hatte, hatte Verständnis dafür. Ohne Knete keine Fete! Diese exzellente Technik musste bezahlt werden. Als weitere Megaattraktion hatte der Bürgermeister die Überschlagschaukel »Infinity« im Sinn behalten. Mit einer Looping-Fahrt in 60 Meter Höhe würde sie jeden Mutigen begeistern. Er hörte förmlich das Geschrei in seinen Ohren, wenn die Schaukel Fahrt aufgenommen hatte und kurz vor dem Überschlag stand. Das Rundfahrgeschäft »Escape – Flight of Fear« war technisch vollständig ausgereift. 30 bequeme Einzelsitze, die mit besonderen Schlossbügeln äußerste Sicherheit garantierten, rotierten mit gegenläufigen Fahrbewegungen in einer Flugbahn von einem bis sechs Meter Höhe und vermittelten so ein bisher unbekanntes Fluggefühl. Die Sturzfahrt jeder einzelnen Gondel verlief willkürlich und unvorhersehbar. Für den Bürgermeister war das Gerät zu krass. Auch der Ritt auf dem »Flipper« war vielversprechend. Auf einer bis zu 55 Grad geneigten Radscheibe, deren Fahrweise auf die Stimmung des Publikums abgestimmt werden konnte, würde bei allen Gästen Adrenalin freigesetzt. Aus Italien stammten die neuen Wagen des Autoscooter-Betreibers, die driften konnten. »Stückpreis 6000 Euro«, verriet der Dürener Schausteller. »Es gibt bislang nur vier Betriebe in Deutschland, die über diese neue Technik verfügen, zwei stehen auf der Annakirmes.« Gedriftet wird über die Hinterachse, immer dann, wenn der Mann an der Kasse dies per Funksignal freigibt, erklärte der 40-Jährige. Er war selbst überrascht gewesen, wie gut die neuen Wagen angenommen wurden und kündigte fürs kommende Jahr weitere »Drifting-Scooter« an. Lenkt der Fahrer nach links, bricht das Heck des Scooters nach rechts aus. Die Schaukel »XXL Flight«, die nicht über Kopf fuhr, konnte speziell für Kinder von der Höhe 21 Meter auf maximal 10 Meter gesenkt werden. Sie würde besonders am Kindertag der Renner sein. Auch eine Achterbahn fehlte nicht. Die »Crazy Mouse« bot eine besonders enge Kurvenfahrt in drehenden Gondeln, bis man wirklich völlig schwindlig war. Last, but not least war der »Breakdance No.1« das rasanteste Fahrgeschäft des Jahres. Es bot immer wieder neue Bewegungsabläufe und war für Teenies ein Muss und der Treffpunkt für eine Mutprobe. Den Bürgermeister grauste es schon, wenn er an das Gerät dachte. Aber es gab auch noch viele andere Fahrgeschäfte, die nur für die Tollkühnen unnötige Zugabe waren, ansonsten jedoch viele Freunde fanden: Ein Laufgeschäft warb mit 50 Hindernissen, einem Parcours von Wasserspielen, durch Feuerfackeln, über Hängebrücken und unter einem Wasserfall durch. Ein Lachhaus von vier Etagen mit vielen spaßigen Hindernissen garantierte unendliche Fröhlichkeit. Ganz Faule konnten im »9D Action Cinema« mit der 3D-Brille auf der Nase im Kinosessel viele Abenteuer in Spezialeffekten und dreidimensional erleben. Das größte reisende Riesenrad mit drehenden Gondeln bot einen Blick über das ganze Kirmesgelände und drehte ruhig und friedlich seine Runden. Norbert Nepomuk hatte sich auf einem Spickzettel die Namen aller Geräte aufgeschrieben,...