Heyse / Schulze | Der Weinhüter | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 144 Seiten

Reihe: 99 Welt-Klassiker

Heyse / Schulze Der Weinhüter

Novelle

E-Book, Deutsch, 144 Seiten

Reihe: 99 Welt-Klassiker

ISBN: 978-3-96281-137-2
Verlag: Null Papier Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Neue Deutsche Rechtschreibung Paul Johann Ludwig von Heyse (15.03.1830-02.04.1914) war ein deutscher Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer. Neben vielen Gedichten schuf er rund 180 Novellen, acht Romane und 68 Dramen. Heyse ist bekannt für die 'Breite seiner Produktion'. Der einflussreiche Münchner 'Dichterfürst' unterhielt zahlreiche - nicht nur literarische - Freundschaften und war auch als Gastgeber über die Grenzen seiner Münchner Heimat hinaus berühmt. 1890 glaubte Theodor Fontane, dass Heyse seiner Ära den Namen 'geben würde und ein Heysesches Zeitalter' dem Goethes folgen würde. Als erster deutscher Belletristikautor erhielt Heyse 1910 den Nobelpreis für Literatur. Null Papier Verlag

Paul Heyse (1830-1914) ist ein Mitglied der Riege deutscher Literaturnobelpreisträger. Er bekam den Preis 1910 als erster deutscher Dichter überhaupt verliehen - Mommsen (1902) war Historiker. Theodor Fontane glaubte 1890, dass Heyse seiner Epoche »den Namen geben« und ein »Heysesches Zeitalter« dem Goetheschen folgen werde. Heyse war Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer. Er pflegte zahlreiche Freundschaften und war auch als Gastgeber berühmt. Viele seiner Novellen siedelte Heyse in seiner Wahlheimat Italien an.
Heyse / Schulze Der Weinhüter jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Der Weinhüter
(1862-63) Im September eines Jahres, dessen Stadt- und Dorfgeschichten aus Menschengedenken schon entschwunden sind, saß um die schwüle Mittagszeit ein junger Bursch mitten in dem wuchernden Rebenwald, der, dicht an die Stadt Meran herantretend, die Südabhänge des Küchelberges bedeckt. Die übermannshohen Laubengänge, in denen hier der Wein gezogen wird, waren mit dem Segen dieses Jahres so beladen, dass ein dunkelgrünes Zwielicht durch die langen lautlosen Gassen schwebte, zugleich eine träge stockende Glut, in der kein Luftzug Wellen schlug. Kaum wo die kleinen Felstreppen zwischen den einzelnen Weingütern schroff bergan laufen, spürte man, dass man ins Freie auftauchte. Denn das Meer von Siedeglut, das in dem weiten Talkessel wogte, schlug hier doppelt schwer über dem unbeschützten Haupte zusammen. Auch sah man selten einen Menschen des Weges wandern. Nur zahllose Eidechsen liefen feuerfest treppauf treppab und raschelten durch das zähe Efeugestrüpp, das die Grundmauern der Rebenäcker reichlich umrankt. Die dunkelblauen Trauben mit den großen dickschaligen Beeren hingen dicht gedrängt oben an der Wölbung der Laubengitter, und ein seltsam perlender Ton ward in der tiefen Mittagsstille dann und wann hörbar, als kreise vernehmlich der Saft und koche am Sonnenfeuer in dem edlen Gewächs. Der Bursch aber, der in halber Höhe des Berges einsam unter den Reben saß, schien für diese geheimnisvolle Naturstimmung taub und ganz seinen eignen düstern Gedanken hingegeben. Er trug die uralte abenteuerliche Tracht der Weinhüter oder »Saltner«, die lederne Joppe, ärmellos, mit breiten Achselklappen, an denen über den Hemdsärmeln die ledernen Manschetten durch schmale Riemen oder silberne Kettchen festgehalten werden, Kniehosen und Hosenträger ebenfalls von Leder und mit dem breiten, daumendicken Gurt umgürtet, auf dem in weißer Stickerei der Namenszug des Eigners steht, die weißen Stutzenstrümpfe mit durchbrochenem Muster, um den Hals allerlei Zierrat von Kettchen, Eber- und Murmeltierzähnen. Aber die Hauptstücke seiner Amtstracht lagen neben ihm im Grase: der hohe dreieckige Trutzhut, über und über mit Hahnen- und Pfauenfedern, Fuchs- und Eichhornschwänzen verbrämt, keine kleine Last zur Zeit der Traubenreife, und die lange wuchtige Hellebarde, mit der die Saltner ihrer drohenden Erscheinung Nachdruck zu verleihen wissen, wenn ein unbefugter Eindringling in ihr Gebiet nicht gutwillig das Pfandgeld erlegen will. Tag und Nacht, ohne Ablösung, ohne Sonntagsruhe und Kirchgang, um einen mäßigen Lohn durchstreifen diese »lebendigen Vogelscheuchen« jeder das ihm zugewiesene Revier, von der Mitte des Juli, wo die ersten Beeren süß werden, bis die letzte Traube in die Kelter gewandert ist. Ihr saurer Dienst in Hitze und Nässe, obdachlos bis auf den kümmerlichen Schutz ihres Maisstrohschuppens, ist dennoch ein Ehrenamt, zu dem nur die rechtschaffensten Burschen ausersehen werden. Auch haben die gelinden sternklaren Nächte in der freien Höhe, während in den Häusern die Tagesschwüle kaum je verdampft, ihren Reiz, und die Besitzer der Weingüter lassen sich’s angelegen sein, die Wächter mit Wein und Speisen reichlich zu versorgen, um sie bei Kräften und guter Laune zu erhalten. Es schien jedoch dieses Mittel bei dem finstern Burschen, dem wir uns genähert haben, nicht anzuschlagen. Er hatte den Krug mit rotem Wein, das Brot und die großen Schnitte geräucherten Fleisches, die ihm eben erst zur Mittagskost ein kleiner Knabe heraufgeschleppt hatte, unberührt neben sich stehen auf dem platten Stein, der seinen Tisch vorstellte. Eine sehr kleine geschnitzte Pfeife mit silbernem Kettchen war ihm schon lange ausgegangen, und trübsinnig verbiss er die Zähne in das weiche Holz. Er mochte etwa dreiundzwanzig Jahre alt sein, der Bart krauste sich leicht um Kinn und Wangen, die scharfen Züge des Gesichts deuteten auf frühe Leidenschaften; die Stirn aber war, nach der Landessitte, von den Haaren verhängt, die, früh schon dicht über den Augenbrauen abgeschnitten, sich in einzelne Locken gewöhnt hatten und um Schläfe und Nacken ebenfalls gelockt herabhingen. Das gab dem Kopf alle Jugendfrische zurück, die ihm die Schatten unter den dunklen Augen zu nehmen drohten. Ein langsamer Schritt, der sich unten auf dem Fußsteige näherte, machte, dass er plötzlich aufstarrte, den Hut aufsetzte und die Hellebarde ergriff. Man konnte jetzt sehen, dass sein Wuchs hinter dem landüblichen etwas zurückgeblieben war, immer noch stattlich genug und durch das schönste Ebenmaß der gewölbten Brust und der straffen Schenkel auffallend auf den ersten Blick. Nur der Kopf schien fast zu klein geraten und Hände und Füße gar mit einem Weibe ausgetauscht. Geräuschlos glitt die schmiegsame Gestalt unter den Gewölbegittern entlang, ohne auch nur eine Traube zu streifen, und spähte vom nächsten Felsenvorsprung hinunter auf den Weg. Eine schmale, schwarzröckige Figur mit hohem, sehr abgetragenem Filzhut kam die breite Gasse zwischen Weinberg und Wiese dahergewandelt, im Schatten der Weidenbäume, ein offenes Buch in den gefalteten Händen, über das hinaus der Blick zufrieden und unbegehrlich nach den schönen Trauben schweifte. Auch ohne den langen Rock, der fast zu den Knöcheln der schwarzen Strümpfe herabreichte, hätte jeder in dem bedächtigen Spaziergänger alsbald die geistliche Person erkannt, und zwar an einigen der liebenswürdigsten Züge, die der großen und mannigfaltigen Gattung unter gewissen Himmelsstrichen eigen sind. Damals war der heftige Parteienhader zu Gunsten der Glaubenseinheit in dem gelobten Lande Tirol, wo die Milch des Glaubens und der Honig des Aberglaubens so lauter fließen, noch eine unerhörte Sache, und selbst die Hauptstadt des alten Burggrafenamts Meran, in der vorzeiten mancherlei Regungen eines neuen Geistes unliebsam die Ruhe gestört hatten, war wieder in tiefen Frieden zurückgesunken. Also hatten die Diener der Kirche keine Ursache, ihren Hirtenstab als Waffe zu schwingen, und konnten mit aller Gemütsruhe die idyllischen Tugenden ihres Standes pflegen. Damals begegnete man nicht selten jenen bescheidenen geistlichen Gesichtern, auf denen eine gewisse Verlegenheit über ihre eigene Würde deutlich zu lesen war, eine stete Sorge, der Majestät des lieben Gottes,...


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.