Heyden Am Deich - Folge 008
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-8387-5235-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Nur ich entscheide, wen ich liebe!
E-Book, Deutsch, Band 8, 64 Seiten
Reihe: Am Deich
ISBN: 978-3-8387-5235-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Die hübsche Gesche kämpft auf Sylt um ihre Liebe Gesche liebt Thorben, und Thorben liebt Gesche. Alles könnte wunderschön sein, wenn nicht Gesches Eltern - der reiche Kaffeehändler Ewald Landsberg und seine Frau Thea - fest davon überzeugt wären, dass der aus einfachen Verhältnissen stammende Thorben nicht gut genug für ihre Tochter ist. Weil der angehende Hotelfachwirt nicht möchte, dass seine Liebste sich ständig zwischen ihm und ihren Eltern entscheiden muss, beschließt er deshalb schweren Herzens, sich von Gesche zu trennen und für eine Weile in einem kleinen Hotel auf der Nordseeinsel Sylt anzuheuern. Die schöne Gesche versteht die Welt nicht mehr! Warum tut Thorben das? Ist seine Liebe für sie etwa nicht stark genug, um allen Widerständen zu trotzen? Nachdem sie einige Wochen in tiefste Verzweiflung versunken ist, fasst sie schließlich einen weitreichenden Entschluss: Sie wird Thorben nach Sylt folgen und dort um ihre Liebe kämpfen. Wenn es sein muss, mit allen Mitteln...
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„So geht das nicht!“ Mit großem Bedauern, doch wild entschlossen ergriff Thorben die kleinen schlanken Hände seiner Freundin. Um ihre erotischen Absichten zu verdeutlichen, hatte sie auf eine überaus sinnliche Weise begonnen, sein Hemd aufzuknöpfen. Er trug gern und ausschließlich Hemden, meist weiße, glatt gebügelte. Das ließ ihn gepflegt und seriös wirken, und Thorben van Dijk legte großen Wert auf ein solches Erscheinungsbild. Zu oft hatte er leidvoll erfahren müssen, dass ein legeres Äußeres auf Vorurteile stieß und er in eine bestimmte Schublade gesteckt wurde – vor allem, wenn dann noch bekannt wurde, woher er kam. Das betraf vor allem potenzielle Arbeitgeber, und er konnte es sich nicht leisten, aus fadenscheinigen Gründen abgelehnt zu werden. Ein weißes, gebügeltes Hemd machte ihn auch visuell zu dem verantwortungsbewussten jungen Mann, der er in der Tat war. Er seufzte entsagungsvoll, als Gesche nun ihren reizenden Schmollmund zog. Mit ihren schulterlangen, blonden Locken und der zierlichen, jedoch durchaus weiblichen Figur war sie der Inbegriff eines Männertraums. Zumindest war Gesche Landsberg sein Traum, und ein Traum würde sie wohl auch bleiben. Das war ihm an diesem Abend schmerzlich bewusst geworden. Noch einmal nahm er ihren Anblick in sich auf, als wollte er ihr Bild für immer in sein Herz einbrennen. Gesche Landsberg war zwanzig Jahre alt und die ausnehmend schöne, aber eben auch verwöhnte Tochter des reichen Kaffeehändlers Ewald Landsberg und seiner Frau Thea, die als Immobilienmaklerin ein äußerst erfolgreiches und profitables Unternehmen führte. Beide liebte ihre Arbeit so sehr, dass sie wenig Zeit für ihre Tochter aufbrachten. Gesche war von Kindermädchen erzogen worden, und zum Ausgleich für die mangelnde Zuwendung hatten ihre Eltern sie mit materiellen Gütern überschüttet. Obgleich ihr nie etwas verwehrt worden war und sie immer alles bekam, was sie wollte, war aus Gesche Landsberg eine sympathische junge Frau geworden, die keine Vorurteile kannte und ein großes Herz hatte. Thorben van Dijk liebte ihre klaren blauen Augen, die ihrem samtenen Teint ein fast überirdisches Strahlen verliehen. Sie war eine kleine Göttin, und er betete den Boden an, über den sie ging. Leider war eine Göttin nicht für einen Mann wie ihn geschaffen. Die Unterschiede zwischen ihnen hätten größer gar nicht sein können, dennoch hatte er eine Zeit lang gehofft, es würde gut gehen. Doch dieser Abend hatte ihm gezeigt, wie sinnlos diese Hoffnung war. „Ich weiß, es war eine blöde Idee“, gab Gesche nun zu, denn sie wusste genau, worauf ihr Freund anspielte. Er nickte. „Das siehst du ganz richtig!“ Gesche – die zu engen modischen Jeans eine gerüschte, halbtransparente, geblümte Bluse trug – ließ sich auf die Bettkante sinken. Thorbens Ein-Zimmer-Apartment in Bremen-Neustadt war wahrlich nicht groß. Neben dem schmalen Bett beherbergte es nur noch einen kleinen Kleiderschrank, eine winzige Kochnische und eine Essecke. Für mehr war kein Platz. Aber die Miete war günstig, und die Wohnung hatte sogar einen kleinen Balkon. Zudem ließen die hohen Fenstertüren viel Licht in das Zimmer und sorgten für eine freundliche Atmosphäre. Jetzt war es Gesche, die seufzte. „Ich habe es doch nur gut gemeint“, versicherte sie ihm mit klarer Stimme. „Ich dachte, es wird Zeit, meine Eltern und dich an einen gemeinsamen Tisch zu bringen. Du wärst doch nie gekommen, wenn ich dir gesagt hätte, dass die Einladung nicht von meinem Vater kommt, sondern ich dich zum Essen eingeladen habe!“ Thorben hob vorwurfsvoll die Augenbrauen. „Unwillkommener als ich heute Abend ist wohl noch nie ein Mensch gewesen! Und das kann ich deinem Vater nicht einmal verdenken, Gesche. So etwas geht nicht! Du hast deine Eltern überrumpelt – und mich auch.“ Gesche musterte ihren Freund, wie er da groß und schlank – fast schon ein wenig schlaksig – an der Balkontür stand, die Hände fest in den Taschen seiner Jeans vergraben. Sein schmales Gesicht mit den warmen braunen Augen wirkte ernst. „Man sollte nicht glauben, dass du schon zwanzig Jahre alt bist. Du benimmst dich manchmal wie ein Kind“, hielt er ihr vor und provozierte damit einen erneuten Schmollmund. „Und dir merkt man nicht an, dass du erst dreiundzwanzig bist“, konterte sie. „Du benimmst dich manchmal wie ein uralter Mann mit unendlich viel Lebenserfahrung. So richtig spießig!“ „Lieber spießig als überspannt!“ Thorben zog sich nun einen der Küchenstühle heran und setzte sich ihr gegenüber. Um Verständnis flehend nahm er ihre Hände in seine, und Gesche begriff sofort, dass dies eine überaus ernste Angelegenheit zu werden versprach. „Dein Vater wird mich nie akzeptieren, Gesche. Das ist mir heute Abend mehr als deutlich geworden. Er wird alles tun, um uns auseinanderzubringen. Und du weißt, er hat die Macht dazu. Wenn er es darauf anlegt, kann er mir ungeheuer schaden!“ „Aber das wird er nicht“, versicherte Gesche ihm. „Paps liebt mich, und er weiß, wie viel mir an dir liegt.“ „Er ist überzeugt, dass es ein Fehler war, sich mit mir einzulassen, Gesche.“ Thorben lachte bitter auf. „Für deinen Vater bin und bleibe ich der Junge aus Osterholz-Tenever und gehöre zu dem ‚asozialen Pack‘, das in seinen Augen dort lebt: Ausländer, Asylanten, arbeitsscheue Hartz-IV-Empfänger. Und was meine Familie betrifft, hat er da ja gar nicht mal unrecht! Mein Vater trägt das Geld vom Amt in die nächstbeste Kneipe, und meine Mutter hockt den ganzen Tag vor ihren Seifenopern. Sie versorgt meine Geschwister nur mit dem Nötigsten und lässt sie ansonsten laufen. Ist es da ein Wunder, dass sie inzwischen wegen Ladendiebstählen und Bettelei bei der Polizei bekannt sind?“ „Aber du hast es doch auch geschafft, dich diesem Sumpf zu entziehen“, erinnerte Gesche ihn. Thorben verzog die Lippen. „Das habe ich nicht meinen Eltern zu verdanken, wie du weißt. Im Gegenteil, sie haben alles versucht, mich wieder zu ihnen runterzuziehen. Sie wollen kein gutes Vorbild, und sie schämen sich vor ihren Nachbarn für den Sohn mit Abitur. Mein Glück war, dass meine Mutter mich frühzeitig in einem Kinderhort abgeliefert hat, um ihre Ruhe zu haben. Wenn ich meine Erzieherin nicht gehabt hätte …“ Er schüttelte den Kopf, denn ihm war klar: Wenn Antje Vissmann sein Potenzial nicht erkannt und ihn nach Kräften gefördert hätte, wäre er wie seine Eltern Stammkunde des Jobcenters geworden. Selbst als er längst zu Schule ging, war Antje Vissmann immer seine Anlaufstelle gewesen. Bei ihr hatte er seine Hausaufgaben gemacht, weil seine Familie seinen Ehrgeiz nicht verstanden hatte. Antje Vissmann jedoch hatte ihm den Rücken gestärkt und ihn aufgebaut, wenn er aufgeben wollte. Irgendwann jedoch – da ging er schon zum Gymnasium – hatte sie geheiratet, war aus Bremen weggezogen und ihrem Mann ins Ausland gefolgt. Eine Zeit lang hatten sie sich noch geschrieben, doch nach und nach war der Kontakt eingeschlafen, und Thorben hatte sie aus den Augen verloren – was er sehr bedauerte! Doch noch heute gab die Erinnerung an sie ihm Kraft und verlieh ihm den Mut, seinen Weg zu gehen. Sein Traum war es inzwischen, irgendwann einmal ein großes Hotel mit internationalem Flair zu leiten. Ein Luxushotel! Dafür wollte er studieren, und er tat alles, was nötig war, um sich dieses Studium zu finanzieren, ohne den Staat in Anspruch nehmen zu müssen. So hatte er eine Ausbildung zum Gastronomiefachwirt absolviert, arbeitete nun als Kellner und legte das häufig reichlich bemessene Trinkgeld für diesen Traum zur Seite. Um mehr sparen zu können, hatte er einen zweiten Job als Lagerarbeiter in einem der Lagerhäuser im Hafen angenommen. Dort lagerte der Kaffee, mit dem Ewald Landsberg handelte. Die Landsbergs gehörten zu einer der wohlhabendsten und einflussreichsten Familien der Hansestadt. Seit Generationen schon dominierten sie den Kaffeehandel. In einem der Landsbergschen Lagerhäuser hatte Thorben auch Gesche kennengelernt, die auf der Suche nach ihrem Vater gewesen war. Mit ihrer Unvoreingenommenheit, ihrem fröhlichen Lachen, dem Temperament und der Spontanität hatte sie ihn sofort in ihren Bann gezogen, und es hatte nicht lange gedauert, bis aus ihnen ein Liebespaar geworden war. Gesche war die Frau seines Lebens, und er liebte sie über alle Maßen, darüber war sich Thorben van Dijk im Klaren. Und doch gab es keine Zukunft für sie beide! Sobald Ewald Landsberg von ihrer Beziehung erfahren hatte, hatte er sich gegen sie gestellt und als Erstes dafür gesorgt, dass Thorben seinen Job im Lagerhaus verlor. Doch Gesche, obwohl Widerstand nicht gewohnt, hielt zu ihm, und das rechnete er ihr hoch an. Sie liebte ihn, und dieses Gefühl war so neu und so unfassbar, dass er es kaum glauben konnte. Er war nicht nur eine nette Abwechslung für die verwöhnte Tochter aus reichem Haus, sondern viel mehr. „Ich weiß, ich kann es aus eigener Kraft schaffen, Gesche, und meinen Traum werde ich irgendwann Wirklichkeit werden lassen …“ „Das weiß ich!“ „… aber ich bin nicht der Mitgiftjäger für den alle Welt mich inzwischen hält, weil dein Vater es herumposaunt. Ich weiß, dass du deine Eltern liebst, Gesche, aber ich kann nicht zulassen, dass sie mich immer wieder demütigen und alles tun, um mich dahin zu bringen, wo ich ihrer Meinung nach hingehöre: nach Tenever, in den Sumpf meiner Eltern.“ „Dann gehe ich eben mit dir!“, erklärte...