Heufelder | »Alle Guten gehören zu uns!« | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 272 Seiten

Heufelder »Alle Guten gehören zu uns!«

Die vielen Leben des Eric Warburg
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-949203-56-5
Verlag: Berenberg Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Die vielen Leben des Eric Warburg

E-Book, Deutsch, 272 Seiten

ISBN: 978-3-949203-56-5
Verlag: Berenberg Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Gestern noch fast beerdigt, aber heute wieder hoch­aktuell: die transatlantische Partnerschaft. Kaum einer hat dafür so viel geleistet wie Eric Warburg: Spross der berühmten Banker-Dynastie, Neffe von Aby Warburg, dessen weltberühmte Bibliothek er vor den Nazis ­rettete - sowie zahllose seiner jüdischen Landsleute. Er war Bankier, Waffenlieferant, Verhör­offizier in der siegreichen U.?S. Army und Kalter Krieger. Und er sorgte dafür, dass nach 1950 ein Teil des be­siegten Deutschland auf den Westen eingeschworen wurde. Im Leben dieses weltläufigen Brückenbauers findet mühelos das politische 20. Jahrhundert Platz, das immer noch nicht zu Ende ist.

Jeanette Erazo Heufelder, geboren 1964, studierte Ethnologie und drehte zahlreiche Dokumentarfilme, u.?a. mit Jorge Amado, Rigoberta Menchú und Fidel Castro. Bei Berenberg erschien zuletzt »Welcome to Borderland. Die US-mexikanische Grenze« (2018). Erazo Heufelder lebt in Spanien und Deutschland.

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Kapitel I
Das Setting
1897 erwarb der Bankier Moritz M. Warburg den Kösterberg, einen Elbhang am Westrand von Blankenese, auf dessen Areal sich ein ehemaliges Wirtshaus befand, dem die Familie den Namen Arche Noah gab, weil es wie »nach der Sintflut auf dem Elbhang gestrandet« aussah.4 Nicht weit von der Arche entfernt, ließ Moritz Warburg für sich und seine Frau eine weiße Villa errichten, mit ausreichend Platz für die erwachsenen Söhne und Töchter, die sich an den Wochenenden mit ihren Familien auf dem Kösterberg einfanden. Als Moritz Warburg den Elbhang erwarb, hatten zwei seiner fünf Söhne, nämlich Felix und Paul, gerade in das 1867 von deutsch-jüdischen Emigranten gegründete New Yorker Bankhaus Kuhn, Loeb & Co. eingeheiratet. Paul lernte seine künftige Frau, Nina Loeb, die Tochter des Bankgründers Salomon Loeb, 1895 auf der Hochzeit seines Bruders Felix kennen. Felix Warburg heiratete an diesem Tag Frieda Schiff, die Tochter Jakob Schiffs, der einst als Lehrling bei M. M. Warburg in Hamburg angefangen hatte und 1885 in New York die beiden Bankgründer Abraham Kuhn und Salomon Loeb als Bankdirektor beerbte. Paul – seit 1902 mit seiner Frau und den beiden Kindern, James und Bettina, dauerhaft in New York – kam bei Heimatbesuchen in der inzwischen ebenfalls zum Wohnhaus ausgebauten Arche unter, während Felix, der gleich nach seiner Heirat in den USA blieb, seine Kinder hin und wieder in den großen Ferien nach Hamburg zu den Angehörigen auf den Kösterberg schickte. Als Moritz M. Warburg 1910 starb, lebte bereits Sohn Max mit Ehefrau Alice auf dem Familiensitz am Elbhang. Das Ehepaar ließ für sich und ihre fünf Kinder auf dem Areal eine weitere Villa aus dem Backstein errichten, der für Hamburg stilbildend werden sollte. Fritz, der jüngste der fünf Brüder, übernahm das Elternhaus und verbrachte dort mit seiner Familie die Sommer. Nur für Aby, den Ältesten, wurde der Kösterberg kein zentraler Bezugspunkt mehr. Nach einem längeren Forschungsaufenthalt in Florenz, der seinen Renaissance-Studien gewidmet war, kehrte er mit seiner jungen Frau Mary 1902 nach Hamburg zurück und begann mit dem Aufbau seiner berühmten kulturwissenschaftlichen Bibliothek. 1909 erwarb er das Haus in der Heilwigstraße 114, das zu einem Anziehungspunkt für Kunst- und Kulturwissenschaftler aus ganz Europa wurde. In dieser wissenschaftlich-merkantilen und von liberaler Weltoffenheit geprägten familiären Umgebung wuchs mit seinen vier jüngeren Schwestern auf dem Kösterberg Erich Warburg auf, der einzige Sohn des Hamburger Bankiers Max Warburg. In seiner Biografie über die Familiendynastie der Warburgs zeichnet Ron Chernow ein angenehmes Bild vom jungen Erich. Gesellig sei er gewesen, freundlich, ungezwungen und unkompliziert; jemand, der sich selbst nicht so ernst nahm und jederzeit für einen Spaß zu haben war. Den Umstand, dass er unter lauter Schwestern aufwuchs, glich er dadurch aus, dass ihm ein Schulfreund, Wolfgang Rittmeister, vom ersten Schultag an den fehlenden Bruder ersetzte. Was das Verhältnis zu seinem Vater betraf: dem hätte er stets zu gefallen sich bemüht. Umgekehrt hielt Max Warburg seinen Sohn für liebenswert, war aber skeptisch, ob er die Qualitäten besäße, die einen guten Bankier ausmachten.5 Erichs vier Schwestern – Lola, Renate, Anita und Gisela – waren allesamt jünger und nicht dem Erwartungsdruck ausgesetzt, wie er auf dem einzigen männlichen Erben lastete, der in der nächsten Generation die transatlantischen Beziehungen zu Kuhn, Loeb & Co. weiter ausbauen sollte. Das New Yorker Bankhaus hatte sich durch Jakob Schiffs Investitionen in den expandierenden Eisenbahnbau zu einem bedeutenden amerikanischen Finanzunternehmen entwickelt. Um die Jahrhundertwende war Kuhn, Loeb & Co. das einzige jüdische Bankhaus, das ernsthaft mit J. P. Morgan konkurrieren konnte, dem wohl einflussreichsten Bankier in der Geschichte der USA, dessen Bank der Inbegriff einer WASP-Firma war: weiß, angelsächsisch, protestantisch. Die Trennung in jüdische und WASP-Bankhäuser bezog sich auf die Belegschaften. Kunden- und Geschäftsbeziehungen waren nicht von ihr betroffen.6 So wurde das Bankhaus Kuhn, Loeb & Co. rechtlich schon zu Jakob Schiffs Zeiten von einer WASP-Kanzlei beraten: Cravath, Henderson & de Gersdorff – kurz Cravath – war eine der ersten auf Wirtschaftsrecht spezialisierten New Yorker Großkanzleien.7 Die Institution der Großkanzlei ihrerseits war eine der Neuerungen, die am Anfang des amerikanischen Jahrhunderts standen.8 Denn durch die große sozioökonomische Transformation der USA, die sich an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert vollzog, war die wirtschafts- und unternehmensrechtliche Beratung binnen kürzester Zeit zu komplex und umfangreich geworden, um sie wie in der Vergangenheit weiterhin einzelnen Anwälten zu überlassen. Paul D. Cravath hatte in New York seine Anwaltstätigkeit in den 1880er Jahren aufgenommen. Als er 1906 Chef der Kanzlei wurde, krempelte er die Dinge um und machte aus ihr eine law factory. Der Platz am Fließband war jungen Anwälten vorbehalten, die die in Einzelteile zerlegten juristischen Probleme in Teamarbeit sukzessive wieder zusammensetzten. 1903 bezog die Kanzlei ein großes Büro in der 52 William Street in Lower Manhattan, im gerade fertiggestellten Kuhn-Loeb-Building, was die Kommunikation mit der wichtigen Cravath-Klientin erheblich erleichterte. Schon Ende des 19. Jahrhunderts, als der Strom des Investmentkapitals noch von Europa nach Amerika in den Bau moderner Infrastrukturen und ganzer Großstädte floss, hatten US-amerikanische Unternehmer und Finanzinvestoren klare Vorstellungen von den wirtschaftlichen Abhängigkeiten zwischen Amerika und dem alten Kontinent. Doch eine politische Mission erwuchs daraus erst nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs, als aus dem bisherigen Schuldnerland USA in nur wenigen Jahren das weltweit größte Gläubigerland wurde. Amerikanische Stahlproduzenten, die 1914 noch mit einer Rezession zu kämpfen hatten, rüsteten auf Munitionsfabrikation um. Allein J. P. Morgan stellte England und Frankreich für die Kriegsfinanzierung zwischen 1914 und 1917 Kredite in Milliardenhöhe aus; Geld, das für Rüstungseinkäufe wieder zurück in die USA floss. Mit den immer größeren europäischen Investitionen wuchs das Interesse von US-Investoren an Amerikas Außenpolitik. Als »internationalistisch« definierte Positionen schälten sich heraus. In einem Interview mit der New York Times warnte Jakob Schiff bereits vier Monate nach Kriegsausbruch vor den Folgen eines längeren Kriegs – und eines uneingeschränkten Sieges Deutschlands oder Englands. Die europäischen Standpunkte in diesem Krieg hielt er alle für falsch, da sie gleichermaßen die amerikanische Position wie die Möglichkeit einer stabilen europäischen Friedensordnung gefährdeten.9 Damit nahm er schon früh eine der neuen »internationalistischen« Strömung in der US-Außenpolitik zuneigende Position ein, die Frieden und eine stabile demokratische Staatenordnung in Europa an eine Führungsrolle Amerikas koppelte. Er hielt aber Abstand zu den sich in dieser Strömung formierenden Atlantikern, die schon bald nach Ausbruch des Kriegs in Europa von den USA eine ihrer demokratischen Führungsaufgabe entsprechende Intervention verlangten und 1915 eine Kampagne ins Leben riefen, der sie den Namen Preparedness Movement gaben. Ihr Motto lautete: Wer Frieden wolle, müsse auf Krieg vorbereitet sein.10 Die USA waren das nicht – nach Ansicht jener Gruppe New Yorker Investment-Bankiers, Politiker und Wirtschaftsanwälte, die nun die Verteidigung amerikanischer Werte wie Freiheit und Demokratie mit der militärischen Verteidigung der USA verknüpften.11 Die Initiatoren des Preparedness Movement, zu denen auch Paul Cravath gehörte, spendeten Gelder für den Aufbau einer Freiwilligen-Armee. Als historische Vorbilder dienten die Rough Riders, ein von General Leonard Wood und dem späteren Präsidenten Teddy Roosevelt angeführtes Freiwilligenregiment. Es nahm 1898 im spanisch-amerikanischen Krieg als einziges von drei US-amerikanischen Freiwilligenregimentern in Kuba aktiv an Kampfhandlungen teil. Da die militärische Preparedness-Kampagne auf Konfrontationskurs mit der offiziellen Neutralitätspolitik Woodrow Wilsons ging, fand sie nicht Schiffs Unterstützung. Schiffs Zurückhaltung erklärte sich durch seine jederzeit zuverlässige Übereinstimmung mit der Politik seiner neuen Heimat. Er hätte sich nie erlaubt, sie öffentlich zu kritisieren. Nachdem Wilson den Kurswechsel vornahm und die USA in den Krieg eintraten, blieb er weiterhin konform mit ihr, unabhängig davon, dass ein großer Teil seiner Familie in Deutschland lebte.12 Erich machte im Frühjahr 1918 in Hamburg Notabitur. Anschließend meldete er sich zum Kriegsdienst, davon überzeugt, dass sein Jahrgang für den Sieg noch gebraucht...


Jeanette Erazo Heufelder, geboren 1964, studierte Ethnologie und drehte zahlreiche Dokumentarfilme, u. a. mit Jorge Amado, Rigoberta Menchú und Fidel Castro. Bei Berenberg erschien zuletzt »Welcome to Borderland. Die US-mexikanische Grenze« (2018). Erazo Heufelder lebt in Spanien und Deutschland.



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