Buch, Deutsch, 98 Seiten, Paperback, Format (B × H): 155 mm x 220 mm, Gewicht: 197 g
Buch, Deutsch, 98 Seiten, Paperback, Format (B × H): 155 mm x 220 mm, Gewicht: 197 g
ISBN: 978-3-96146-944-4
Verlag: Diplomica Verlag
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Textprobe:
Kapitel 3.3. Lebenswelt in der palliativen Praxis: (stationäres) Hospiz:
Das Mosaik der palliativen Lebenswelten (Abb. 1) gewinnt stetig an Farbe, belebt durch einen Dialog zwischen den beteiligten Akteuren der jeweiligen Lebenswelten. Doch was verbirgt sich hinter dem Terminus Hospiz?
Die Lebenswelt des Hospizes entsprießt 1879 in Dublin, ausgehend von Mary Aikenhead, dem sich 14 Jahre später Howard Barrett anschließt, in dem er das St. Luke´s Home for the dying Poor ins Leben ruft. Erst 74 Jahre später gründete Cicely Saunders (1967) das St. Christopherus Hospiz in London. Mit dem Hospiz-Konzept verband sie die Idee, sich an die christlichen Aspekte zurück zu erinnern (Saunders 1999: 14). Sie legte drei Prinzipien zugrunde: Offenheit; Ganzheit: Einheit von Herz und Verstand; und die geistige Freiheit (von Musil 2011: 14). Die stationären Hospize in Deutschland sind kleine eigenständige Einrichtungen mit einem Versorgungsauftrag, charakterisiert durch eine familiäre Atmosphäre (DHPV 2017: 3; Feichtner 2018: 32 & vgl. Radbruch et al. 2022: 42), deren Aufnahme durch medizinische Indikationen bescheinigt wird. Der Anspruch für die Aufnahme in ein stationäres Hospiz resultiert einerseits aus der Symptomkomplexität, andererseits ausgehend von den erschöpften und verzweifelten Nahestehenden, verbunden mit dem Fakt, dass sich die Menschen im primären familiären Umfeld nicht mehr gut begleitet fühlen (vgl. Seeger et al. 2018: 135). Allein die Zahl derer, die an einem Ort der Sterbebegleitung betreut werden möchten, stieg bundesweit an, was die Studie in Köln unterstreicht (CoRe-Net 2021: 16), so dass die Zahl der stationären mittlerweile von 221 stationären Erwachsenen-Hospize (2016) (DHPV 2016: 4) auf 250 stationäre Hospize (2022) anstieg (DHPV 2022). Dort werden Menschen im Sterbeprozess durch ein interprofessionelles Team begleitet (DHPV 2017: 8-10), wie durch die Pflegenden.
3.4 Pflegende in der palliativen Praxis:
Es sticht hervor, dass die Pflegenden (Abb. 1) die Versorgung sowie die Begleitung der dyadischen Einheit der Sterbenden und Nahestehenden rund um die Uhr bei ständiger Präsenz gewährleisten (DHPV 2017: 9). Um dies zu dürfen, setzt es voraus, dass es den verantwortlichen Pflegenden erlaubt ist die Berufsbezeichnung zu tragen (§ 1 Absatz 1. 1.1 KrPflG (buzer a 2019) und § 1 PflBG (buzer b 2021)). Seit 2003 erwerben sie mit der Ausbildung die Kompetenz Menschen in der Auseinandersetzung mit Gesundheit sowie Krankheit zu unterstützen nach § 3 Absatz 2.1c KrPfBG (buzer c 2019) und zu stärken, was laut § 5 Absatz 3, Satz 1f PflBG (buzer d 2021) gleichermaßen mit anklingt. Damit sind sie befähigt eigenverantwortlich die Versorgung und Begleitung der Menschen aller Altersgruppen, Familien, Lebensgemeinschaften in allen Lebenssituationen zu übernehmen (vgl. Hommel & Koch 2017: 134, vgl. DBfK 2016: 6; DBfK 2021: 28) und sicher zu stellen (§ 69 SGB XI) (buzer e 2022).
Nachdem Ausflug in die Praxis mit Blick auf die dyadische Einheit sowie den der Pflegenden richtet sich das Augenmerk auf die Bedürfnisse. Auch wenn Bedürfnisse ein inhärenter existentieller Bestandteil der Menschen sind, sei der Forscherin an dieser Stelle gestattet, diese noch einmal losgelöst zu betrachten, wirken sich diese sowohl auf das Mosaik der Lebenswelten als auch auf die Forschung sowie auf die Konzepte aus (Abb. 1).
3.5 Deskriptive Bedürfnisse Sterbender:
Universelle Bedürfnisse (Abb.1) definieren die der lebensnotwendigen nach Sicherheit, nach sozialen Kontakten, den individuellen wie Anerkennung und Wertschätzung sowie nach Selbstverwirklichung (Maslow) (Bosley & Kasten 2018: 27) deren Priorisierung sich im Laufe des Lebens verschiebt, final begünstigt durch einen fortschreitenden Krankheitsverlauf (vgl. Roller 2018: 12). Bedürfnisse sind durch einen Mangel oder Belastungszustand gekennzeichnet (DKG et al. 2020: 35), erlebend als Gefühl, was auf Befriedigung abzielt (Mägdefrau 2007: 26). Das grenzt sie klar von der normativ charakteristisch sprachlichen Einheit des Bedarfes ab, die nicht allein durch eigene Ressourcen behoben werden kann, so dass Menschen auf die Unterstützung durch andere, wie den gesundheitlichen Akteuren „angewiesen“ sind (vgl. DGP et al. 2020: 04 & 6; vgl. bmfsfj 2019: 6). Ergänzend zu den bereits beschriebenen Bedürfnissen (Kapitel 3.1) verspüren Sterbende den Wunsch nach Würde, Selbstbestimmung und keiner Demütigung (Patzlsperger et al. 2018: 111), sowie die Beteiligung an Entscheidungsprozessen (vgl. Bock et al. 2018: 36) oder nach Konfliktlösung, Offenheit und Ehrlichkeit (Marquard et al. 2018: 110). Letztendlich antizipieren alle Bedürfnisse Gesundheitsbedürfnisse (Naidoo & Wills 2019: 529), trägt das Vorhandensein zur Gesundheit sowie zum Wohlbefinden bei (Becker 2006: 111). Nach den definierten Bedürfnissen der Sterbenden konzentrieren sich die deskriptiven Konzepte auf die Blickrichtung der Sterbenden.
3.6 Deskriptive Konzepte:
Die Abbildung von Bedürfnissen in hospizspezifischen Konzepten (Abb. 1) ist unmöglich (vgl. Herzog 2019: 39), wie die nach Kommunikation, Hoffnung, Lebensidentität, Kontinuität sowie die der persönlichen individuellen Präferenzen und Wünsche im dynamischen alternierenden Prozess der gesundheitlichen Begleitung. Denn sie variieren situativ, lebensphasenspezifisch, individuell. Menschen im fortschreitenden Alter oder mit fortschreitenden Erkrankungen intendieren auch weiterhin sich selbst zu verwirklichen, indem sie sich emotionale, physische sowie soziale Bedürfnisse erfüllen (vgl. Naidoo & Wills 2019: 529). Sie richten als Mensch, mit der gesundheitsfördernden Brille, den Blick flussaufwärts, indem sie nach Ressourcen sowie Schutzfaktoren suchen: „nicht nur für die Förderung von Gesundheit, sondern breiter, für das allgemeine Wohlbefinden und für die Lebensqualität“ (Lindström & Eriksson 2020: 34). Das Motiv des zugrundeliegenden Wertkonflikts resultiert aus den Erfahrungen der Menschen, ausgelöst durch: Patient:innen, die Vertrauensverluste, Frustration sowie biografische Störungen erleben (Roulston et al. 2018: 1), wären sie mit einer gewährleisteten kontinuierlichen Versorgung und Begleitung am zufriedensten (vgl. den Herder-van der Eerden et al. 2018: 1112), was sich in den internationalen und nationalen Studien widerspiegelt (Abb. 5 & 6).