Medizinische Diagnostik, Intervention und rechtliche Grundlagen
E-Book, Deutsch, 345 Seiten, eBook
ISBN: 978-3-642-10206-6
Verlag: Springer
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Zielgruppe
Professional/practitioner
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Körperliche Kindesmisshandlung.- Diagnostik bei körperlicher Kindesmisshandlung und Vernachlässigung.- Nichtakzidentelle Kopfverletzungen und Schütteltrauma-Syndrom.- Hautbefunde.- Knochenverletzungen.- Thorakale, abdominelle und HNO-Verletzungen sowie seltene Formen der Kindesmisshandlung.- Sexueller Kindesmissbrauch.- Grundlagen.- Anamnese und Untersuchung bei sexuellem Missbrauch eines Kindes.- Befunde und Klassifikation.- Sexuell übertragbare Erkrankungen und prophylaktische Maßnahmen.- Differenzialdiagnosen bei Befunden nach sexuellem Missbrauch eines Kindes.- Vernachlässigung und emotionale Misshandlung.- Vernachlässigung von Kindern.- Risikofaktoren, emotionale Misshandlung und psychische Folgen von Kindesmisshandlung und Vernachlässigung.- Kindstötung.- Grundlagen.- Tötung von Neugeborenen und Säuglingen.- Tötung von Kindern.- Beweissicherung und gerichtliche Verfahren.- Beweissicherung ohne polizeiliche Hilfe.- Beweissicherung mit polizeilicher Hilfe.- Kindesmisshandlung und Kindesmissbrauch im Strafgesetzbuch.- Gesetzlicher Opferschutz.- Intervention und Prophylaxe.- Intervention und Prävention bei Kindesmisshandlung und Kindesvernachlässigung.- Ärztlicher Umgang mit dem Verdacht auf Misshandlung und Vernachlässigung.- Spezielle Einrichtungen des Kinderschutzes.- Prävention, Frühwarnsysteme, lokale Netzwerke.
"Diagnostik bei körperlicher Kindesmisshandlung und Vernachlässigung (S. 19-20)
Körperliche Befunde sind zumeist der Ausgangspunkt des Verdachtes auf eine körperliche Kindesmisshandlung. Bei der Diagnosefindung sind sie einer der »härtesten« und im sozio-legalen System best angesehenen Parameter. Die fachgerechte und wissenschaftlich abgesicherte Befunderhebung, Interpretation, Diagnose und Differenzialdiagnose sind elementare Voraussetzungen, um aus einem körperlichen Befund die Diagnose einer Kindesmisshandlung abzuleiten. Diese Diagnose kann weitreichende Folgen haben, wie z.B. die Einbeziehung des Jugendamtes, familienrechtliche Eingriffe (einschließlich der Einschränkung der elterlichen Sorge oder andere Kindesschutzmaßnahmen) oder strafrechtliche Konsequenzen.
2.1 Einführung – Diagnostische Hinweise
Der ärztliche Beitrag und die ärztliche Verantwortung für die Diagnose sowie für das Gelingen einer adäquaten Intervention haben bei der körperlichen Misshandlung von Kindern einen wichtigen Stellenwert im multiprofessionellen Hilfesystem des Umgangs mit Fällen von Kindesmisshandlung. Dies erfordert die Aneignung spezieller Kenntnisse über die biomechanischen und physiologischen Grundlagen nichtakzidenteller Verletzungen und ihrer Abgrenzung von echten Unfällen und weiteren Differenzialdiagnosen.
Terminologie Der für die Kindesmisshandlung häufig synonym verwendete Begriff »Battered child« (Kempe 1962) sollte zugunsten von nichtakzidentelle Verletzung (»Non accidental injury, NAI«) oder Misshandlungsverletzung (»Abusive injury« oder »Inflicted injury«) verlassen werden. Der Begriff »Battered child« skizziert begrifflich nur eine umschriebene Befundkonstellation, die dem heute anerkannten, weiten Spektrum misshandlungsbedingter Befunde nicht mehr gerecht wird.
! Plausibilität des Verletzungsgeschehens Bei der Bewertung einer möglichen Misshandlung ist kritisch die Plausibilität zu prüfen, mit der ein angegebener Mechanismus kausal für die Verletzung oder Verletzungskonstellation sein könnte. Die Diskrepanz zwischen angegebenem Vorfall und dem vorliegenden klinischen Verletzungsbefund ist der Kardinalhinweis auf eine Kindesmisshandlung.
Anamnestische Hinweise
Bei echten Unfällen gibt es nahezu immer eine nachvollziehbare Erklärung des Unfallgeschehens. Bei Misshandlungen von Kindern fehlt sie in etwa 40% der Fälle. Unpassende, unpräzise, vage oder fehlende Erklärungen sind zunächst generell verdächtig. Dies gilt auch für im Verlauf wiederholter Befragungen oder, bei Befragungen durch unterschiedliche Personen, wechselnde Erklärungen, ebenso wenn verschiedene Betreuer sich widersprechende Erklärungen abgeben."