Herbers | Der Reisebericht des Hieronymus Münzer | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 327 Seiten

Herbers Der Reisebericht des Hieronymus Münzer

Ein Nürnberger Arzt auf der "Suche nach der Wahrheit" in Westeuropa (1494/95)

E-Book, Deutsch, 327 Seiten

ISBN: 978-3-7720-0128-4
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der Nürnberger Arzt Hieronymus Münzer floh 1494 nicht nur vor der Pest, sondern er wollte mehr. Mit Verweis auf Aristoteles wollte er sich 'der Suche nach der Wahrheit' widmen. Sein Itinerarium zeugt davon, in welchem Maße ihm das gelang. Vorkenntnisse aus Studium und Nürnberger Zusammenhängen sowie die Unterstützung von Kaufleuten, Druckern, Gelehrten und Höflingen halfen ihm, erfolgreich zu suchen. Sein Itinerarium, das hier erstmals in deutscher Übertragung vorgelegt wird, dokumentiert die Ergebnisse. Es ist ein bunter Strauß an kulturgeschichtlich interessanten Aufzeichnungen aus einer bewegten Zeit. Zwei Jahre nach der ersten Seereise des Kolumbus und nach der Eroberung Granadas ist Hieronymus Münzer am Puls der Zeit, wie er nicht zuletzt in einer Rede vor den Katholischen Königen in Madrid darlegt. Die zahlreichen Beschreibungen von Menschen und Orten, Religionen und Gebräuchen, Klöstern und Pilgerzentren, Kunstwerken und Reliquien, Fauna und Flora regen dazu an, auch heute wieder auf Münzers Spuren den Westen Europas neu zu entdecken.

Klaus Herbers ist Senior Professor for Medieval History an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sowie ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz und korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.
Herbers Der Reisebericht des Hieronymus Münzer jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1;Titel;2
2;Impressum;3
3;Inhaltsverzeichnis;4
4;Für Gertrud;12
5;Vorwort;13
6;Hieronymus Münzer in Westeuropa: Person, Reise, Bericht. Eine Hinführung;15
6.1;1. Student, Mediziner, Humanist und Reisender: Lebenslinien des Nürnberger Arztes Hieronymus Münzer;15
6.2;2. Pilgerfahrt, Bildungs-, Handels- oder diplomatische Reise? Organisationsformen des Reisens und Schlüssel zum Fremden;19
6.3;3. Interessen und Wahrnehmung: von Handelszentren und Höfen, Moscheen und Pilgerorten, Reliquien und Kunstwerken;22
6.4;4. Was ist aufzeichnenswert? Das Itinerarium;30
6.5;5. Zur vorliegenden übersetzten Ausgabe;34
7;I. Von Nürnberg nach Perpignan;37
7.1;Über die Schlacht und die Niederlage bei der Burg Murten habe ich Folgendes notiert:;43
7.2;Über die Stadt Lyon;44
7.3;Epitaph des heiligen Petrus‘ ...;47
7.3.1;Irgendjemand schrieb in jener ...;50
7.3.2;Die sieben Freuden der ...;50
7.3.3;Ein anderes Gedicht über ...;52
8;II. Von Perpignan bis Alhama;57
8.1;Über die Stadt Barcelona;60
8.2;Über die Verwaltung der Stadt;62
8.3;Das Haus der Kaufleute;63
8.4;Das Haus des Infanten Heinrich;64
8.5;Über das Kloster der Minderbrüder;66
8.6;Über ihre Gerichtsverwaltung;67
8.7;Über das Rathaus;69
8.8;Über die uns erwiesene Ehre;70
8.9;Über die unterirdischen Kanäle;71
8.10;Über das Kloster Montserrat;72
8.11;Über die Stadt Valencia;79
8.12;Über die Hauptkirche;80
8.13;Über das Haus der Kaufleute;82
8.14;Über den Verkauf von Sklaven;83
8.15;Über die Lieblichkeit der Gärten in Valencia;85
8.16;Über die verschiedenen Früchte Spaniens;86
8.17;Über einige Klöster und Kapellen;89
8.18;Über die Marranen;90
8.19;Über das Kloster der Heiligsten Dreifaltigkeit;91
8.20;Über das Kloster von Santa María de Jesús;92
8.21;Über das Haus der Unschuldigen und Dummen;93
8.22;Über die Umgangsformen (der Valencianer);94
8.23;Über die Früchte in Alicante;96
9;III. Von Lorca bis Sevilla;100
9.1;Über den Einzug in das Reich Granada von Kastilien aus;102
9.2;Über den Hafen Almería und die Stadt (im Reich) Granada;103
9.3;Über die Moschee in Almería;105
9.4;Über die Entfernung Almerías zu Afrika und zur Berberei;107
9.5;Über die neuerbauten Klöster;108
9.6;Über den Bananenbaum;109
9.7;Über die Stadt Guadix im Reich Granada;111
9.8;Über Granada und die dortige Moschee;113
9.9;Über das Schloss Granadas, das Alhambra heißt;115
9.10;Über ihren Friedhof außerhalb des Elviratores;121
9.11;Über die Moschee im Albaicín, einem Teil der Stadt;122
9.12;Über die Lage der Stadt Granada;124
9.13;Über die Größe der Stadt;126
9.14;Über die Lage des Reiches von Granada;129
9.15;Vom Sieg über das Reich von Granada;131
9.16;Über den eigentlichen Kriegsgrund gegen Granada;134
9.17;Über goldene Mineralien im Gebiet von Granada;136
9.18;Über die Riten und Kleider der Sarazenen;137
9.19;Über die Kleidung (der Sarazenen);139
9.20;Über das Spiel mit dem Zuckerrohr;140
9.21;Über den Herrn Erzbischof;142
9.22;Über die Burg Moclín, die man von der Alhambra aus sehen kann;144
9.23;Über den Ausgang aus Granada – die Stadt Alhama;145
9.24;Über die Seestadt Vélez-Málaga;146
9.25;Über die Stadt Málaga;147
9.26;Über die Burgen Málagas;150
9.27;Über den vom König von Kastilien errungenen Sieg über Málaga;151
9.28;Über die Stadt Hispalis, die heute Sevilla heißt;154
9.29;Über die Hauptkirche der heiligen Jungfrau Maria;155
9.30;Über die Kartause zur Heiligen Maria, die „Kofes“ genannt wird;157
9.31;Über das königliche Schloss in Sevilla;159
10;IV. Von Niebla bis Porto;161
10.1;Über Ulixbona, heute Lissabon;164
10.2;Über den Seehafen von Lissabon;170
10.3;Über die Höflichkeit des Volkes und das Land;171
10.4;Über das Land Portugal;172
10.5;Über das meerwärts gelegene westliche Afrika;173
11;V. Von Barcelos bis zum Rabanal;176
11.1;Über die Lage Compostelas, (Stadt) des heiligen Jakobus;180
11.2;Über die Kirche des heiligen Jakobus;181
11.3;Über die Erscheinung des Heiligen Jakobus bei Karl dem Großen;184
11.4;Über die Passion und Translation des heiligen Jakobus nach Galicien;185
11.5;Exclamatio pulcra;186
11.6;Über die Muscheln (De crusillis). Calixt;188
11.7;Gebet zum heiligen Jakobus;189
11.8;Über den Erzbischof, die Kardinäle, Kanoniker und Reliquien;190
11.9;Von den Kapellen im Chorraum von Sankt Jakobus;192
11.10;Über die Abreise aus Compostela;193
12;VI. Von Benavente bis Roncesvalles;194
12.1;Über Benavente und seine Wehrbefestigung(en);195
12.2;Über das Schloss von Benavente;196
12.3;Über Numantia, heute Zamora, eine Stadt Kastiliens;198
12.4;Über Salamanca und das dortige Studium Generale;201
12.5;Über das Salmantiner Studium;202
12.6;Über die Höhle der Nigromantik;203
12.7;1495;204
12.8;Über das Kloster Guadalupe;205
12.9;Über die Lage des Klosters;206
12.10;Über die Kirche des Klosters;207
12.11;Über den Kapitelsaal, die Keller und die Kanäle;209
12.12;Über das Refektorium der Patres, das Refektorium der Familiaren und die Küche;210
12.13;Über die Schuster, Schneider, Bäcker, Handwerker, Schmiede und andere Ämter;211
12.14;Über Gärten und Baumwiesen;212
12.15;Über die Bibliothek, den Schlafsaal und die Krankenstube;213
12.16;Über die beiden Kreuzgänge;214
12.17;Über die königlichen Hallen;215
12.18;Über die Sakristei und deren Schatz;216
12.19;Über ihr Hospital;219
12.20;Über ihre Einkünfte;220
12.21;Über Toledo;222
12.22;Über die Toledaner Kirche;223
12.23;Über den Schatz und die Reichtümer der Kirche;224
12.24;Über Ornamente;226
12.25;Über Kanoniker und Pfründner;227
12.26;Über das Johanneskloster (San Juan de los Reyes) des Franziskanerordens;228
12.27;Über das Kloster der Heiligsten Dreifaltigkeit;230
12.28;Über das Kloster des heiligen Augustinus;231
12.29;Über die Umgangsform des Volkes;232
12.30;Über Majorit, in der Volkssprache Madrid;233
12.31;Über den König und die Königin;234
12.32;Über die Königin Isabella;235
12.33;Antwort;240
12.34;Über das Aussehen von König und Königin;241
12.35;Über adlige Studenten;244
12.36;Über den Abschied von Madrid in Richtung Zaragoza – ein Weg von etwa 51 großen Meilen;245
12.37;Über die Stadt Guadalajara;246
12.38;Über die Burg in Guadalajara;247
12.39;Über das Haus des Kardinals Don Pedro de Mendoza;248
12.40;Über die Stadt Sigüenza;250
12.41;Über die Stadt Medinaceli;251
12.42;Über Zaragoza;253
12.43;Über die Fruchtbarkeit des Landes;254
12.44;Über die Kathedralkirche und die Klöster;255
12.45;Über das Kloster des heiligen Hieronymus;257
12.46;Über die Burg und Befestigung von Zaragoza;258
12.47;Über das Maurenviertel („Morería“);259
12.48;Über die Ölmühlen;260
12.49;Über den Abschied aus Zaragoza;261
12.50;Über Pamplona, die Stadt Navarras;262
12.51;Über den König von Navarra;263
13;VII. Von der Gascogne bis Paris;265
13.1;Über das Béarn;266
13.2;Über Toulouse, Stadt der Gallia Narbonensis;268
13.3;Über die Reliquien und Kirchen von Toulouse;269
13.4;Über die Kirche des heiligen Saturnin, des ersten Bischofs von Toulouse;270
13.5;Über das Kloster des Predigerordens;272
13.6;Über die Provinz Languedoc und deren Metropole Toulouse;273
13.7;Über das Tolosaner Studium;274
13.8;Über den Auszug aus Toulouse nach Tours;275
13.9;Über Saint-Léonard;276
13.10;Über die Stadt Limonia, in der Volkssprache Limoges;277
13.11;Über die ruhmreiche Stadt Pictavis, heute Poitiers genannt;279
13.12;Über die dortigen Kirchen und Klöster;280
13.13;Über die Kirche des heiligen Hilarius, des Bischofs von Poitiers;281
13.14;Über den Aufbruch aus der Stadt Poitiers;284
13.15;Über die sehr schöne Stadt Turo, volkssprachlich Tours;285
13.16;Über das Schloss des Königs;287
13.17;Über die Kirche des heiligen Cassian, die Bischofskirche ist;288
13.18;Über das große Kloster des heiligen Martin vor den Mauern (Marmoutier);289
13.19;Über das Verlassen von Tours nach Ambasia, volkssprachlich Amboise;294
13.20;Über den Namen des Dauphin und seine Sitten;297
13.21;Über den Bruder Franz von Paola aus Apulien, den größten Eremiten unserer Zeit;298
13.22;Über die große Stadt Aurelianum, in der Volkssprache Orléans genannt;301
13.23;Über die Kirche und das allgemeine Studium;302
14;VIII. Von Paris bis Rouen;304
14.1;Über die glorreiche Stadt Paris in der Gallia Lugdunensis;305
14.2;Über die Universität und die Kollegien in Paris;308
14.3;Ein weiteres Epitaph auf ...;311
14.4;Über den dritten und größten Teil der Stadt, der im Norden liegt;313
14.5;Über die Brücken und die wichtigsten Alleen und Straßen;314
14.6;Über die Lage und Größe von Paris;316
14.7;Über die Reliquien und Schätze der heiligen Kapelle (Sainte-Chapelle);317
14.8;Über das Kloster Saint-Denis mit den Gräbern der Könige, den heiligen Reliquien und dem dortigen Schatz;320
14.9;Rückkehr nach Paris;326
14.10;Über die vier Schlösser zu Paris;327
14.11;Über den Auszug aus Paris;328
15;IX. Von Rouen bis Lille;329
15.1;Über die berühmte Stadt Rothomagus, die Rouen genannt wird;330
15.2;Über den Berg und das Kloster der heiligen Katharina;332
15.3;Über die Kathedralkirche und über Anderes;333
15.4;Über die Kirche des heiligen Ouen, Bischof von Rouen;334
15.5;Über den Auszug aus Rouen zum Meerhafen Dieppe;335
15.6;Über die Abfahrt aus Dieppe nach Eu, lateinisch Augum;336
15.7;Über die Provinz der Normandie;337
15.8;Über das Kloster Saint-Josse;339
15.9;Über die Ritter des heiligen Jodok;340
15.10;Über die Stadt Ambianis, volkssprachlich Amiens;342
15.11;Über die Hauptkirche in Amiens;343
15.12;Über das Antlitz des heiligen Johannes’ des Täufers, des Vorläufers des Herrn und über den Schrein des heiligen Firmin;345
15.13;Über die Stadt Atrebatum in der Grafschaft Artois, die volkssprachlich Arras heißt. Sie ist 14 Meilen von Amiens entfernt.;347
15.14;Über Kirchen und Klöster;348
15.15;Über die Stadt Rissel, in gallischer Sprache Lille in Flandern genannt;349
15.16;Über die dortige bewehrte Burg;350
15.17;Über das Haus des Fürsten;352
15.18;Über die Kirchen in Rissel;353
16;X. Von Brügge bis Nürnberg;354
16.1;Über die glorreiche Stadt Brügge;355
16.2;Über die Stadt Brügge;356
16.3;Die Reichtümer der Stadt;358
16.4;Über Hallen und Paläste zum Handeln;359
16.5;Über die Kirchen in Brügge;361
16.6;Noch ein Epitaph des ...;363
16.7;Über den Palast bei St. Donatianus;364
16.8;Über die Klöster;365
16.9;Über das Kartäuserkloster;366
16.10;Über die Hospitäler;367
16.11;Über die Stadt Sluis („Schlusa“);368
16.12;Über den Hafen in Sluis;369
16.13;Über die Festungen von Sluis;370
16.14;Über die Insel Cadzand und Zeeland;372
16.15;Über die große Stadt Ganda, in der Volkssprache Gent;373
16.16;Über die dortigen Kirchen;375
16.17;Über ein bemerkenswertes Bild, das in Sankt Johannes ist und, wie ich glaube, kaum seinesgleichen auf der Welt hat.;376
16.18;Über Antwerpen, in der Volkssprache Antorf;377
16.19;Über die Kathedrale;378
16.20;Über Mecheln;382
16.21;Über Lüttich, die reiche und bekannte Stadt;384
16.22;Über den Aufbruch aus Aachen in Richtung Köln;387
16.23;Über die Umgänglichkeit und Frömmigkeit der Bewohner;389
17;Abkürzungen;395
18;Quellen und Literatur;397
18.1;Zugrundegelegte lateinische Edition:;398
18.2;Quellen und Literatur;399
19;Register;431
20;Fußnoten;1617


3. Interessen und Wahrnehmung: von Handelszentren und Höfen, Moscheen und Pilgerorten, Reliquien und Kunstwerken
Münzer reiste mit seinen drei Begleitern in kleiner Gruppe, zu Pferd, und notierte die Reisedistanzen in der Regel tageweise genau. Allerdings sind die Meilenangaben, die meist mit dem lateinischen Wort leuca (zuweilen auch milia) angegeben werden, nicht völlig verlässlich und nehmen wohl auch auf lokale Gepflogenheiten Rücksicht, wie die Bemerkungen zu den langen Meilen in Katalonien nahelegen1. Die auf der Karte2 eingezeichneten Orte verraten aber noch nicht, was Münzer interessierte oder besser: was ihm des Aufzeichnens wert erschien. Jedoch erschließt die Reiseroute verschiedene Interessensfelder. Erscheint die Italienreise von 1484 noch ganz einem klassischen Ablauf entsprechend, bei dem die wichtigen Städte Ober- und Mittelitaliens besucht wurden, so dringt die Westeuropareise 1494/95 in Neuland vor. Münzers Streckenführung über die Schweiz und das Rhônetal nach Katalonien und der Rückweg über Roncesvalles, Tours, Paris und Belgien folgte bekannten Wegen und entspricht teilweise der „Ober“- und die „Niederstraße“, die Hermann Künig von Vach 1496 in seinem Führer für Jakobspilger unterschied3. Handels-, Reise- und Pilgerwege waren häufig identisch. Den ersten Teil seiner Fahrt charakterisiert Münzer selbst in seiner Rede vor den Katholischen Königen in Madrid, die er dort gehalten haben soll. Der Bericht integriert diese rhetorische Leistung, die alle Erlebnisse der Reisegruppe auf die prägende Kraft der Katholischen Könige zuspitzt4: Heiligste und mächtigste Könige! Die Größe der Taten, die Eure Majestäten vollbracht haben, ist auf dem ganzen Erdkreis bekannt, und die Fürsten und Adligen Deutschlands sind voller Bewunderung, dass die Reiche Spaniens, die in der vergangenen Zeit wegen der zahlreichen inneren Kriege, des heimlichen Hasses und der privaten Interessen fast vollkommen erschüttert schienen, am Boden zerstört, dass diese Reiche nun ein Stern in so kurzer Zeit von der höchsten Zerstrittenheit zu einem so großen Frieden, zu einer so großen Ruhe und zu einem so großen fruchtbaren Zustand hat führen können. Weil viele dies nicht hätten glauben können, habe er sich mit seinen Begleitern selbst auf den Weg gemacht, um die Ergebnisse des königlichen Waltens in Augenschein zu nehmen. Und dann lässt er die Reise ab Katalonien Revue passieren, zunächst den Wiedererwerb der Grafschaft Roussillon: „Diese Grafschaft, die an den König Ludwig verpfändet worden war, gab dessen Sohn Karl freiwillig an Euch zurück und wollte, dass sie wieder Eurem Szepter unterstehe.“ Barcelona sei nach Rebellionen befriedet worden: „jetzt sahen wir sie [die Stadt Barcelona] aber unter Euren Auspizien wiederinstandgesetzt und in einem besseren Zustand.“ Es folgen Bemerkungen zum bekannten Kloster Montserrat, zu Poblet, der Grablege einiger Könige, und schließlich zu Valencia und dem alten, erst vor kurzem durch die Katholischen Könige eroberten Granada. Dort herrschten schon neue Adelige, die Münzer – wie er sagt – Auskünfte gegeben hätten: „Wir wurden über die wichtigsten Dinge durch den Grafen von Tendilla und durch den ehrwürdigsten Herrn Erzbischof informiert“. Alhama, Malaga und Sevilla boten neue „Wunder“, denn „wir sahen einige neue Menschen, zu unseren Zeiten bisher unbekannt, die man aus den Ländern Indiens herbeigebracht hatte, den Ländern, die unter Euren Auspizien entdeckt wurden.“ Auch am Hof des Königs von Portugal wurde die Gruppe „über die Dinge in Äthiopien und die südlichen Länder informiert“. Über Santiago, Salamanca und Toledo seien sie nun auf die „Urheber solch großer Taten“ gestoßen: „Wir kommen, ich sage es, zu den Königen, durch welche die Rechte des Herrn die Völker aufrichtete, Reiche unterwarf und neue Menschen entdecken ließ.“ Die Rede spitzt alles – auch im Stil humanistischer Rhetorik – auf den Besuch bei den Katholischen Könige zu, und in der Tat könnte Münzer Aufträge König Maximilians und anderer zum Kontakt an den Höfen von Évora/Lissabon und Madrid mitgeführt haben. Weitere Motive für Münzers Reise lassen sich auch an der Verweildauer ablesen, denn auf der Iberischen Halbinsel hielt Münzer sich deutlich länger als in anderen Gegenden auf. Die Karte erschließt gut die etwas längeren Aufenthalte (in Spanien 14 Orte, in den anderen Gegenden, vor allem Westfrankreich und Flandern neun Orte). Münzers Reisen 1483/84 und 1494/95 (R. Hurtienne, V. Trenkle, Chr. Gürtler) Die Hauptaktivitäten lassen sich bündeln: Münzer traf nicht nur auf der Iberischen Halbinsel zahlreiche Händler und notierte Handelsgüter sowie Handelsströme. Dies scheint vor allen Dingen im katalanisch-valencianischen Raum, in Portugal und in Flandern der Fall gewesen zu sein. Bei diesen Kontakten traten oft die am Ort ansässigen Deutschen in den Vordergrund. Ob Münzer Aufträge zu Sondierungen besaß, ist allerdings nicht sicher. In diesen Zusammenhang gehören auch seine Notizen zu den zahlreichen Schätzen aus den Afrikareisen, die er nicht nur im Itinerarium, sondern auch in einem gesonderten Traktat niederlegte5. Wenn man die Bemerkungen zu Barcelona und Valencia mit denen in Portugal vergleicht, so scheint der Nürnberger Arzt die Zeichen der Zeit erkannt zu haben: Der künftige Handel würde mehr auf den Atlantik als auf das Mittelmeer ausgerichtet sein. Besonders die Besuche am Hofe Johanns II. in Portugal und am Hof der Katholischen Könige in Madrid könnten nicht nur auf politische Aufträge schließen lassen. Hier traf Münzer auch Vertreter des Humanismus wie Cataldus und Petrus Martir, deren Werke er erwähnt. Zum zweiten lobte er die Politik dieser Herrscher und die Erziehung der jungen Prinzen am Hof. Vielleicht „sichtete“ er sogar die Ehepartner zur Vorbereitung der 1496 stattgefundenen habsburgischen Doppelhochzeit6. Zahlreiche Bemerkungen zur Landschaft, zu den Distanzen, zu Vegetation, Flora und Fauna bieten dem Leser ein breites Spektrum zu den verschiedenen Pflanzen, aber auch zu Bewässerungsverfahren, Herstellung von Rosinen, Glas und Zucker oder zur Funktionsweise von Ölmühlen. Münzer interessierte sich für Gärten, Bewässerung, Pflanzen und Früchte, Bodenschätze, Heilquellen, Märkte, Preise, Handelsaustausch und Städtebilder. Nicht nur die Betrachtung einer „Kosmographie“, womit wohl die Karte des Fra Mauro gemeint ist, lässt die verschiedenen kosmographischen Interessen Münzers deutlich erkennen. Aufträge für den Nürnberger Gelehrtenkreis sind deshalb wahrscheinlich, ohne dass völlig klar wird, wie gezielt diese Aufgaben waren. Daneben waren die Interessen Münzers breit, Lehren und Praktiken des Islam, auch die Frage der Judenpolitik blieben auf der gesamten Reise eine wiederkehrende Thematik. Es ging ihm aber nicht nur um fremde Religionen, vor allem außerhalb Spaniens werden Heiligenzentren der Schweiz und Südfrankreichs ausführlich – auch mit Gedichten und Epigrammen – gewürdigt. Vielfach paarte sich dieses Interesse mit der Beschreibung von Reliquien und Kirchenschätzen. Der wirtschaftliche Sinn kam dem Nürnberger dabei nicht abhanden, denn mehr als einmal notierte er den Wert der einzelnen kostbaren Stücke. Die Abschrift aus dem Liber Sancti Jacobi in Compostela bietet ein Dossier, das sich nicht nur aus dem Interesse für Jakobus, sondern auch aus einem Faible für die Karlsepik speiste7. Handel, Politik, Religion und Wissenschaft dürften somit die vielfältigen Reisemotive Münzers charakterisieren. Münzers Wissensdrang war groß, er ging aber noch zuweilen über diese hier kurz skizzierten Interessen hinaus, denn der Nürnberger Arzt beschreibt – was in dieser Zeit noch die Ausnahme war – häufig und detailliert die Landschaft. Dazu traten religiöse Gebräuche – Reliquienkult und Mönchsgemeinschaften –, fremde Religionen, künstlerische Werke, Exotica, Universitäten, Apotheken, Spitäler und praktische Dinge, die seine Aufmerksamkeit erheischen. Dies reichte bis zur Organisation des Abwassersystems in Barcelona. Gewiss spielen auch Empfänge bei Hof eine Rolle, aber weniger als in den anderen Reiseberichten von Adligen und Patriziern. Dass Münzer das viele Neue häufig mit Bekanntem aus seiner Heimat verglich entspricht dem Bedürfnis, Unbekanntes zu begreifen, also auf den Begriff zu bringen8. Vergleiche finden sich zuhauf in Münzers Bericht. Münzer hat sich aber nicht nur deshalb auf den Weg gemacht, um sein bisheriges Wissen durch Anschauung zu bestätigen oder zu erweitern, wenn auch die curiositas, die manche für ein Merkmal der beginnenden Neuzeit halten, in seinem Itinerarium zuweilen erkennbar ist. Dies erschließt vielleicht auch sein Interesse an fremden Religionen. Im alten Reich Granada lebten nach der Eroberung durch die Katholischen Könige 1492 noch zahlreiche Muslime: Gebetsriten, Bestattungen und anderes interessieren den Nürnberger Arzt. Dieses Interesse wurde in Zaragoza fortgesetzt, denn dort erläuterte ihm angeblich ein „Priester“ der Muslime, wie es mit der Vielehe stehe. Trotz mancher Kritik lobte der Nürnberger Arzt aber die Arbeitskraft der Muslime, die ihm sogar in manchen Gegenden unentbehrlich erschien. Ganz anders war seine Haltung zu den Juden oder den als „Marranen“ bezeichneten neu getauften sogenannten Conversi, die Münzer am Mittelmeer, aber auch in Lissabon und immer wieder erwähnte und deren Ausweisung er...


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.