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E-Book, Deutsch, 494 Seiten

Henrich Sein oder Nichts

Erkundungen um Samuel Beckett und Hölderlin

E-Book, Deutsch, 494 Seiten

ISBN: 978-3-406-66325-3
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



ZUM BUCH

Samuel Becketts lebenslange, oft nur implizite Bezugnahme auf Hölderlin wird in diesem Buch neu und von Grund aus erschlossen. Der Hölderlin Becketts hat ein ganz anderes Profil als das, welches im 20. Jahrhundert insbesondere von George und Heidegger aufgerichtet worden ist. Überraschenderweise ist es nicht nur ein moderner Hölderlin. Er bleibt zudem seinen bedeutenden philosophischen Anfängen näher, von denen wir auch erst seit drei Jahrzehnten eine genauere Kenntnis haben. Doch wie lassen sich die Leitworte ‹das Sein› und ‹das Nichts› überhaupt verstehen? Dieter Henrich verbindet zwei ganz verschiedene Erkundungsgänge miteinander, in einer Werkanalyse und im Umriss einer eigenen philosophischen Konzeption. Sie enthält eine Kritik sowohl an den Folgerungen der sprachanalytischen Philosophie wie an Hegels, Heideggers und Sartres Thesen über "Sein und Nichts".

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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1;Cover;1
2;Impressum;4
3;Inhalt;5
4;EInleitung;7
5;I. «Und Dann – das Nichts»;13
5.1;1. Die Begegnung als Einsichtsquelle;14
5.2;2. Beckett zitiert Hölderlin;19
5.3;3. «Mnemosyne» und «Krapp’s Last Tape»;29
5.4;4. Grunderfahrungen: Rousseau – Hölderlin – Beckett;39
6;II. Grenzgedanken;51
6.1;5. Komplexionen um ‹Sein› und ‹Nichts›;51
6.2;6. ‹Das Nichts› als sprachlicher Ausdruck und Gedankenprogramm;61
6.3;7. Die Genesis des Gedankens ‹das Sein›;75
6.4;8. ‹Das Nichts› – Unbestimmbarkeit und Gehalt;106
6.5;9. Skizze einer Grundlegung;145
6.5.1;a. Wirklichkeitsbezug im Denken;174
6.5.2;b. Über einen Vorrang von ‹Sein› oder von ‹Nichts›;181
6.5.3;c. Ein Einwand gegen die Denkbarkeit von ‹das Nichts›;184
6.5.4;d. Zeitdiagnose: ‹das Nichts› und der ‹Nihilismus›;185
6.5.5;e. Zu Jean-Paul Sartre;190
6.5.6;f. Über die Möglichkeit des Gedankens ‹Ich bin›;201
6.6;10. Zwischenbilanz;209
7;III. Gegenläufige Vertiefung;227
7.1;11. Kontemplation;227
7.2;12. Hölderlin: ‹Sein› und Lebensgang;245
7.3;13. Trennung im ‹Sein› und der Weg der Dichtung;267
7.4;14. Becketts Erfahrung in Hölderlins Werk;286
7.5;15. Nichts und Form in Beckett;324
7.6;16. Himmelfahrt und Höllensturz eines?;354
8;IV. Selbstsein, Ambivalenz und Vergewisserung;381
8.1;17. Subjektivität oder Ganzheit in der Faktizität des Lebens;381
8.2;18. Spontane, natürliche Metaphysik – disziplinierte Metaphysik;397
8.3;19. Ambivalenz im Selbstverstehen;411
8.4;20. Die philosophische Theorie im bewussten Leben;428
8.5;21. Umwendung der Blickbahn;462
9;Zum Buch;494
10;Über den Autor;494


EINLEITUNG
Zwei Worte, die ein Problemfeld anzeigen, das die Philosophie seit ihren griechischen Anfängen ins Nachdenken zog, sind im Titel dieses Buches mit den Namen von zwei philosophierenden Dichtern verbunden. Der Titel kündigt zudem ‹Erkundungen› an, die von der Beziehung Samuel Becketts zu Hölderlin ausgehen. Sie zielen aber zugleich auf die Grundfragen, die mit den beiden Worten der Philosophie verbunden sind. Diese Koppelung einer philosophischen Problematik mit den Namen von zwei Dichtern verlangt gleich zu Beginn nach einer Erklärung. Obwohl die Namen der Dichter nur im Untertitel stehen, geht von ihnen offenbar der Impuls zu einem solchen Gebinde von Erkundungen aus. So wurde ich selbst fast wider Willen in einen komplexen Untersuchungsgang hineingezogen, als ich über die Lektüre der neueren Erinnerungsliteratur zu Samuel Beckett davon erfuhr, dass Beckett Hölderlin nicht nur bewundert hatte. Er hat sein Werk mit Motiven Hölderlins verbunden und den Leitgedanken, unter den er es stellen konnte, nämlich ‹das Nichts›, an ein Gedicht Hölderlins angeschlossen. Ich hatte schon früh die Tiefenlotung der Selbsterfahrung, die Becketts Texte evozieren, in der Zusammenarbeit mit einem Studententheater und in einer Lebenskrise erfahren. Hölderlin wiederum war nicht nur ein Thema meiner Forschungen zur Entstehung der idealistischen Philosophie gewesen. Seine Gedichte hatten ebenso wie Beckett den Härtetest bestanden, gerade in verdunkelten Perioden des Lebens bedeutsam zu werden. Aber ich hatte nicht die enge Beziehung zwischen den beiden Dichtern wahrgenommen, die mir nun aus Becketts eigenem Umgang mit Hölderlin vor Augen kam. Daraus ergab sich das Motiv, sogar so etwas wie die Verpflichtung dazu, dieser Beziehung nachzudenken und sie möglichst bis auf den Grund zu durchleuchten. Schon früher hatte ich dargelegt, in welchem Sinn von Becketts Werk eine Herausforderung an die Philosophie ergeht. Ich wusste von seinen philosophischen Studien und Vorlieben und hatte den philosophischen Motiven nachgespürt, die in seinen Werken zusammen mit dem, was offensichtlich war, ins Spiel kamen. Meine Forschungen zu Hölderlin hatten fast zur gleichen Zeit begonnen. Sie hatten zum Ziel, aus unerschlossenen Quellen die Stellung seiner philosophischen Arbeit in der Geschichte des nachkantischen Denkens und seine Bedeutung für die kritische Weiterbildung von Fichtes Lehre aufzudecken. Aber ich sah keinen Anlass dafür, eine Beziehung von Beckett zu Hölderlins Werk zu vermuten. Stilform und Grundton beider Werke schienen sie geradezu auszuschließen. Nachdem nun aber klar war, welches Gewicht diese Beziehung für Beckett gehabt hat, musste alsbald das Verhältnis der philosophischen Leitgedanken zu einem Zentralpunkt für neue Überlegungen werden. Hegel hatte ‹Sein› und ‹Nichts› als die allerersten Gedanken überhaupt und als Ausgang der gesamten Geschichte der Philosophie erklärt. Sie traten nun als Leitgedanken der beiden Dichter in eine unerwartete Beziehung zueinander, welche aber die eines ausschließenden Gegensatzes zu sein schien. Denn Hölderlin hatte als Grundorientierung die Voraussetzung eines in sich ungeschiedenen ‹Seins› als Aufhebung aller Trennung begründet. Dagegen nannte Beckett ‹das Nichts› als letzthin einzig Wirkliches, weil es alles, was ist, in seinem ‹Fallen› und im Hingleiten zu einem Enden durchzieht. So stellte sich nicht nur die Frage, wieso ein Autor, der unter diesem Leitgedanken schrieb, einem anderen nahe sein konnte, für den der Gedanke leitend war, der zu dem seinen im Gegensatz stand. Diese Frage zog sogleich die andere nach sich, die selbst ganz der Philosophie selbst zugehört: Wie sind beide Ausdrücke, deren Bedeutung schon im Alltagsgebrauch zwischen mehreren Allusionen flimmert, überhaupt zu verstehen, und wie ist der Gegensatz zwischen ihnen zu begreifen? Diese Frage versetzt in die Mitte eines Problemstranges, der gerade die moderne Philosophie von Pascal über Hegel bis zu Heidegger und Sartre durchzieht. Ich war ihm zuvor aus mancherlei Gründen ausgewichen: Ich hatte den Grundsatz von Aristoteles im Sinn, dass ‹sein› in vielerlei Weise gebraucht wird, und war mir dessen bewusst, dass ‹Sein› nicht die Bestimmtheit der Rede von Gott oder der All-Einheit Spinozas erreichen kann. Zudem war klar, dass ‹nichts› gleichfalls in vielerlei Weise gebraucht wird und zudem in eine Paradoxie hineinziehen kann. Doch es war ebenso klar, dass sich mit diesen Worten Perspektiven für eine Verständigung über das Menschenleben verbinden. Pascal, Kierkegaard, Heidegger und Sartre genügten dafür als Zeugen. Zudem lassen sich die Diagnosen der Moderne als Epoche des ‹Nihilismus› letztlich nur dann verstehen, wenn sich in den Reden vom ‹Nichts› deren Vielfalt über einen inneren Zusammenhang erschließen lässt, in dem sie miteinander verbunden sind. Für Hegel stand am Anfang der wahren Philosophie die Einsicht, dass ‹Sein› und ‹Nichts› eigentlich ein und dasselbe bedeuten. Für Heidegger, dem sich alles im Versuch erschloss, ‹das Sein› als solches zu denken, verstand es sich von selbst, dass ‹das Nichts› letztlich nur als eine Weise verstanden werden kann, in der ebendies Sein für den Menschen aufgeht. Aber schon der Umgang mit den beiden Dichtern, mit Beckett wie mit Hölderlin, machte deutlich, dass der Gegensatz zwischen beiden Ausdrücken in deren Verstehen nicht zum Verschwinden zu bringen sein wird. Kurzum: Es war unumgänglich geworden, ein eigenes Konzept zu entfalten, in dem die Rede von ‹Sein› und von ‹Nichts› mit allen ihren Aspekten einen Platz würde finden können. Bücher werden nicht immer nach einem Plan entworfen. Sie können auch, wie in diesem Fall, aus scheinbar geringem Anlass einen Autor dazu nötigen, geschrieben zu werden und dabei weit auszugreifen. Das Konzept, in das die Verständigung über Samuel Becketts Hölderlin einzufügen war, weist Grundzüge auf, von denen einige hier genannt werden sollen: Der Gegensatz in dem Paar ‹Sein› und ‹Nichts› wird nicht aufgelöst. Er behält mit seiner Forderung nach einer Option zwischen beiden seine Bedeutung für das bewusste Leben der Menschen. Sie ist durch das ‹oder› im Titel des Buches angezeigt. In beiden Ausdrücken artikuliert sich mehr als nur ein allgemeiner Zugang zu einem Gedanken von allem überhaupt. Als solcher sind sie aber auch diesseits aller diskursiven Bildung verständlich und darum dem literarischen Kunstwerk gemäß. Aber er ist auch nur ein erster, niemals ein definitiver Zugang zu einem Abschlussgedanken jenes Überlegens, welches ein ‹Alles› im Blick hat. Insofern muss die Philosophie über den Gegensatz hinausdenken. In jedem der beiden Glieder des Gegensatzes sind nun aber mehrere Bedeutungszüge zusammengefasst. Das macht einen wesentlichen Teil ihrer Bedeutung für eine vortheoretische Lebenspraxis aus. Doch kann, was scheinbar nur Vieldeutigkeit ist, selbst erst dann verstanden werden, wenn man eine Dynamik in der Kognition und in der Gesamtverständigung des Menschen über sich überschauen kann. Sie wird in einer Skizze entfaltet. Ohne sie bliebe es auch unverständlich, wieso der Paradoxie im Gedanken eines absoluten Nichts doch eine bestimmte Stelle im Prozess der Selbstverständigung des Menschen zukommen kann. Das Buch setzt nicht voraus, dass sein Leser diesem philosophischen Gedankengang nachgehen will. Darum ist allen Kapiteln ein Vortext vorangestellt. Er soll es möglich machen, sich jederzeit in der Übersicht über das Ganze zu halten oder sich in sie zurückzubringen – auch wenn das eigene Interesse auf Beckett oder auf Hölderlin allein konzentriert sein sollte. Wer umgekehrt nur den philosophischen Erkundungen nachgehen will, könnte somit auch die Passagen textnaher Interpretation übergehen. ‹Erkundung› werden alle Überlegungen des Buches genannt – zum kleineren Teil deshalb, weil in ihnen einer zuvor noch gar nicht absehbaren Fragestellung nachgegangen wird. Überwiegend geschieht das jedoch, weil jede Argumentation in einen bestimmten Zusammenhang übergreifenden Interesses gestellt ist. Sie kann deshalb nicht allseitig abwägend verfahren. Ein Text, der ‹Untersuchung› genannt wird, wäre dazu verpflichtet. Vor allem in den philosophischen Kapiteln geht es aber darum, einen Zusammenhang zu erschließen und übersichtlich werden zu...


ÜBER DEN AUTOR

Dieter Henrich, geboren 1927, war nach seiner Habilitation ordentlicher Professor in Berlin (ab 1960) und Heidelberg (ab 1965), Gastprofessor u.a. an der Harvard University (1973–1984) und von 1981 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1994 Ordinarius für Philosophie in München. Hölderlin gelten mehrere seiner Veröffentlichungen. Der international renommierte Philosoph ist u.a. Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Sciences und erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Friedrich-Hölderlin-Preis (1995), den Hegel-Preis der Stadt Stuttgart (2003), den Internationalen Kant-Preis (2004) sowie den Deutschen Sprachpreis (2006). Bei C.H.Beck ist von ihm lieferbar: Werke im Werden. Über die Genesis philosophischer Einsichten (2011).


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