Wie unterschiedlich Frauen die Zeit der Hormonumstellung erleben und was wirklich hilft - Von der Gesundheitsexpertin der Brigitte Woman
E-Book, Deutsch, 256 Seiten
ISBN: 978-3-641-27378-1
Verlag: Mosaik
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Diana Helfrich ist seit über 20 Jahren leidenschaftliche Pharmazeutin und Journalistin. Neben ihrem ursprünglichen Beruf schreibt sie in Brigitte woman und Brigitte wir sowie auf ihrem Blog »Die Apothekerin Ihres Vertrauens« über Gesundheitsthemen. Diana Helfrich lebt mit ihrer Familie in Hamburg.
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Einführung: Was sind die Wechseljahre heute?
»Ich dachte, ich krieg’ das nicht«: Viele Frauen leben mit dem Gefühl, die Wechseljahre beträfen sie nicht – bis sie plötzlich Hitzewallungen, Schlafprobleme oder Stimmungsschwankungen an sich feststellen. »Wir tun so, als würden sie nicht passieren, dabei macht die Hälfte der Menschen die Wechseljahre durch«, so hat es Michelle Obama mal ausgedrückt. Das Wort »Menopause« zu erwähnen, sei ungefähr so, als würde man sehr laut »SCHWANZ« sagen, schreibt eine Userin auf dem Instagram-Account des sehr unterhaltsamen Podcasts »Postcards from Midlife« zweier britischer Journalistinnen. Der Kommentar stammt von einer Hörerin aus Los Angeles, USA. Ich habe mir gleich eine Terrasse über dem Meer vorgestellt, auf der mittelalte, schlanke Menschen sich von der Nachmittagssonne bescheinen lassen, mit sehr weißen Zähnen und Cocktails in den Händen. Menschen, die es geschafft haben. Warum erstarren sie beim Wort »Menopause«? Läge es nicht eigentlich nahe, etwas, das zum Leben gehört wie morgens aufzuwachen, erst mal zumindest irgendwie okay zu finden? Die Antwort hat mir eine der Frauen gegeben, mit denen ich für dieses Buch gesprochen habe, die Redakteurin Bettina: »Wechseljahre, das klingt nach alt und schrumplig. Und darum schäme ich mich dafür.« Schon das Wort komme muffig daher, sagt sie. Und mit dem Alter will nun wirklich niemand etwas zu tun haben. Wir wollen jung, leicht und lecker sein. Also behält fast jede ihre Geschichte für sich. Das fängt allerdings schon viel früher im Leben an, bei der Regelblutung. Die handeln wir von Beginn an möglichst diskret ab. »Wenn Männer einmal im Monat aus dem Penis bluten würden, die Zeitungen wären voll davon«, hat mein Mann mal zu mir gesagt. Und ich glaube, er hat recht. Aber es bluten nun mal die Frauen, es ist wenig zu lesen über die Menstruation, und geredet wird auch kaum darüber, das ändert sich gerade erst ganz langsam. Und so hören wir auch viel zu selten die Geschichten über das Klimakterium, wie die Wechseljahre medizinisch genannt werden. Die kleinen und großen Erlebnisse und Empfindungen im Alltag, die Erfahrungsberichte. Diese Erzählungen sind aber allein schon deshalb ganz besonders interessant, weil die hormonelle Umstellung in eine Zeit fällt, in der sich das Leben ohnehin verändert. Bis etwa Mitte 40 folgt doch bei vielen alles einer gewissen Chronologie: Schule, Ausbildung, Berufseinstieg, vielleicht Partnerschaft und Familiengründung. Dann versucht man, die Kinder groß zu kriegen und im Job voranzukommen. Und wenn das alles läuft, lässt einem das Leben für gewöhnlich gar keine Zeit für anderes. Irgendwann sind die Kinder groß, die Partnerschaft ist längst zerbrochen oder 20 Jahre alt, der Job vielleicht auch. Und dann ahnen wir, dass wir womöglich ein anderes Leben haben könnten. Eines, das unseren Wünschen vielleicht besser entspricht. Nur: Was sind denn unsere Wünsche? Die Wechseljahre sind darum auch eine Zeit der Selbstbefragung und Selbstfindung. Eine Phase, in der wir vielleicht entdecken, wie viel Freude es macht, mit den Händen im Beet zu wühlen oder dass Trauerrednerin ein interessanter Beruf ist. Und erfüllender als der bisherige Job. Und noch eines sind die Wechseljahre: ein spürbares Signal der Lebensmitte. Das Leben klopft an und sagt: »Hallo, ich gehe irgendwann zu Ende, auch wenn du es bisher geschafft hast, das zu ignorieren.« Darum sind die Wechseljahre immer auch eine Aufforderung zur Zwischenbilanz. Die Gelegenheit, etwas im Leben zu verändern, um es später nicht zu bereuen. Aber gehören Schwitzattacken, Stimmungsschwankungen und Schlafprobleme zwangsläufig zu dieser Zeit? Nein, Wechseljahresbeschwerden sind keine Bürgerinnenpflicht, so hat es die Gynäkologin Dorothee Struck aus Kiel in einer ihrer Wechseljahreskolumnen in der BRIGITTE WOMAN formuliert. Die Bandbreite, wie sehr die Wechseljahre einen Menschen auf welche Art auch immer belasten oder nicht, reicht von hier bis hinters Weltall: Es gibt Frauen, die viele, viele Male am Tag vom Glühen in ihrem Inneren so überwältigt werden, dass sie sich ausgeliefert fühlen. Andere sind plötzlich gereizt, ihr Herz wummert oder die Gelenke tun ihnen weh, und im schlechtesten Fall kommen sie über Jahre hinweg nicht drauf, dass die Hormone dahinterstecken. Und es gibt die, die super durch die Wechseljahre kommen. Die einfach irgendwann nicht mehr bluten und ansonsten wenig mitkriegen von der hormonellen Umstellung. Es ist wie beim Kinderkriegen: Das ist auch keine Krankheit, aber nicht für jede eine gute Erfahrung. Manche erleben einen Notkaiserschnitt mit Angst, Hilflosigkeit und Enttäuschung, andere bringen ihr Kind bei Kerzenschein auf dem Sofa zur Welt. Wenig mitzubekommen vom Wechsel ist sicherlich der angenehmere Verlauf. Aber auch diese Frauen müssen sich um ihre Knochen kümmern, weil die brüchig werden, und noch um ein paar Dinge mehr, wenn es mit der Gesundheit weiter bestens laufen soll. Denn älter werden sie genauso – es laufen zwei Prozesse gleichzeitig ab, unabhängig voneinander. Und auch sie trauern womöglich ihrer Jugend nach. Dennoch hat keine der Frauen, mit denen ich gesprochen habe, darüber geklagt, unsichtbar geworden zu sein. Der Tenor war: Nein, es stimmt nicht, ich kann Männer und alle anderen genauso auf mich aufmerksam machen wie früher. Nur will ich es nicht mehr, oder jedenfalls nicht mehr so oft. Für viele ist es schön, selbst entscheiden zu können, ob sie gesehen werden oder nicht. Trotzdem: Je mehr Wohlstand und Selbstbestimmung wir erlangen, desto köstlicher scheint das Jungsein, das wir uns niemals werden zurückkaufen können. Dieses Empfinden hat aber mit unserer Gesellschaft und deren Wertesystem zu tun, weniger mit dem Verlust der Fruchtbarkeit. Orcas haben auch Wechseljahre, und die nicht mehr fortpflanzungsfähigen Weibchen übernehmen Führungsaufgaben, gerade in schwierigen Zeiten, etwa wenn es nur wenig Lachse zu jagen gibt. Die US-Amerikanerin Darcey Steinke formuliert es in ihrem Buch Fliegende Hitze so: Nicht die Menopause sei das Problem, sondern die Menopause, wie man sie im Patriarchat erlebt. Lernen von den Walen. Die Wechselzeit ist für jede Frau anders, und auch Ärzt*innen und Expert*innen gucken extrem unterschiedlich darauf. Wer das Buch Woman on Fire der Gynäkologin Sheila de Liz liest, schlägt es zu mit dem Gefühl, dass es ohne Hormontherapie einfach nicht geht. Dass, wer drauf verzichtet, einen idiotischen Fehler macht, nicht nur mies durch die Wechselzeit kommt, sondern auch danach herzkrank und mit verkümmerten Geschlechtsorganen vor sich hin vegetieren wird. Die Wissenschaftlerin Prof. Kerstin Weidner von der Klinik für Psychotherapie und Psychosomatik der Uniklinik Dresden dagegen, die sich auf gynäkologische Psychosomatik spezialisiert hat, zeichnet ein ganz und gar anderes Bild: Sie und ihr Team haben die typischen Wechseljahresbeschwerden bei beiden Geschlechtern verschiedener Altersgruppen abgefragt, auch bei jungen Frauen und Männern. Sie kamen zu dem Schluss, dass es genau ein einziges Symptom gibt, das wirklich nur bei Frauen zwischen 40 und 65 häufiger vorkommt: Hitzewallungen. Andere Beschwerden wie Gelenkprobleme nahmen bei allen Geschlechtern mit den Jahren zu, noch mal andere kamen und gingen im Verlauf eines Lebens immer mal wieder, etwa psychische Beschwerden. Die Studie kam 2012 heraus, und ich erinnere mich gut, wie ich damals, mit Anfang 40, davon las. Dann gibt es die Wechseljahre also vielleicht gar nicht, dachte ich. Und: Das werden wir ja mal sehen, ob ich das überhaupt kriege. Erste Zweifel, ob wirklich alles so belastend werden würde, hatte ich aber schon runde zehn Jahre früher – bei meinem allerersten größeren journalistischen Projekt zum Thema. Ein BRIGITTE-Dossier, in dem unter anderem mehrere Frauen von ihrem Erleben der Wechselzeit berichteten. Ich erinnere mich, wie ich die Geschichte einer der Frauen las. Sie hatte das Wort »Wechseljahre« ganz wörtlich genommen und war mit etwa 50 ausgewandert, nach Australien, wenn ich mich recht entsinne. Sie lebte dort auf einer Farm, und es schien ihr viel besser zu ergehen als zuvor in Deutschland. Sie hatte eine richtig gute Zeit, auch mit ihrem Partner. Ihre Geschichte war das Gegenteil von dem, was ich erwartet hatte. Jetzt bin ich selbst 51 Jahre alt und warte auf die Veränderungen. In der Zwischenzeit habe ich das Thema natürlich verfolgt, schon allein wegen meines Jobs. Aber irgendwann waren dann auch Freundinnen und Kolleginnen so weit und fragten sich (und manchmal auch mich): Soll ich Hormone nehmen? Vor allem der Umgang damit hat sich über die letzten Dekaden sehr verändert: Bis zum Jahr 2002 wurden sie nach dem Gießkannenprinzip verordnet, danach verteufelt. Frauen, die die volle Ladung Hitzewallungen oder andere Wechseljahresprobleme abbekamen, wurden zuletzt viel zu schlecht versorgt und hatten dabei viel zu viel Angst. Jetzt scheint das Pendel gerade wieder in die andere Richtung zu schwingen. Denn mit den bioidentischen Hormonen haben wir inzwischen die Möglichkeit, ganz natürlich zu behandeln. Man kann heute ziemlich öko sein, und trotzdem überzeugter Fan von Hormontherapien. Man nimmt ja nur genau die Wirkstoffe, die der Körper selbst auch produziert. Hilft der Natur ein bisschen auf die Sprünge, so scheint es. Dabei geht manchmal unter, dass es sich dabei natürlich genauso um hochwirksame Medikamente handelt, die zwangsweise auch unerwünschte Wirkungen haben. Keine Wirkung ohne...