Held | Moralische Motivation in der Stoa und bei Augustinus | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 525 Seiten

Reihe: Tübinger Studien zur Theologie und Philosophie

Held Moralische Motivation in der Stoa und bei Augustinus


1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7720-0112-3
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 525 Seiten

Reihe: Tübinger Studien zur Theologie und Philosophie

ISBN: 978-3-7720-0112-3
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Frage, warum man moralisch sein soll, ist eine der ältesten und schwierigsten Fragen der Moraltheorie: Wie kann der Mensch dem moralischen Anspruch, dem er untersteht, gerecht werden? In welchem Verhältnis stehen moralische Urteile und Überzeugungen zu den Wünschen, Neigungen und Gefühlen des Menschen? Welche Rolle kommt der Vernunft in der Handlungsmotivation zu? Welche Bedeutung hat der religiöse Glaube für die menschliche Praxis? In der zeitgenössischen Moraltheologie werden diese grundlegenden Fragen weitgehend vernachlässigt. Die vorliegende Untersuchung leistet einen Beitrag, die Motivationsproblematik wieder ins Zentrum der moraltheologischen Reflexion zu rücken. Ausgehend von einem Überblick über die gegenwärtige philosophische Diskussion um das Problem der moralischen Motivation wird die Motivationstheorie der Stoa rekonstruiert und ihre Rezeption durch Augustinus herausgearbeitet. Dabei erweisen sich die klassischen Motivationstheorien nicht nur als anschlussfähig an die gegenwärtige Diskussion, sondern sie bieten darüber hinaus auch wichtige Impulse für die Beschäftigung mit dem Motivationsproblem.

Markus Held ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Moraltheologie an der Universität Tübingen.

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II.3 Normative Gründe
Was sind normative Gründe?1 Eine Antwort auf diese Frage ist insofern von großer Bedeutung für das Problem der moralischen Motivation, als Moral eine normative Sphäre ist, welche allen Akteuren Gründe für ihr Handeln gibt, unabhängig von ihren kontingenten Wünschen, Dispositionen und Interessen.2 Es wurde bereits erwähnt, dass normative Gründe für bzw. gegen etwas sprechen, d.h. sie machen etwas richtig oder angemessen und können dadurch dieses Etwas rechtfertigen.3 Im Bereich der Moral lässt sich dieses Etwas als Handlungen und Einstellungen bestimmen, weshalb normative Gründe in der Moral für oder gegen Handlungen und Einstellungen von Menschen sprechen und als normative praktische Gründe bezeichnet werden können. Im Kontext der Moral und des Handelns ist das Kriterium, durch welches beurteilt werden kann, ob normative praktische Gründe für bzw. gegen Handlungen und Einstellungen sprechen, das Wertvolle und Gute bzw. das Gesollte und Richtige.4 Es ist die eigentümliche Funktion normativer praktischer Gründe im Rahmen der Deliberation und Beratschlagung als Überlegungen vorzukommen, über die Handelnde reflektieren, um zu einem Schluss zu kommen, was sie tun bzw. welche Einstellung sie haben sollen. Dabei können Gründe für eine bestimmte Handlung durch Gründe gegen diese Handlung überwogen werden. Einen solchen Grund, der durch andere Gründe überwogen wird, nennen wir einen ‚pro tanto Grund‘. Wird ein solcher pro tanto Grund nicht durch andere Gründe überwogen, nennen wir ihn einen ‚pro toto Grund‘; ein solcher Grund spricht pro toto für bzw. gegen eine Handlung. Normative praktische Gründe im Besonderen geben einer Handlung einen Wert, wodurch sie die Entscheidung und das Handeln einer Person leiten und zugleich eine Basis für die Bewertung der Handlung bilden. Auf diese Weise dienen normative Gründe auch zur Rechtfertigung von Handlungen, da sie diejenigen Handlungen erklären bzw. plausibilisieren, zu denen man nach rationaler Überlegung gelangt ist, d.h. Handlungen zu denen man aufgrund von Gründen für diese Handlungen gelangt ist. Daraus folgt, dass normative Gründe prinzipiell in der Lage sein müssen, eine Erklärung bzw. Plausibilisierung für eine Handlung zu bieten:5 Wenn X ein normativer Grund zu f-en ist, dann muss es möglich sein, dass Personen aus dem Grund, dass X, f-en und dass dies, wenn sie das machen, ihre Handlung erklärt. Daraus folgt aber nicht, dass normative Gründe immer eine Handlung erklären. Handelt die Person nicht aus einem normativen Grund, erklärt der normative Grund die Handlung auch nicht. Dennoch ist es prinzipiell möglich, dass er die Handlung erklärt. Ein weiteres Merkmal normativer praktischer Gründe besteht darin, dass sie präsumtiv hinreichend sind.6 Ein Grund zu f-en ist dann zu einem bestimmten Zeitpunkt präsumtiv hinreichend, wenn es der Fall ist, dass es zu diesem Zeitpunkt gerechtfertigt ist zu f-en, wenn kein anderer Grund für oder gegen die Handlung spricht.7 Da normative praktische Gründe, wie oben erwähnt, nur dann existieren, wenn die entsprechende Handlung mit einem Gut in Verbindung steht, wodurch die Handlung einen Wert erhält, wird deutlich, warum normative praktische Gründe präsumtiv hinreichend sind: Ein einziger normativer praktischer Grund reicht aus, um einer Handlung Wert zu verleihen, und ist, solange es keine anderen Gründe gibt, die in eine andere Richtung weisen, hinreichend, um die Handlung zu rechtfertigen. Als letztes Merkmal normativer Gründe ist noch auf die Universalität von normativen Gründen zu verweisen. Dieser Universalität zufolge besteht ein normativer Grund zu f-en, sofern er wirklich besteht, für alle Akteure, insofern ihre relevanten Umstände dieselben sind. Immer wenn wir ein Urteil über unsere Gründe fällen, machen wir zugleich auch Annahmen über die Gründe, die für andere bestehen, insofern sie sich in denselben Umständen befinden.8 Bevor nun allerdings mit der weiteren Analyse normativer Gründe fortgefahren werden kann, ist zunächst in einem kurzen Exkurs auf die Vieldeutigkeit der Internalismus/Externalismus-Unterscheidung innerhalb der Metaethik einzugehen, da eine bestimmte Spielart dieser Unterscheidung in der weiteren Analyse normativer Gründe von zentraler Bedeutung sein wird. Exkurs: Zur Internalismus/Externalismus-Unterscheidung in der Metaethik Die Unterscheidung von internalistischen und externalistischen Theorien spielt in den zeitgenössischen metaethischen Debatten z.B. über die Struktur praktischer Rationalität oder über den Status normativer Gründe eine wichtige Rolle. In formaler Hinsicht lassen sich die beiden Theorietypen dadurch unterscheiden, dass der Internalismus eine innere Beziehung zwischen zwei Relata annimmt, während der Externalismus eine solche Verbindung bestreitet. Da die Internalismus/Externalismus-Unterscheidung in der aktuellen metaethischen Diskussion auf ganz unterschiedlichen Feldern Anwendung findet, besteht die Gefahr der Verwirrung, wenn die unterschiedlichen Kontexte, in denen die Unterscheidung vorgenommen wird, nicht klar voneinander getrennt werden. In diesem Exkurs soll daher der Versuch unternommen werden, die für diese Arbeit relevanten Formen9 der Unterscheidung deutlich gegeneinander abzugrenzen und terminologisch klar zu unterscheiden. Als Differenzierungskriterium werden dabei die verschiedenen Relata dienen, welche in einer internen bzw. externen Verbindung stehen sollen. Dabei wird auch die Art der internen bzw. externen Beziehung näher betrachtet werden. 1. Interne und Externe Gründe Die erste Form der Internalismus/Externalismus-Unterscheidung betrifft die Existenz normativer Gründe.10 Daher soll im Folgenden ein Internalismus in Bezug auf normative Gründe als ‚Theorie interner Gründe‘, ein Externalismus in Bezug auf normative Gründe als ‚Theorie externer Gründe‘ bezeichnet werden.11 Eine Theorie interner Gründe formuliert eine Bedingung für das Bestehen normativer Gründe. Das wesentliche Charakteristikum einer Theorie interner Gründe besteht darin, dass die Wahrheit einer Behauptung über die Existenz eines normativen Grundes an das Vorhandensein eines geeigneten Elements innerhalb des subjektiven Motivationsprofils des Akteurs gebunden wird. Die Fähigkeit einer Überlegung, den Akteur zu motivieren, wird zu einer notwendigen Bedingung dafür, dass die Überlegung ein normativer Grund sein kann: Theorie interner Gründe: Für einen Akteur besteht nur dann ein normativer Grund zu f-en, wenn er mit vollem Wissen um alle für sein Handeln relevanten Gesichtspunkte sowie nach Durchlaufen eines rationalen Deliberationsprozesses motiviert wäre zu f-en. Ein Vertreter einer Theorie externer Gründe würde die hier angenommene innere Beziehung von normativen Gründen und einer entsprechenden Motivation bestreiten und stattdessen behaupten, dass für einen Akteur auch dann ein normativer Grund zum Handeln bestehe, wenn dieser auf keine Art und Weise zu einem solchen Handeln motiviert werden könne. Die relevanten Relata innerhalb dieser Internalismus/Externalismus-Unterscheidung sind folglich normative Gründe einerseits, eine Motivation andererseits, wobei das Vorhandensein einer Handlungsmotivation zu einer notwendigen Bedingung für die Existenz eines normativen Grundes wird. Diese Form der Internalismus/Externalismus-Unterscheidung wird im folgenden Kapitel näher untersucht. 2. Der motivationstheoretische Internalismus und Externalismus Eine weitere Form der Internalismus/Externalismus-Unterscheidung betrifft die Beziehung von moralischen Urteilen und einer entsprechenden Motivation.12 Die beiden sich aus der Unterscheidung ergebenden Positionen werden in der Folge als ‚motivationstheoretischer Internalismus bzw. Externalismus‘ bezeichnet.13 Der motivationstheoretische Internalismus geht von der Beobachtung aus, dass unseren moralischen Urteilen eine praktische Dimension innewohnt, insofern sie eine wichtige Rolle bei der Regelung unseres Verhaltens spielen – wir versuchen mit ihnen, das Handeln anderer zu beeinflussen sowie unser eigenes Handeln an ihnen zu orientieren. Der motivationstheoretische Internalismus nimmt nun an, dass unseren moralischen Urteilen eine motivationale Kraft inhäriert, welche für die praktische Dimension der Urteile verantwortlich ist. Dieser Position zufolge besteht eine innere Verbindung zwischen dem moralischen Urteil und einer entsprechenden Handlungsmotivation: Motivationstheoretischer Internalismus: Wenn ein Akteur urteilt, dass es für ihn moralisch richtig ist zu f-en, dann ist er notwendigerweise pro tanto motiviert zu f-en. Der motivationstheoretische Externalismus bestreitet dies und behauptet, dass die Verbindung nur kontingeneterweise bestehe, die Motivation jedoch aufgrund eines weiteren, dem Urteil externen Elements zuverlässig dem moralischen Urteil folge. Dem motivationstheoretischen Externalismus zufolge ist es also möglich, ein aufrichtiges moralisches Urteil zu fällen, ohne in irgendeiner Art und Weise zu einem entsprechenden Handeln motiviert zu sein. Für den motivationstheoretischen Internalismus ist ein moralisches Urteil ohne eine entsprechende Handlungsmotivation nicht denkbar. Die innere...



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