E-Book, Deutsch, 200 Seiten
Reihe: ITI Treatment Guide Series
E-Book, Deutsch, 200 Seiten
Reihe: ITI Treatment Guide Series
ISBN: 978-3-86867-663-1
Verlag: Quintessenz
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Der ITI Treatment Guide ist eine Buchreihe zu evidenzbasierten Methoden für Implantatversorgungen in der täglichen Praxis. Renommierte Klinikerinnen und Kliniker sowie erfahrene Praktikerinnen und Praktiker, die konkrete Behandlungsfälle zum Thema beigesteuert haben, beleuchten darin das Spektrum der unterschiedlichen indizierten Behandlungsformen. Die Buchreihe erörtert den Umgang mit verschiedenen klinischen Situationen. Ihr Schwerpunkt liegt insbesondere auf einer fundierten Diagnostik, evidenzbasierten Behandlungskonzepten und voraussagbaren Behandlungsergebnissen bei minimalem Risiko für den Patienten.
Dieser Band 13 des ITI Treatment Guide informiert die Behandlerin und den Behandler über das neueste evidenzbasierte Wissen zur Prävention und Therapie von periimplantären Erkrankungen. Dieses Wissen beruht teilweise auf den Ergebnissen der 6. ITI-Konsensuskonferenz in Amsterdam (2018) sowie auf einer Übersicht über die aktuell vorliegende Literatur. 17 Fallbeschreibungen, präsentiert von erfahrenen Behandlern aus der ganzen Welt, illustrieren Schritt für Schritt die Diagnose und Therapie von periimplantären Erkrankungen.
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 01. Einleitung
Kapitel 02. Periimplantäre Gesundheit und Erkrankungen: Klassifikation und Definitionen
Kapitel 03. Untersuchungen bei der Diagnostik periimplantärer Erkrankungen und Falldefinitionen periimplantärer Erkrankungen
Kapitel 04. Ätiologie von periimplantären Erkrankungen
Kapitel 05. Prävalenz von periimplantären Erkrankungen
Kapitel 06. Risiken für periimplantäre Erkrankungen
Kapitel 07. Periimplantäre Mukositis
Kapitel 08. Periimplantitis
Kapitel 09. Prävention von periimplantären Erkrankungen
Kapitel 10. Was bringt die Zukunft? Neue Verfahren und Materialien
Kapitel 11. Schlussfolgerungen
Kapitel 12. Klinische Fallbeschreibungen
Kapitel 13. Literatur
4.1 Mikrobielle Ätiologie periimplantärer Erkrankungen
Periimplantäre Mukositis und Periimplantitis sind als entzündliche, durch Biofilmakkumulation ausgelöste Erkrankungen definiert (Berglundh et al. 2018a). Der mikrobielle Ursprung dieser periimplantären Erkrankungen, wie er in diesem Kapitel beschrieben wird, stützt sich auf eine starke Evidenz. Nachfolgend eine kurze Zusammenfassung evidenzbasierter Literatur: • Belege für einen kausalen Zusammenhang aus Tierversuchen (Lindhe et al. 1992, Schou et al. 1993, Lang et al. 1993) • Belege für einen kausalen Zusammenhang aus experimentellen Humanstudien (Pontoriero et al. 1994, Salvi et al. 2012, Meyer et al. 2017, Zitzmann et al. 2001) • Nachweise für einen Zusammenhang aus klinischen Beobachtungsstudien (Koyanagi et al. 2010, Kumar et al. 2012, Tamura et al. 2013, Apatzidou et al. 2017, Sanz-Martín et al. 2017, Al-Ahmad et al. 2018) • Belege für Heilungen und verhinderte fortschreitende Erkrankungen nach infektionsbekämpfenden Maßnahmen aus klinischen Interventionsstudien (Heitz-Mayfield et al. 2012, Heitz-Mayfield et al. 2018b, Carcuac et al. 2017, Berglundh et al. 2018b) • Einem einzelnen Keim lässt sich weder die periimplantäre Mukositis noch die Periimplantitis zuordnen; als ätiologische Haupttriebfeder, die den Prozess anstößt und fortschreiten lässt, gilt vielmehr die Akkumulation von Biofilmen Abb. 1 Periimplantäre Biofilmakkumulation bei einem zahnlosen Patienten mit implantatgetragener Prothetik. Das vorliegende Kapitel beschreibt die Profile der gesundheits- und krankheitsassoziierten periimplantären Mikroflora. Zur anschaulicheren Illustration der jeweiligen Biofilmentstehung sei außerdem auf die begleitenden 3-D-Computeranimationen verwiesen (Peri-Implantitis and its Prevention; Quintessence Publishing 2018). Das gesamte Video ist eingeloggten ITI-Mitgliedern kostenlos zugänglich (www.iti.org). Video mit 3-D-Coputeranimation
Peri-Implantitis and its Prevention. 4.1.1 Mikrobielles Spektrum an gesunden Implantationsstellen Periimplantäre Mikrobiome wurden mit diversen mikrobiologischen Methoden analysiert. Kulturen kamen ebenso zur Anwendung wie Mikroskope, DNA-Proben oder Molekulartechniken (z. B. 16S-Pyrosequenzierung, Illumina-Sequenzierung). Mit zunehmender Weiterentwicklung der Molekulartechniken wächst auch kontinuierlich unser Wissen um die Vielfalt des periimplantären Mikrobioms und seine Rolle. Querschnittstudien zu Mikrobiota in gesunden periimplantären Milieus zeigen eine Zusammensetzung primär aus grampositiven fakultativen Kokken und stäbchenförmigen Bakterien sowie – in kleiner Zahl und zu geringen Anteilen – gramnegativen anaeroben Bakterien (Leonhardt et al. 1999, De Boever und De Boever 2006, Fürst et al. 2007). Zudem entsteht rasch ein Biofilm an neuen Implantationsstellen bei teilbezahnten, parodontal vorbehandelten und in unterstützender Nachsorge befindlichen Patienten, wobei die Restbezahnung ein Reservoir zur Keimbesiedelung bildet (Leonhardt et al. 1999, Mombelli et al. 1995, van Winkelhoff et al. 2000, De Boever und De Boever 2006, Quirynen et al. 2006, Fürst et al. 2007, Salvi et al. 2008). Fürst et al. (2007) beurteilten parodontal behandelte Patienten mit gutem Hygienestatus, die mit Implantaten versorgt wurden, danach bis zu 3 Monate lang auf Keimbesiedelungsmuster. Dabei wurden Biofilmproben aus dem Sulkus der transmukosalen Einheilkappen von 14 Patienten per Checkerboard-DNA-DNA-Hybridisierung auf 40 Bakterienstämme analysiert und mit den Stämmen aus dem Bereich der angrenzenden Zähne verglichen. Biofilme bilden sich innerhalb von 30 Minuten nach den Implantationen. Von 30 Minuten bis 7 Tage danach verursachte lediglich ein Bakterienstamm (Veillonella parvula) an Implantaten eine höhere Keimbelastung als an den angrenzenden Zähnen. Nach 3 Monaten war die Keimzusammensetzung an Implantaten und Zähnen vergleichbar, die Keimbelastung an den Zähnen jedoch höher (Fürst et al. 2007). Weitere Studien mit molekularen Detektionsmethoden erbrachten eine rasche Besiedelung von Titan- und Zirkonoxid-Sekundärteilen durch ähnliche Bakterienkollektive wie an den angrenzenden Zähnen (de Freitas et al. 2018, Raffaini et al. 2018). 4.1.2 Mikrobielles Spektrum an erkrankten Implantationsstellen Die Beweislage für einen Zusammenhang zwischen periimplantären Erkrankungen und, ähnlich wie bei Parodontopathien, bakteriellen Biofilmen vorwiegend aus gramnegativen anaeroben Erregern ist überwältigend (Koyanagi et al. 2010, Kumar et al. 2012, Tamura et al. 2013, Apatzidou et al. 2017, Sanz-Martín et al. 2017, Al-Ahmad et al. 2018). Auch konnte gezeigt werden, dass die Schweregrade einer Periimplantitis mit starken Veränderungen im submukosalen Mikrobiom korrelieren: je schwerer die Erkrankung, umso stärker die Dysbiose (Kröger et al. 2018). Von Dysbiose spricht man, wenn gesundheitsassoziierte Bakterienstämme nach Verdrängung durch krankheitsassoziierte unterrepräsentiert sind. Im Mund drohen solche Verschiebungen im Mikrobiom durch ein Ungleichgewicht zwischen Keimbelastung und Entzündungsreaktion bei einem anfälligen Wirt. Anders als bei Biofilmen im gesunden periimplantären Milieu ähneln die Mikrobiome im erkrankten periimplantären Milieu den Verhältnissen bei einer Parodontitis (Mombelli und Decaillet 2011, Charalampakis et al. 2012). Nach den Ergebnissen einer per 16S-Pyrosequenzierung durchgeführten Studie unterscheiden sich allerdings die Mikrobiome an Implantaten – bei gesunden wie auch erkrankten Verhältnissen – deutlich von jenen an Zähnen (Kumar et al. 2012). Das Infektionsgeschehen bei einer Periimplantitis wurde dabei als mikrobiotisch heterogen und weniger komplex als bei einer Parodontitis charakterisiert. Persson und Renvert (2014) analysierten an 166 Implantaten mit diagnostizierter Periimplantitis und an 47 gesunden Implantationsstellen die vorhandenen Biofilme per Checkerboard-DNA-DNA-Hybridisierung auf 78 Bakterienstämme. Bei einer Periimplantitis fanden sich dabei gehäuft 19 dieser Stämme sowie ein bestimmter Bakteriencluster (P. gingivalis, Staphylococcus aureus, S. anaerobius, S. intermedius, S. mitis, T. forsythia, T. socranskii) assoziiert (Persson und Renvert 2014). In einer weiteren Vergleichsstudie zu mikrobiellen Biofilmen in gleichzeitig gesunden und erkrankten Zahnregionen und Implantationsstellen jedes Patienten wurden Proben von 22 Patienten auf das Vorliegen von sechs Pathogenen ausgewertet (Zhou et al. 2016, Zhuang et al. 2016). Dabei fanden sich patientenintern mehr Bakterien an den erkrankten Zahnregionen und Implantationsstellen, mutmaßliche Krankheitserreger jedoch an allen Stellen unabhängig vom Gesundheitszustand. Weder P. gingivalis noch Fusobacterium nucleatum waren mit einer Periimplantitis assoziiert (Zhuang et al. 2016). Sanz-Martín et al. (2017) untersuchten per Illumina-Sequenzierung Unterschiede im Mikrobiom von gesunden und von Periimplantitis befallenen Implantationsstellen. Die erkrankten Stellen wiesen dabei allgemein eine größere Vielfalt auf als die gesunden; insbesondere waren sie in erster Linie von Bacteroides, Spirochäten und Synergistota besiedelt, die gesunden hingegen vorwiegend von Proteobacteria and Actinobacteria (Sanz-Martín et al. 2017). Relativ betrachtet waren Porphyromonas, Treponema, Filifactor, Fretibacterium, Synergistota und Tannerella an den Stellen mit Periimplantitis und Streptococcus, Veillonella, Rothia und Haemophilus an den gesunden Implantationsstellen jeweils deutlich stärker vertreten (Sanz-Martín et al. 2017). Insgesamt ergeben die vorgenannten Studien je nach angewendeter Diagnosetechnik deutliche Unterschiede zwischen gesunden wie auch erkrankten Zahnregionen und Implantationsstellen in puncto Keimbelastung und Keimvielfalt. In molekulartechnischen Studien zu patientenspezifischen Mikrobiomen präsentierten sich periimplantäre Mikrobiome ebenso komplex wie vielfältig (Dabdoub et al. 2013, Zhuang et al. 2016, Yu et al. 2019, Heuer et al. 2012). 4.1.3 Mikrobielles Spektrum bei zahnlosen Implantatträgern Einer früheren These zufolge sollten mit Extraktion aller Zähne auch Krankheitserreger aus dem Mund verschwinden, weil ohne harte Oberflächen, die sich nicht erneuern, und ohne subgingivale Nischen keine Grundlage für deren Verbleib gegeben wäre (Danser et al. 1994, Danser et al. 1997). Eine 1987 publizierte Studie mit mikroskopischer, immunchemischer und kulturtechnischer Komponente trat dieser These erstmals entgegen (Mombelli et al. 1987). Hierzu wurden fünf zahnlose, periimplantär durchwegs gesunde Patienten mit weiteren sieben, bei denen sich auch erkrankte Implantationsstellen fanden, auf die Zusammensetzung der jeweiligen Bakterien verglichen. Es zeigte sich, dass gegenüber den erkrankungsfreien Implantationsstellen in beiden Patientengruppen die Stellen mit Periimplantitis deutlich höhere Anteile an gramnegativen Bakterien...