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E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Heins Offene Grenzen für alle

Eine notwendige Utopie

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

ISBN: 978-3-455-01111-1
Verlag: Hoffmann und Campe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Offene Grenzen – keine Forderung könnte der aktuellen politischen Stimmung mehr widersprechen. Dieses Buch zeigt: Eine Welt mit offenen Grenzen ist nicht nur möglich – sondern sogar dringend notwendig.
Volker Heins zeigt, dass Mauern und Abschottung kein Garant für Wohlstand und Sicherheit sind, sondern eine Gefahr für die Demokratie. Anders als andere Experten beschreibt er die weltweiten Wanderungsbewegungen nicht nur aus der Perspektive der Regierungen, sondern auch aus der Perspektive von Migranten. Mehr noch: Er geht unserem Bedürfnis nach Grenzen und Abgrenzung auf den Grund.
Sein leidenschaftliches Plädoyer für eine realistische Politik der allmählichen Öffnung aller Staatsgrenzen macht deutlich, dass globale Bewegungsfreiheit für den Bestand einer stabilen und gerechten Weltordnung unverzichtbar ist. Dieses Buch zeigt, welche Voraussetzungen dazu notwendig sind und wie in Zukunft unser Zusammenleben neu und besser gelingen kann – über alle Grenzen hinweg.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Cover
Titelseite
Einleitung Eine Freiheitsstatue für Europa
Kapitel 1 Jemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen
Kapitel 2 Das Recht, woanders zu sein
Kapitel 3 »Visafrei bis nach Hawaii«
Kapitel 4 Lob des Menschenschmuggels
Kapitel 5 Der Rauswurf der Unerwünschten
Kapitel 6 Was die Anti-Einwanderungsbewegungen wirklich wollen
Kapitel 7 Realismus und Demut
Danksagung
Anhang
Anmerkungen
Biographie
Impressum


Einleitung Eine Freiheitsstatue für Europa
Offene Grenzen für alle? Alle sollen überallhin fahren dürfen, um zu arbeiten und zu leben, wo es ihnen gefällt? Das finden viele sicher illusorisch, unrealistisch, ja geradezu gefährlich. Nichts könnte dem Zeitgeist mehr widersprechen. Dabei ist es – so die These dieses Buches – nicht die Öffnung, sondern die dauerhafte Schließung der Grenzen, die illusorisch, unrealistisch und zudem für die Betroffenen nicht selten lebensgefährlich ist. Gewiss, die vorübergehende Schließung von Staatsgrenzen kann manchmal sinnvoll sein, zum Beispiel um die Ausbreitung eines Virus zu verzögern. Das haben wir nach dem Ausbruch der Coronapandemie im Jahr 2020 gelernt, als nicht nur Europa die Grenzen dichtmachte, sondern auch China oder afrikanische Länder Visa annullierten und den Luft- und Schiffsverkehr von und nach Europa und in die Welt aussetzten. Sogar innerhalb Deutschlands gab es zeitweilig Einreise- und Beherbergungsverbote in bestimmten Bundesländern und Landkreisen. Selbst ein internationaler Gesundheitsnotstand rechtfertigt allerdings nur kurzzeitige Reisebeschränkungen, da sich Erreger nicht um Landesgrenzen scheren, wie die Weltgesundheitsorganisation schon bei früheren Pandemien feststellte. Reisebeschränkungen für gesunde Menschen ohne ansteckende Krankheiten sind noch viel schwieriger zu rechtfertigen. Und doch unterbinden zunehmend engmaschige, asymmetrische Grenzkontrollen die Freizügigkeit der Mehrheit der Menschheit dauerhaft und ohne vernünftigen Grund. Die Lockdowns, die wir während der weltweiten Coronakrise erlebt haben, sind für sie der Normalzustand. Dieser Zustand muss durch Lockerungsmaßnahmen im großen Stil überwunden werden. Man kann nicht behaupten, dass die gegenwärtige Ordnung globaler Migrationskontrollen und Einreisebeschränkungen vernünftig ist. Es ist verrückt, dass ein kleiner Teil der Menschheit fast überallhin reisen und sich überall niederlassen kann, während der andere, viel größere Teil zur Sesshaftigkeit verdammt ist. Wer das normal und gerecht findet, kann nicht gleichzeitig das Hohelied auf die Prinzipien der Demokratie und der Menschenrechte singen. Aber auch wenn man bereit ist, diese Prinzipien aufzugeben, ist es naiv zu glauben, man könnte im historischen Westen durch Zäune aus Stahl und biometrischen Daten dauerhaft eine »weiße« Parallelgesellschaft aufrechterhalten oder wiederherstellen – eine Parallelgesellschaft, die sich von der übrigen Menschheit abschottet. Über kurz oder lang führt kein Weg daran vorbei, die Durchlässigkeit der Grenzen von Staaten für Migrationswillige in alle Himmelsrichtungen zu erhöhen. Damit meine ich die »großen« territorialen Grenzen zwischen Staaten, aber auch die »kleinen« Grenzen zwischen den Neuankömmlingen und den Einheimischen innerhalb von Staaten. Das Buch plädiert für eine praktische Orientierung an einer Utopie offener Grenzen. Das bedeutet zweierlei: offene Grenzen zwischen letztlich allen Staaten, auch außerhalb des Westens, und für alle ihre Bürgerinnen.1 Offene Grenzen heißt, dass Menschen ohne Visum – oder mit einem an der Grenze ausgestellten Visum – in andere Staaten einreisen können und sich in diesen Staaten niederlassen dürfen, solange sie niemandem Schaden zufügen. Das klingt utopisch und ist auch so gemeint. Aber wer diese Utopie zurückweist, läuft Gefahr, sich an ihre hässlichen Alternativen zu gewöhnen. Es gibt zwei solche hässlichen Alternativen: eine Welt geschlossener Grenzen für alle und eine Welt offener Grenzen für nur wenige. Die erste Welt wäre furchtbar, würde aber immerhin die Gleichbehandlung der Bürger aller Staaten sicherstellen, deren Reise- und Niederlassungsfreiheit auf einem vergleichbar niedrigen Niveau eingefroren würde. Die Coronapandemie hat uns einen Vorgeschmack davon gegeben. Plötzlich durften auch die Deutschen mit ihren roten Reisepässen, die ihnen bis dahin den Zugang zur ganzen Welt öffneten, nicht einmal mehr nach Österreich, Holland oder Mallorca fahren, ja nicht einmal in ein anderes Bundesland. Eine Zeit lang und ganz plötzlich war die Welt sehr klein geworden. Noch schlimmer wäre freilich eine Welt, in der das Recht auf Bewegungsfreiheit dauerhaft ungleich verteilt wäre. Und es ist diese Welt, die zunehmend Wirklichkeit wird. Der Grad der Bewegungsfreiheit oder, wie die Soziologin Anja Weiß sagt, der sozial-räumlichen Autonomie hängt heute maßgeblich vom Zufall der Geburt sowie vom Vermögen einer Person ab. Wer in Ländern wie Deutschland, der Schweiz oder Österreich geboren wurde, kann sich, wenn nicht gerade eine Seuche ausgebrochen ist, nahezu weltweit nach Jobs umschauen, weltweit Beziehungen pflegen und darüber nachdenken, ob man in den Ferien in der Südsee mit Haien tauchen, in Japan Skifahren oder doch lieber in den Bergen Kirgisiens wandern möchte. Nur die Bürger einiger weniger Staaten können für sich die globale Ausdehnung des Menschenrechts auf Bewegungsfreiheit realisieren, während der Rest der Menschheit festsitzt.[1] Was das bedeutet, kann man am »Global Passport Index« ablesen, einer kommerziellen Webseite, die den Wert von Reisepässen nach der Zahl der Staaten bewertet, in die man mit ihrer Hilfe visafrei einreisen kann. Deutschland, Dänemark und Schweden befinden sich ganz oben auf der Liste, während ganz unten Länder wie Afghanistan, Irak oder Nigeria stehen.[2] Die Wertlosigkeit vieler Pässe im internationalen Verkehr wird noch verschärft durch die organisierte Willkür von Konsularbeamten, die bei der Vergabe von Visa über einen beträchtlichen Ermessensspielraum verfügen. Jüngere, relativ mittellose Antragstellerinnen im globalen Süden, die sich nicht mit der Bürokratie auskennen, haben kaum eine Chance, die für ihre Reisepläne entscheidenden Stempel, Unterschriften und Dokumente zu bekommen. Die Situation wird noch dadurch verschärft, dass eine globale Elite sich Aufenthaltstitel und Staatsbürgerschaften völlig legal einfach kaufen kann, während für andere selbst die eigene Staatsbürgerschaft ein hohles Versprechen auf Teilhabe am eigenen Gemeinwesen bleibt. Warum die Rede von einer Utopie? Weil die Idee offener Grenzen immer noch – obwohl es immerhin die Europäische Union gibt – auf rechtlich oder psychologisch tief verankerte Vorstellungen von eigensinnigen Völkern, souveränen Staaten und ganzheitlichen Kulturkreisen trifft. Sie rebelliert gegen den vermeintlich gesunden Menschenverstand sowie gegen die sorgfältig kultivierte Angst vor denen, die hinter den hohen Mauern leben, die moderne Staaten zur Abwehr irregulärer Einwanderer gebaut haben. In diesem Sinne sind offene Grenzen utopisch. Anders jedoch als ältere literarische Utopien habe ich nicht vor, den Plan für eine perfekte Gesellschaft zu präsentieren, in der es keine echten Konflikte mehr gibt, sondern nur noch unterhaltsame Reibereien. Von einer solchen Utopie soll hier ausdrücklich nicht die Rede sein. Warum ist eine Utopie offener Grenzen notwendig? Weil die Welt so, wie sie im Moment aussieht, nicht akzeptabel ist. »Die Gewalt an den Grenzen und durch Grenzen«, schreibt der kamerunische Philosoph Achille Mbembe, »ist zu einem der Hauptmerkmale unserer Zeit geworden«.[3] Besonders an den Grenzen der vermeintlich freien Welt wird viel gestorben. Um das zu ändern, muss die Debatte über die Regelung globaler Mobilität radikal neu geführt werden. Nur offenere Grenzen können das massenhafte Leid abwenden, das die Grenzregimes der Gegenwart produzieren, die immer mehr zu Todesstreifen und militärischen Einsatzgebieten werden. Von Anfang 1996 bis März 2020 sind mindestens 75000 Menschen bei dem Versuch, in ein anderes Land zu gelangen, qualvoll ums Leben gekommen, im Mittelmeer ertrunken oder in Wüsten verdurstet. Die Dunkelziffer ist erheblich höher.[4] Viele von denen, die nicht unterwegs starben, wurden auf der Flucht gekidnappt oder, wie in Libyen, als Sklaven verkauft. Noch mehr starben zu Hause, weil sie sich eine Abwanderung nicht leisten konnten oder über keine ausreichenden Kontakte verfügten, um abzuhauen. Die flüchtlingsfeindliche Regierung des famosen, inzwischen abgewählten Donald Trump in den USA hat in jüngerer Zeit eine Situation geschaffen, die Schwarze und Muslime aus Somalia, Eritrea, Ghana, Nigeria, Haiti oder Dschibuti dazu bewogen hat, sich auf den Weg durch die Bundesstaaten Minnesota oder New York zur amerikanisch-kanadischen Grenze zu machen, weil sie in den USA bei Asylverfahren kein Gehör fanden oder von Abschiebung bedroht waren. Einige von ihnen sind unterwegs an Unterkühlung gestorben oder haben Finger und Zehen durch Frost verloren.[5] Dieses unnötige Leid wird oft heruntergespielt. Die Leichen an den neuen Todesstreifen werden als Kollateralschaden einer alternativlosen Politik betrachtet, als Unfallopfer oder als Opfer von kriminellen Schleusern. In Leserbriefen rechter Zeitungen heißt es oft, dass die Migranten selbst schuld seien. Warum steigen sie auch in diese Schlauchboote. Warum bleiben sie nicht da, wo sie hingehören. So wird die Aufmerksamkeit von dem Preis abgelenkt, den andere für die Migrations- und Grenzschutzpolitik wohlhabender Länder zahlen müssen. Hinzu kommt noch etwas anderes: Je unüberwindbarer Grenzen sind, desto mehr werden diejenigen, die draußen bleiben sollen, zur Projektionsfläche von Angst- und Gewaltphantasien. Alle Mittel scheinen recht zu sein, um die »Barbaren« von den Toren der...


Heins, Volker M.
Volker M. Heins ist Senior Fellow am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen (KWI) und lehrt Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen. Davor arbeitete er an Universitäten in Frankfurt am Main, New Delhi, Cambridge/Massachusetts, Montreal, Jerusalem und New Haven. Er ist Mitbegründer der Akademie im Exil und Mitglied des Rats für Migration. Auf Deutsch erschien von ihm u.a. Der Skandal der Vielfalt. Geschichte und Konzepte des Multikulturalismus (2013).

Volker M. Heins ist Senior Fellow am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen (KWI) und lehrt Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen. Davor arbeitete er an Universitäten in Frankfurt am Main, New Delhi, Cambridge/Massachusetts, Montreal, Jerusalem und New Haven. Er ist Mitbegründer der Akademie im Exil und Mitglied des Rats für Migration. Auf Deutsch erschien von ihm u.a. Der Skandal der Vielfalt. Geschichte und Konzepte des Multikulturalismus (2013).


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