E-Book, Deutsch, 160 Seiten
E-Book, Deutsch, 160 Seiten
ISBN: 978-3-440-50737-7
Verlag: Kosmos
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
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KATZE ODER NICHT KATZE?
»Das glaube ich nicht!« Herrn Winklers Gesicht war weiß wie sein Arztkittel. Erschrocken starrte er auf – nichts. Oder besser gesagt: fast nichts. Neben der Tür lagen ein einzelner aufgerissener Futter-Sack und ein paar Krümel. »Hier lag der Vorrat für einen Monat«, stöhnte er. »Wer klaut denn Trockenfutter für Hunde und Katzen? Das verstehe ich nicht. Und auch noch das teure Spezial-Diätfutter. Was sage ich denn jetzt meinen Patienten? Die Lieferzeit war ewig …« »Das tut mir leid, Papa.« Franzi kniete sich hin und nahm den zerrissenen Futtersack in die Hand. »Es sieht so aus, als hätte es der Dieb ziemlich eilig gehabt.« »Oder er war ziemlich hungrig?« Kim deutete auf die Spuren an der Futtertüte. »Das kann eigentlich nur von Zähnen kommen!«, mutmaßte sie. Herr Winkler schüttelte den Kopf. »Der Bote hat die Lieferung heute Morgen vor der Praxis abgestellt. Es gab eine Nachricht auf meinem Handy. Und es war immer jemand auf dem Hof. Wilde Tiere kommen nicht tagsüber dahin, wo Menschen sind.« Franzi überlegte kurz. »Schau mal auf die Lieferbestätigung. Da steht, wann das Futter geliefert wurde! Vielleicht war das gar nicht heute Morgen, sondern gestern.« Herr Winkler griff in die Tasche seines Kittels und zog sein Handy heraus. Er wischte ein paar Mal hin und her. »Merkwürdig. Du hast recht. Das Futter wurde bereits gestern Abend geliefert. 20:23 Uhr! Oje, so spät musste der arme Lieferbote noch arbeiten?« »Der Winklerhof ist ziemlich weit draußen«, bestätigte Marie. »Und Lieferdienste haben wirklich nicht die besten Arbeitsbedingungen.« © /Kosmos »Wir müssen also in Betracht ziehen, dass das Futter nicht gestohlen worden ist, sondern dass es Mundraub war!« Franzi überreichte ihrem Vater die Visitenkarte der drei !!!. »Es ist nur der Form halber.« Sie schmunzelte. »Ich gehe mal schwer davon aus, dass der weltbeste Franzi-Papa uns diesen Fall übertragen wird.« Herr Winkler ließ sich auf die Holzbank sinken, die vor dem Praxisanbau stand. »Natürlich. Auch wenn ich kaum Hoffnung habe, dass das Futter wieder auftaucht. Wenn, dann nur in anderer Form … ähem!« Er kicherte. »Eigentlich ist das gar nicht so lustig. So langsam weiß ich nämlich nicht mehr, wie wir das alles bezahlen sollen.« Er zuckte mit den Schultern. »Nun ja, an ein paar Futtersäcken wird es schon nicht scheitern!« Vorsichtig richtete er sich wieder auf und hielt sich den Rücken. »Das wird schon, Papa!«, meinte Franzi und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Dafür bist du doch viel zu groß, dachte ich!« Er umarmte seine Tochter und öffnete die Tür zur Praxis. »Meine Patienten warten. Ihr habt nicht zufällig Lust, mir vor euren Ermittlungen ein wenig während der Sprechstunde zur Hand zu gehen?« Die drei !!! sahen sich an. »Doch, haben wir. Sogar sehr!«, antwortete Marie für alle. Eine halbe Stunde später saßen sie hinter der Empfangstheke der Tierarztpraxis Winkler. Mittlerweile war das Wartezimmer voll mit tierischen Patienten und den zugehörigen Menschen. Ein Papagei, der alles nachplapperte, was gesagt wurde. Frau Helm, die mit ihrer weißen Perserkatze, Mäuschen, Dauergast bei Herrn Winkler war. Hamster, Schildkröten und Kaninchen. »Die Impfausweise auf diesen Haufen!«, sagte Franzi und deutete auf den Stapel gelber Heftchen. »Frau Helm, Sie müssten da noch eine Vollmacht unterschreiben«, bat Marie im gleichen Augenblick. Eine Frau mit puscheliger Jacke und der Katze Mäuschen auf dem Arm kam auf Marie zu und wurstelte Dokumente aus ihrer Brieftasche. »Hier sind die Versicherungsunterlagen«, erklärte sie. Franzi nahm die Papiere und steckte sie in den Ordner mit dem Namen Mäuschen Helm – Perserkatze. Sie schüttelte innerlich den Kopf über den Namensgeschmack von Frau Helm, als ein älterer Herr an die Theke trat. »Pst!«, raunte er Franzi zu. »Können wir unter vier Augen sprechen?« Franzi blickte auf. Der Mann trug einen Cordhut und ein Hemd mit Cowboyfransen an den Armen. »Oder besser gesagt unter acht Augen«, verbesserte er sich. »Ich muss Ihnen etwas zeigen. Ein Erlebnis der besonderen Art. Unheimlich aufschlussreich, Sie verstehen. Unheimlich auf der einen Seite und sehr aufschlussreich auf der anderen.« Franzi war sich unsicher, was sie von der Sache halten sollte. »Um was handelt es sich denn grob?«, versuchte sie dem Ganzen auf den Grund zu gehen. »Parapsychologische Phänomene bei Mäusen«, flüsterte er. »Ich kann es beweisen!« »Einen Moment, bitte«, sagte Franzi und recherchierte schnell das Wort parapsychologisch auf ihrem Handy. »Nebenseelenkunde, die psychische Fähigkeiten untersucht, die das normale Erkenntnisvermögen überschreiten«, las sie. Was sollte man sich denn darunter bei Mäusen vorstellen? Das klang zumindest interessant. Aber allein mit diesem Herrn und zwei parapsychologischen Mäusen? Lieber nicht. Sie zupfte Kim und Marie am Ärmel. »Ihr müsst mitkommen, fragt nicht, vertraut mir einfach.« Dann wandte sie sich an den Mäusemann. »Wie war der Name noch gleich?« »Alfred Schmidt!« Franzi suchte die Akte heraus. »Ich bin Teil eines Detektivinnenteams und wir würden uns die Mäuse zusammen ansehen. Einverstanden?«, fragte sie Herrn Schmidt. »Natürlich, gerne. Ich würde Sie alle nur bitten, äußerstes Stillschweigen zu bewahren.« Herr Schmidt hob einen kleinen Käfig nach oben. »Hier sind sie. Ernie und Bert. Ihre Fähigkeiten kenne ich seit gestern.« Zwei weiße, ziemlich unparapsychologisch aussehende Mäuse schnupperten und guckten die drei !!! neugierig an. »Können wir an einen ruhigen Ort?«, fragte er. Franzi nickte und zeigte auf die kleine Medikamentenkammer. Sie gingen hinein und schlossen die Tür. Herr Schmidt stellte den Käfig auf ein halbhohes Regal. Er machte eine ausholende Armbewegung. »Das lädt die hellsehenden Energien ein!«, erklärte er. Dann atmete er hörbar ein und aus. Die Detektivinnen sahen einander an. Selbst Marie, die sonst sehr für alles Übernatürliche zu haben war, runzelte die Stirn. »Ernie? Bert?«, flüsterte Herr Schmidt mit bebender Stimme. »Fühlt ihr die Energie?« Die weißen Mäuse schnupperten und guckten weiter, genau wie vorher. Herr Schmidt schien das jedoch als eindeutiges Ja zu werten, denn er fuhr fort: »Ernie? Bert? Spürt tief in euch hinein! Bündelt die Gedanken und richtet sie wie einen Laserstrahl auf die Frage: ›Ist eine Katze in der Nähe?‹ Wenn ja, dann bleibt bitte sitzen. Wenn nein, dann macht Männchen!« Die weißen Mäuse schnupperten und guckten. Wie zuvor. Doch Herr Schmidt tanzte plötzlich aufgeregt vor dem Käfig herum. »Sehen Sie! Eindeutige Antwort. Die Mäuse konnten nicht wissen, dass es hier Katzen gibt. Sie sind hellsichtig!« Franzi wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Kim kam ihr zu Hilfe: »Herr Schmidt, die Mäuse haben gar keine Frage beantwortet. Sie sitzen noch da wie vorher!« »Ja, aber aufgrund der hellsichtigen Energien«, behauptete Herr Schmidt beharrlich. Als er bemerkte, dass Kim, Franzi und Marie alles andere als überzeugt waren, sagte er schnell: »Warten Sie, das hier wird Ihnen beweisen, dass die Mäuse besonders sind!« Er fuchtelte erneut mit den Armen durch die Luft und zischte. »Ernie? Bert? Spürt tief in euch hinein! Mindestens eine Katze ist da. Richtet eure Energien wie einen Laserstrahl auf das tierische Objekt und lauft los!« Er stellte den Käfig auf den Boden, öffnete erst die Käfig- und dann die Medikamentenkammertür. Die beiden Mäuse flitschten sofort aus dem Käfig, an der Theke vorbei ins Wartezimmer. Dort blieben sie in der Mitte stehen und machten Männchen. Ein kleines Mädchen mit einem Katzenkorb in der Hand kletterte auf den Stuhl und kreischte: »Weiße Mäuse!« »Sehen Sie?«, sagte Herr Schmidt zufrieden. »Der hellsichtige Blick hat sie zur Katze geführt!« »Im Wartezimmer sind gerade fünf Katzen«, zählte Franzi ungerührt. »Es wäre ein Wunder gewesen, wenn sie keine gefunden hätten!« Herr Schmidt ließ die Mäuse auf seine Hand krabbeln und steckte sie beleidigt zurück in den Käfig. »Ich weiß, was ich weiß, und ich spüre, was ich spüre!« In diesem Augenblick rief Herr Winkler aus dem Behandlungszimmer den nächsten Patienten auf. Und bat die Detektivinnen ebenfalls herein. »Das war schräg, oder?«, wisperte Franzi Kim und Marie zu. »Ich schweige zu der Sache«, kicherte Kim. »Mucksmäuschenstill!« Marie knuffte Kim mit dem Ellenbogen in die Seite. »Ich brauche euch für den ängstlichen Hund hier«, sagte Herr Winkler und zwinkerte ihnen zu. »Es ist gar nichts Schlimmes. Er hat sich einen Dorn in die Pfote getreten.« Ein ziemlich dicker, ziemlich aufgeregter Dackel saß auf dem Behandlungstisch und zitterte. Sein Frauchen stand daneben und...