Buch, Deutsch, Band 7, 458 Seiten, Format (B × H): 142 mm x 214 mm, Gewicht: 563 g
Reihe: Globalgeschichte
Japans Zeitalter der Ausstellungen 1854-1941
Buch, Deutsch, Band 7, 458 Seiten, Format (B × H): 142 mm x 214 mm, Gewicht: 563 g
Reihe: Globalgeschichte
ISBN: 978-3-593-39400-8
Verlag: Campus
Autoren/Hrsg.
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- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Geschichtliche Themen Wirtschaftsgeschichte
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Geschichtliche Themen Mentalitäts- und Sozialgeschichte
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- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Weltgeschichte & Geschichte einzelner Länder und Gebietsräume Geschichte einzelner Länder Asiatische Geschichte
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Inhalt
Einleitung. 9
Teil I: Ein chronologischer Einblick, 1854–1914
1. 'The Spirit of the Age': Die Ankunft der Fremden und die
Kunde von einer Weltausstellung. 31
2. Das Ende der alten Ordnung: Japan auf dem Weg vom
Zuschauer zum Ausstellungsteilnehmer. 42
3. Das erste Jahrzehnt der neuen Ära: Lokaler Ausstellungsboom
im Innern, erfolgreiche Partizipationen in Übersee. 65
4. Das Fin de Siècle: Vielfalt und Globalität der japanischen
Ausstellungen in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg. 98
Teil II: Thematische Perspektiven, 1868–1914
5. Erziehung und Wissen.19
6. Zivilisation und Zukunft. 159
7. Kaiser und Nation. 199
8. Konsum und Vergnügen. 231
Teil III: Synopsis, 1900–1941
9. Kontinuitäten, Wandel, Brüche: Die Ausstellungen
der Taisho- und der frühen Showa-Zeit. 265
10. Imperium und Kolonie. 278
11. Krieg und Frieden. 299
Anmerkungen. 318
Literatur. 362
Dank. 406
Bildkommentare. 408
Bildteil. 427
Einleitung
Von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts heißt es, es sei das Zeitalter der
Ausstellungen gewesen. Zu dem Schluss gelangten bereits die Zeitgenossen,
die diesen Umstand – zumindest im Westen – euphorisch begrüßten und
voller Selbstbewusstsein feierten. Gemeint waren und sind damit in der
Regel die fünf Jahrzehnte zwischen der ersten Londoner Weltausstellung
1851 und der Pariser Exposition Universelle des Fin de Siècle. Doch ein
Zeitalter trägt nie nur einen Namen. Angesichts des Umstands, dass in dieser
Zeit Weltausstellungen ausschließlich in der westlichen Welt stattfanden, ist
die Bezeichnung ebenso anmaßend wie übertrieben und einseitig.
Schon passender scheint es da, vom 'imperialen Zeitalter' zu sprechen.
Umso mehr, als sich mit dem Begriff des Imperialismus die beiden herausragenden
Phänomene dieser Jahre fassen lassen: koloniale Eroberung und
kapitalistische Marktintegration. Kolonialismus und Kapitalismus waren
verschränkte Phänomene einer doppelten Expansion des Westens, welche
global wirkte und das Zeitalter erst zum imperialen machte. Nun waren es
Ausstellungen, an denen diese beiden Grundtendenzen der Epoche ihre
mustergültigen Auftritte fanden. Denn kein anderes Medium der Zeit war in
der Lage, den territorialen und ökonomischen Expansionswillen des Westens
in seiner globalen Anmaßung vollendeter zu repräsentieren. Als prototypisches
Medium der Epoche – so und nur so – scheint es nicht verfehlt, vom 'Zeitalter
der Ausstellungen' zu sprechen.
Doch ist die Geschichte dieses 'Zeitalters der Ausstellungen' bisher praktisch
nur aus westlicher Sicht geschrieben worden. Entsprechend wenig
wissen wir darüber, wie nicht-westliche Staaten und Akteure mit dem
Phänomen Ausstellungen umgingen, wie sie es sahen und nutzten. Dieses
Buch versteht sich als ein Beitrag zu einer Historiografie des Mediums aus
außereuropäischer Perspektive und damit in einem breiteren Sinne zu einer
Globalgeschichte von Vernetzung, Verflechtung und Austausch um 1900.
Als Fallbeispiel dient das japanische Kaiserreich, das sich für diese Thematik
geradezu aufdrängt: Denn mit über drei Dutzend Beteiligungen zwischen
1870 und 1910 war Japan der regelmäßigste, gewichtigste und erfolgreichste
nicht-westliche Teilnehmer an Weltausstellungen in den Jahrzehnten vor
dem Ersten Weltkrieg. Der japanische Fall eröffnet insofern ungewohnte
Perspektiven, als es dem Land in der Hochphase des Imperialismus gelang,
zunächst weitgehend unabhängig zu bleiben und später selbst zur einzigen
nicht-westlichen Kolonial- und Großmacht aufzusteigen. Dies war der
Hintergrund, vor dem Japan in einen andauernden Wettstreit mit dem
Westen trat. Ein Wettstreit, der auf ökonomischer, kultureller, gesellschaftlicher
und letztendlich militärischer Ebene ausgefochten wurde und für den
Japan, wie im Folgenden gezeigt wird, das Medium Ausstellung sowohl auf
der internationalen Bühne als auch im Landesinneren in seiner ganzen
Vielfalt nutzte. Die erste Leitfrage des Buches lautet somit: Welche neuen
Perspektiven eröffnet die Analyse des japanischen Falls in Bezug auf die
Geschichte der Ausstellungen?
Ist es nun aber angesichts der japanischen Erfolge und der Intensität, mit
der man Ausstellungen für eigene Zwecke einsetzte, angebracht, von 'Japans
Zeitalter der Ausstellungen' zu sprechen? Zugebenermaßen, im globalen
Vergleich erscheint diese Betitlung provokant. Wenn schon die Rede von
einem allgemeinen 'Zeitalter der Ausstellungen' diskussionswürdig ist, wirkt
ob den Aktivitäten in Paris und London die Zuspitzung auf Japan ebenso
vermessen wie übertrieben. Doch veranlasst eine solche Provokation zumindest,
die herkömmliche Lesart von (Welt-)Ausstellungen zu überdenken:
Denn im Folgenden geht es auch darum, eine konsequent außereuropäische
Perspektive auf ein Medium zu entwickeln, das unwiederbringlich in die
Geschichte europäischer Weltdominanz um 1900 eingeschrieben scheint.
Es ist aber vor allem der Blick ins Landesinnere, nach Japan selbst, welcher
der Rede von 'Japans Zeitalter der Ausstellungen' Sinn verleiht: Denn während
des für dieses Buch relevanten Zeitraums prägten Ausstellungen durch
ihre ganze Vielfalt wesentlich das politische, wirtschaftliche und kulturelle
Leben des Landes. Ihre Zahl ging in die Hunderte. Keine andere
Veranstaltungsform vermochte mehr Menschen an einem einzigen Ort zu
sammeln. Dabei boten keinesfalls nur die internationalen Weltausstellungen
Bühnen für den Wettstreit mit dem Westen. Vielmehr war dieser auch an
den innerjapanischen Veranstaltungen allgegenwärtig. Denn im Landesinneren
war die Konkurrenzsituation zu westlichen Nationen, die in dieser
Zeit meist als übermächtig erschienen, die Triebfeder für die Aneignung des Mediums.
Wenn Ausstellungen dazu dienten, Wissen zu transferieren,
westliche Zivilisation zu propagieren und neue ökonomische Ordnungen zu
implementieren, geschah dies stets vor dem Hintergrund eines Wettstreits,
den die Zeitgenossen als global empfanden und dessen Herausforderung darin
bestand, dass er vor dem Lokalen nicht Halt machte. So gesehen lassen sich
internationale Partizipationen und nationale Aneignung nicht voneinander
trennen. Vielmehr erlaubt das Medium Ausstellung, Transfer und Verflechtung
in lokalen, nationalen und globalen Spannungsfeldern zu diskutieren.
Die Forschung zum modernen Japan ist nach wie vor von nationalen
Perspektiven dominiert. Daher lautet die zweite Leitfrage: Zu welchen neuen
Erkenntnissen führt die Untersuchung von Ausstellungen als ein Medium
globaler Verflechtung um 1900 in Bezug auf die Geschichte Japans?
Was nun die hier postulierte Dauer des japanischen Zeitalters der
Ausstellungen betrifft, also die Jahre zwischen 1854 und 1941, ist dreierlei
anzufügen: Erstens habe ich mich für einen längeren Untersuchungszeitraum
entschieden, da dies erlaubt, Ausstellungen nicht als einzelne, isolierte Ereignisse,
sondern in Serien zu untersuchen. Dies wiederum ist die Voraussetzung,
um nach den Variationen, den Wendungen und den Verläufen der
Kurven und Konjunkturen zu fragen, so wie das Michel Foucault für die
Geschichtsschreibung im Allgemeinen eingefordert hat. Dabei wird ersichtlich,
dass je nach untersuchtem Feld – sei dies das Kulturelle, das Ökonomische
oder das Politische – die Bedeutung und die Funktion des Mediums
Ausstellung für Japan stetigem historischen Wandel unterworfen waren.
Ausstellungen spielten keineswegs in allen Bereichen durchgehend eine gleich
prägende Rolle.
Diese Schwankungen und Konjunkturen sind der Grund, wieso zweitens
der innere Schwerpunkt des Buches auf der Meiji-Zeit (1868–1912) liegt,
insbesondere ihrer ersten Hälfte; einer Epoche also, die von besonders
tiefgreifenden Umbrüchen – sowohl in Bezug auf die Ausstellungen als auch
die Geschichte Japans – gekennzeichnet war. Doch ist die Chronologie an
ihren Rändern bewusst offen gehalten. Dabei markieren die Jahreszahlen
1854 und 1941 die äußersten chronologischen Eckpunkte eines japanischen
Zeitalters der Ausstellungen.
Aus westlicher Sicht sind die Zäsuren von 1854 und 1941 nicht selbstredend.
Im gewählten Zeitraum widerspiegelt sich somit drittens die historische
Partikularität Japans. Offensichtlich wird hier, dass Japan zum eingangs
zitierten westlichen 'Zeitalter der Ausstellungen' Abweichungen, sowohl was
die Chronologien als auch die Zäsuren betrifft, aufweist. Ein Umstand, welcher der
Rede von 'Japans Zeitalter der Ausstellungen' zusätzlichen Sinn
verleiht. Im japanischen Fall begann dieses Zeitalter nur geringfügig verspätet
– nämlich drei Jahre nach der ersten Londoner Weltausstellung – mit der
Ankunft amerikanischer Kriegsschiffe, die in ihrem Gepäck auch eine kleine
Industrieausstellung mitführten. Während in Bezug auf den Beginn die kleine
chronologische Abweichung nicht ins Gewicht fällt, erscheinen die Unterschiede
zum Westen aufgrund der Begleitumstände – nämlich der
erzwungenen Öffnung des Landes – als durchaus dramatisch. Dies zeigt, dass
nicht so sehr die Frage, wann ein Zeitalter beginnt oder endet, die produktive
ist, sondern vielmehr die Frage danach, wie es beginnt beziehungsweise endet.
So einfach sich der Beginn eines Zeitalters der Ausstellung für Japan festmachen
lässt, so schwer fällt es, sein Ende zu definieren. Die hier
vorgeschlagene Verlängerung weit ins 20. Jahrhundert hinein lässt sich
folgendermaßen begründen: Einerseits markierte der Erste Weltkrieg für
Japan nicht im gleichen Ausmaß eine Epochenschwelle wie in Europa. So
sind, was Themen wie Nation, Konsum und Imperium anbelangt, die
ausstellungstechnischen Kontinuitäten zwischen der ausgehenden Meiji-Zeit
und der frühen Showa-Zeit (1926-1945) offensichtlich. Andererseits lässt
sich die Wahl der Zäsur 1941 damit begründen, dass mit der 'Großen
Ausstellung der wissenschaftlichen Landesverteidigung' in Frühling dieses
Jahres eine Phase groß angelegter Militär- und Kriegsausstellungen endete. Die
Militär- und Kriegsausstellungen waren die einzig wirklich neuartige
Ausstellungsform der frühen Showa-Zeit. Was folgte, waren Pearl Harbor und
der Pazifische Krieg, welche der Epoche, in der Japan den Wettstreit mit dem
Westen auf dem Ausstellungsgelände austrug, ein endgültiges Ende setzten. Als
dann schließlich ab den 1950er Jahren und noch unter US-amerikanischer
Besatzung zögerlich wieder Ausstellungen auf japanischem Boden eröffneten
und erste Partizipationen in Übersee stattfanden, waren die Vorzeichen dann
doch ganz andere. So gesehen markieren die Jahreszahlen 1854 und 1941
nicht nur die äußersten chronologischen Eckpunkte eines japanischen
Zeitalters der Ausstellungen. Vielmehr soll im Folgenden auch gezeigt werden,
dass wir es bei dem hier vorgeschlagenen kurzen Jahrhundert für Japan
tatsächlich in vielerlei Hinsicht mit einem im Sinne von Barbara Tuchman
'zusammenhängenden historischen Zeitabschnitt' zu tun haben.