Der Haptik-Effekt im multisensorischen Marketing
E-Book, Deutsch, 338 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
ISBN: 978-3-648-07940-9
Verlag: Haufe
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Olaf Hartmann ist ein Pionier für die Nutzung der Haptik in Kommunikation und Verkauf. Als inspirierender Vortragsredner, Autor und Unternehmer kann er dabei auf überzeugende Beispiele aus Forschung und Praxis verweisen. Er verwandelt aktuelle Erkenntnisse der Neurowissenschaften, der Verhaltenspsychologie und der Sensorikforschung in erfolgreiches Marketing. Hartmann begann seine Karriere in der internationalen Werbung der Bayer AG; er war sieben Jahre lang Referent am Institut für Betriebswirtschaft der Universität St. Gallen, schuf 1995 mit Touchmore die erste, auf haptische Verkaufsförderung spezialisierte Agentur in Deutschland und ist geschäftsführender Gesellschafter des Multisense Instituts für multisensorisches Marketing.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Geleitwort zur zweiten Auflage
Geleitwort zur ersten Auflage
Vorwort
Haptik: Die schlummernde Kraft
- Der Haptik-Effekt
- Marketing neu begreifen
- Multisensorik: Sinnvolles Marketing
ARIVA: Die Wirkdimensionen des Haptik-Effekts
- Einführung: Das ARIVA-Modell
- Attention: Mehr Aufmerksamkeit
- Recall: Mehr Erinnerung
- Integrity: Mehr Vertrauen
- Value: Mehr Wertschätzung
- Action: Mehr Handlungs- und Kaufbereitschaft
Die Psychologie des Haptik-Effekts
- Der Midas-Effekt: Von Mensch zu Mensch
- Endowment: Was mir lieb und teuer ist
- Need for Touch: Gut ist, was sich gut anfühlt
- Haptisches Priming: Der Trichter im Kopf
- Der Tu-Effekt: Bewegen, erinnern, kaufen
- Reziprozität: Wie du mir, umso mehr ich dir
ARIVA im sensorischen Marketing entfalten
- Bitte Berühren: Zum Anfassen animieren
- Sensorische Codes finden, entwickeln und managen
Der Haptik-Effekt in der Praxis
- Produkte
- Verpackungen
- Verkaufsorte
- Hapticals: Kommunikationsobjekte
- Verkaufshilfen
- Direct Mailings
- Merchandising
- Außenwerbung
- Online und Mobile Media
- Printwerbung
- Fernsehwerbung
- Radiowerbung
- Messen und Veranstaltungen
- Ganzheitliche Kommunikation
- Exkurs: Ethik und multisensorisches Marketing
Anhang
- Werbe-Status-Quo: Die überkommunizierte Gesellschaft
- Haptik: Ein Lebenselixier
- Die Hand: Alles im Griff
- Die Haut: Zwei Quadratmeter Fühl-Fläche
Nachwort und Danksagung
Die Autoren
Abbildungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis
1 Haptik: Die schlummernde Kraft
„Da lag es und war so schön, dass er die Augen nicht abwenden konnte, und er bückte sich und gab ihm einen Kuss.“
Brüder Grimm, Dornröschen
Zusammenfassung
Die Forschungsergebnisse aus der Psychologie, der Wahrnehmungsforschung und der Neurowissenschaft bündeln sich unter dem Begriff „Neuromarketing”.
Die Wissensexplosion führt zu einem Paradigmenwechsel. Das neue Credo lautet: Explizit verkaufen ist out, implizit kaufen lassen ist in.
Drei wesentliche Erkenntnisse leiten diese Trendwende im Marketing ein:
1. Es gibt keine Qualität außer die wahrgenommene.
2. Der Bauch entscheidet, der Kopf rechtfertigt.
3. Der große Erfolg steckt in den kleinen Details.
Das multisensorische Marketing implementiert die Erkenntnisse der Psychologie sowie der Neurowissenschaften und nutzt das Prinzip der multisensorischen Verstärkung: Jeder zusätzliche, semantisch kongruente Sinnesreiz erhöht die Gehirnaktivität um 1.000 Prozent.
Drei Viertel aller multisensorisch kommunizierenden Marken gehören zu den sogenannten Powerbrands.
Die Haptik spielt im multisensorischen Marketing eine besondere Rolle: Mit unseren Händen begreifen wir unsere Umwelt. Wir vertrauen dem, was wir fühlen, und überprüfen mit unseren Händen unbewusst visuell wahrgewonnene Eindrücke. Die haptische Wahrnehmung ist subjektiv gleichbedeutend mit Wahrheit und übt einen starken Einfluss auf unsere Wahrnehmung, Wertschätzung und Kaufbereitschaft aus.
Der Haptik-Effekt ist ein Wirkverstärker: Er verstärkt das Markenversprechen, die wahrgenommene Qualität von Produkten, die Effizienz der Werbung und die Überzeugungskraft von Verkäufern.
1.1 Der Haptik-Effekt
Mit einem Fingertipp auf Maus oder Multi-Touch-Bildschirm hätten Sie im im Dezember 2015 einen Heimwerker-Hammer bei Ebay kaufen können – für 398 Euro, verpackt in einer weißen Karton-Box. Angenommen, die stünde jetzt auf Ihrem Tisch: Sie heben den schweren Deckel, langsam gleitet er über die Kartonwände. Im ausgestanzten Inlay glänzt Sie der helle Stahl des Hornbach-Hammers an (siehe Abb. 2). „Geboren aus Panzerstahl. Gemacht für die Ewigkeit” lesen Sie auf dem beiliegendem Leinenposter und erfahren die kraftstrotzende Geschichte des Hammers: Die Baumarktkette kaufte Ende 2012 einen 13 Tonnen schweren tschechischen BMP-1-Schützenpanzer. In Deutschland zerlegten Spezialisten den ausgedienten Panzer mit 3.030 Grad Celsius heißen Schweißbrennern in seine Einzelteile, schmolzen diese zu achteinhalb Tonnen Rohstahl ein und pressten daraus mit einem 1.080 Kilogramm schweren Schmiedehammer 7.000 Hammer-Rohlinge. Jeden der 500 Gramm schweren Hammerköpfe bestückten die Profis mit einem besonders robusten Stiel aus dunklem Hickory-Holz. 25 Euro kostete so ein Panzerstahl-Hammer bei Hornbach. Nach drei Tagen war das Sammlerstück komplett ausverkauft – doch innerhalb dieser Tage verdoppelte Hornbach auch seinen Jahresabsatz im gesamten Hammer-Sortiment. Auf der Facebook-Seite von Hornbach verfolgten immer mehr neugierige Fans den sechsmonatigen Entstehungsprozess der Panzerstahl-Hämmer. Die Anzahl der Hornbach-Fans auf Facebook wuchs in diesem Zeitraum um 15 Prozent. Wer keinen Panzerstahl-Hammer ergatterte, konnte ihn noch online ersteigern – zu horrenden Preisen. All jene, denen ein Hammer keine hunderte Euro wert war, bestaunten den Hammer in einer 3-D-Ansicht auf seiner Internetseite. Sie sahen die spiegelnde, gebürstete Stahloberfläche des Hammerkopfes und strichen womöglich in Gedanken mit den Fingern über die geschliffenen Kanten. Der glatte, dunkelbraun gemaserte Stiel ließ sie das Gefühl des warmen Hickory-Holzes in der Hand erahnen. Die gute Nachricht für leer ausgegangene Hammer-Fans: Im Vergleich zum Panzerstahl-Hammer kostet Schlosserhammer im Hornbach-Onlineshop nur 11,95 Euro. Er hat die gleiche Form, ist ebenfalls 500 Gramm schwer, hat einen Hickory-Stiel, entspricht der deutschen Industrienorm und kommt von einem Markenhersteller. Einmal abgesehen von der limitierten Auflage: Warum geben Menschen 13 Euro mehr aus für den Panzerstahl-Hammer – für ein objektiv gleichwertiges Produkt? Und wieso ist er einige Zeit später manchen gar 398 Euro wert?
Abb. 2: Hornbachs Hammer – geboren aus Panzerstahl, gemacht für die Ewigkeit (Quelle: Heimat).
Link-Beschreibung: Die Video-Dokumentation von Hornbachs Hammer-Kampagne
Mit Gummibändern Interesse wecken
Das „Singapore Raffles Music College” galt als eingestaubt, elitär und schwer zugänglich. Für die Anfängerkurse warb bislang eine Musik-CD mit Hörproben von Absolventen, doch die Anfängerkurse füllten sich nur schleppend. Ein neues Mailing drehte den Spieß um: Die Post brachte den Interessenten wieder eine CD-Hülle – doch statt einer CD enthielt sie dieses Mal einen Plastikeinleger. In dessen vorgebohrte Löcher steckten die Musik-Neulinge die beigelegten Pinnadeln, um die sie wiederum ein straffes Gummiband spannten. Fertig war das pfiffige Musikinstrument. Die farblich codierte Anleitung zeigte den Mailing-Empfängern, in welcher Abfolge sie die Gummisaiten zupften sollten. Sie spielten beispielsweise Dun-dun-duuun-dun-dun-da-duuun-dun-dun-duuun-da-dun – das berühmte „Smoke on the Water”-Gitarrenriff (siehe Abb. 3). Die potenziellen Studenten erlebten mit ihren eigenen Händen, wie einfach und vergnüglich es ist, am Singapore Raffles Music College ein Instrument spielen zu lernen. Der Talent-Selbsttest kam an: Das musikalische Gummiband generierte eine 43-prozentige Rücklaufquote des Mailings und versechsfachte die Nachfragen für den Anfängerkurs – innerhalb von fünf Tagen war er ausgebucht. Es war das erfolgreichste Direct Mailing in der Geschichte des Raffles Music College und entstaubte nebenbei noch dessen Image. Wieso begeisterte das Direct Mailing so viele Musikstudenten für das Raffles Music College, obwohl das Angebot der Musikschule unverändert blieb?
Abb. 3: Die Botschaft: Musik spielen ist einfach und macht Spaß (Quelle: DDB Singapore).
http://www.youtube.com/watch?v=tCmexGuMqVQ
Link-Beschreibung: Das Video über das Gummibandinstrument-Mailing mit einigen Hörproben.
Kauflust entfalten
Nur jeder fünfte Kunde, der bei der Berliner Sparkasse ein Girokonto eröffnete, entschied sich auch für eine Kreditkarte. Eine neue Beratungshilfe machte die Kreditkartenvorteile auf andere Weise begreiflich. Auf ihre Tische stellten die Finanzberater eine edle schwarze Kartenbox. Im aufgeklappten Deckel der Box steckten die drei erhältlichen Kreditkartenvarianten: gold, schwarz und rot. Die Kreditkarten funkelten die Kunden an – es waren sogenannte Lenticular-Karten. Auf den modernen Wackelbildern entdeckten die Kunden je nach Blickwinkel drei unterschiedliche Motive, die Verwendungssituationen der Karte zeigten: beispielsweise ein in den Urlaub startendes Flugzeug, ein Pärchen beim romantischen Abendessen oder Freundinnen im Shopping-Fieber. Die Wackelbilder faszinierten die Kunden – viele sprachen die Berater plötzlich von ganz alleine auf die Kreditkarten an und die Berater schenkten ihren Kunden eine der Wackel-Karten. Die jeweilige Kreditkartenvariante erklärten die Finanzberater danach mithilfe einer separaten Logoloop-Endlosfaltkarte (siehe Abb. 4). Die Kunden entdeckten die Vorteile der Kreditkarte nun selbst, indem sie diese auf den vier Seiten der Karte entfalteten und entfalteten und entfalteten und entfalteten … Der Kreditkartenabsatz schnellte in die Höhe: Innerhalb von drei Monaten verkauften die Berliner Sparkassenberater so viele Kreditkarten wie sonst innerhalb eines ganzen Jahres. Die monatliche Absatzsteigerung betrug über 50 Prozent. Warum entfalten Wackelbilder und Endlosfaltkarten eine derart große Überzeugungskraft?
Abb. 4: Mehr Umsatz mit Wackelbildern und Endlosfaltkarten (Quelle: Touchmore).
Link-Beschreibung: Im Video erfahren Sie, wie die Kreditkartenbox Kunden und Berater gleichermaßen begeistert.
Ein magischer Trick ist nicht das Erfolgsrezept der Unternehmen aus den Eingangsbeispielen. Ein Zauberer schafft seine Magie jedoch mit dem gleichen Mittel: Er setzt seine Hände ein. Fasziniert Sie ein Zauberer, wenn er Abrakadabra murmelt und seine Hände dabei tief in den Hosentaschen vergräbt? Oder ist sein Auftritt dramatischer, wenn er simultan zur Zauberformel mit seinen gespreizten Händen das weiße Häschen umkreist und es durch die geheimnisvolle Kraft seiner Hände spurlos verschwindet? Echte magische Kräfte haben unsere Hände jedoch nicht – im Gegenteil: Mit unseren Händen entzaubern wir, was uns täuschen will.
1.1.1 Der Wahrheitssinn
Unsere Augen können uns dagegen täuschen: Wir sehen Fata Morganen, blinkende Punkte im Hermann-Gitter oder scheinbar schiefe Linien bei der Café-Wall-Illusion (siehe Abb. 5), die ein Mitarbeiter des Neuropsychologen Richard Gregory an einer gekachelten Wand in einem Café in Bristol entdeckte. Unsere Ohren lassen sich ebenfalls leicht austricksen: Wir hören das Meeresrauschen in einer Muschelschale, die wir an unser Ohr halten. Wir hören einen...