Hardcastle Fitzmorton und der lächelnde Tote
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-937357-25-6
Verlag: Bookspot Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, 232 Seiten
Reihe: Edition 211
ISBN: 978-3-937357-25-6
Verlag: Bookspot Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mord! Phileas Fitzmorton, der hinkende Inspektor von Scotland Yard, und sein Assistent Sergeant John Miller werden auf den Landsitz von Sir Travis Crimpleby gerufen. In dem vornehmen Gutshaus wurde ein pensionierter Oberst erschossen aufgefunden. Eines ist seltsam: Der Tote hält eine Bibel in der Hand, und er lächelt …
Eine scheinbare Idylle, unterdrückte Leidenschaften, verbotene Liebe und jede Menge Verdächtige - Inspektor Fitzmorton muss sich mächtig ins Zeug legen, um den kaltblütigen Mörder zu entlarven!
Fitzmorton hat das Zeug zur schrulligen Kultfigur - sein erster Fall: humorvoll, schnörkellos und spannend erzählt!
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Fitzmorton und der lächelnde Tote Eine wirkliche Idylle, dieses Crimpleby Manor. Ein Tudorbau aus rotem Backstein, eingebettet in das saftige Grün eines gepflegten Gartens, um den sich einige in Naturstein erbaute ältere Cottages gruppierten. Im hinteren Teil des Gartens stand ein weißes Gartenhaus, dessen pseudo-orientalischer Stil an Kurorte wie Baath erinnerte. Hübsch hier, dachte Detective Inspector Phileas Fitzmorton und genoss die morgendliche Idylle. Seufzend wandte er sich vom Fenster ab und seinem stillen Gastgeber zu. Der sehr blasse Sir Travis George Llewelyn Crimpleby, vierter Baron Crimpleby, Fideikommissherr und Lord of the Manor von Crimpleby Manor in Briswith-upon-Crye, nebenbei Brigadegeneral a. D. und Friedensrichter, konnte ihn nicht mehr willkommen heißen, denn er war tot. Mit leicht nach vorne geneigtem Kopf saß er in einem schweren grünen Ledersessel mit Messingnagelverzierung am erloschenen Kamin. Die eine Hand hing schlaff über der breiten Armlehne, die andere lag wie ein Lesezeichen in der geschlossenen Bibel in seinem Schoß. Ein längliches Pferdegesicht unter straff nach hinten gebürsteten, grauen Haaren mit einer spitzen, leicht nach oben gebogenen Nase verlieh Sir Travis ein nahezu pubertäres Aussehen, das nur durch den kräftigen Schnurrbart gemildert wurde. Ein männliches Gesicht, doch gleichzeitig zu weich durch eine dicke Habsburger Unterlippe. Inspector Fitzmorton hatte einmal einen Raubmörder überführt, der eine ähnlich dominante Lippe gehabt hatte. Höflich, leise und weinerlich war der Kerl gewesen, hinter dieser Maske aber verschlagen und eiskalt. Das waren oft die Gefährlichsten. Aber dieser da … ? Welche Geschichte verbarg sich hinter diesem Gesicht? Sir Travis war erst am frühen Morgen entdeckt worden. Seltsam. Die Bibliothek mit den eleganten Regencymöbeln wirkte in der milden Morgensonne einladend. Der weiche, blutrote Afghanteppich mit dem Elefantenfußmuster, die hohen Mahagoniregale und die vielen Bücher, zum großen Teil mit kostbaren, goldgeprägten Ledereinbänden, die schweren Vorhänge, alles in diesem Raum atmete die typische Atmosphäre nobler Lebensart, die auf einem in Generationen angehäuften Reichtum gegründet war. Hier war noch alles an seinem Platz und würde es wohl in hundert Jahren noch sein. Landadel, ererbter Wohlstand, Sicherheit, Langeweile. Superintendent Pillbody Somerset-Jones von der County Police hatte dem Inspector verschwörerisch verraten: „Sir Travis war früher ein hohes Tier im Innenministerium. Erst hoch dekorierter Berufssoldat und später geheime Aufträge und so weiter, na, Sie wissen schon.“ Fitzmorton hasste diese Phrase, denn er wusste natürlich nichts. Wenn man seinen Tod in Betracht zog, dann war das Leben von Sir Travis bestimmt nicht langweilig gewesen und zuweilen wohl auch gefahrvoll. Sir Travis lächelte. Inspector Fitzmorton versuchte in diesem seltsamen Lächeln einen etwas gequälten Zug zu entdecken, aber nein, der Tote lächelte einfach nur! Man hätte meinen können, er döse lediglich ein wenig vor sich hin, so friedlich zurückgelehnt lag er in seinem bequemen Ledersessel, der Kopf leicht nach vorne gesunken. Nur seine halb geöffneten Augen, die ins Nichts starrten, passten nicht so recht zu diesem eigenartigen Lächeln. Fitzmorton hatte unwillkürlich den Eindruck, dass Sir Travis seinen Mörder gekannt und bis zur letzten Sekunde nicht wirklich ernst genommen hatte. Vielleicht so wie ein Vater, der sich über die ersten amourösen Versuche seines frühreifen Sohnes mit dem Hausmädchen amüsiert. Er hatte noch nie ein Mordopfer mit einem derartigen Lächeln im Gesicht vor sich gehabt, und er hatte schon einige gesehen. Sich etwas unschlüssig über seinen dünnen Kinnbart streichend, hinkte Fitzmorton um den Sessel herum und betrachtete den Einschuss in der Schläfe des Toten aus nächster Nähe. Unter dem Ansatz der schütteren grauen Haare war ein kleines, fast kreisrundes Loch. Nur wenig Blut war aus der Wunde ausgetreten, über der sich die blasse Haut schon wieder fast ganz zusammengezogen hatte. Ein dünner, verkrusteter Blutfaden war bis zum Kinn gelaufen. Dort war das Blut zu einem Schorfpunkt getrocknet. Noch nicht einmal der teuer aussehende Hausmantel war verschmutzt. Der Mörder musste ein ungewöhnlich kleines, aber dennoch sehr wirksames Kaliber benutzt haben. In jeder Hinsicht eine saubere Arbeit. Ausnahmsweise einmal ein beinahe angenehmer Leichnam. Inspector Fitzmorton bemerkte zu seiner eigenen Überraschung, dass ihn sein Magen entgegen der sonstigen Gewohnheit nicht mit aufkommender Übelkeit peinigte. Trotzdem empfand er ein spöttisch lächelndes Mordopfer als obszön, so als wolle der Täter damit einen geplagten Scotland Yard Detective verhöhnen. Er betrachtete die auf den Knien des Toten liegende goldverzierte, in weinrotes Schweinsleder gebundene, anglikanische Bibel. Sie passte in ihrer gediegenen Ausstattung zur teuren, etwas abgetragenen grauen Tweedhose, die unter dem seidenen Hausmantel des Mordopfers hervorlugte. „Na, wenigstens hatte er noch eine erbauliche Lektüre“, brummte Fitzmorton. Sein Assistent, Detective Sergeant John Miller, schnaubte missbilligend: „Le style c’est l’homme!“ „Werden Sie nicht witzig, Miller!“ Fitzmorton reagierte zuweilen humorlos und wusste selbst nicht recht, warum. Miller hatte die höhere Schule nicht abgeschlossen, und für ein Studium hätte die verwitwete Mutter auch kein Geld übrig gehabt. Seine Ausbildung zum Polizisten hatte er jedoch durch die Lektüre philosophischer und historischer Werke umfassender ergänzt als manch lustloser Oxfordabsolvent, wobei es ihm sonderbarerweise die Franzosen besonders angetan hatten, mit denen Fitzmorton selbst nur wenig anfangen konnte. Die Heilige Schrift war geschlossen, doch die Hand des Toten steckte zwischen den Seiten, so als ob sich Sir Travis noch im Sterben ein bestimmtes Bibelwort hatte einprägen wollen. Was mochte der Tote wohl in der Bibel gelesen haben? Inspector Fitzmorton war kein Bibelexperte, das überließ er lieber den breithüftigen Jungfern und den hühnerbrüstigen Reverends, die sich ein sonntägliches Stelldichein in den kleinen englischen Dorfkirchen zu geben pflegten. Aber vielleicht konnte ihm die Bibel einen hilfreichen Hinweis zur Klärung dieses seltsamen Mordes im Herrenhaus von Briswith-upon-Crye geben. Fitzmorton war viel zu neugierig, man konnte ja nie wissen. Vorsichtig öffnete er die Bibel und begann darin zu lesen. Die Finger des Toten deuteten auf die Worte: „Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch, der mit mir isst, wird mich verraten.“ „Markus 14, Vers 18!“, zitierte Sergeant Miller hinter ihm selbstzufrieden. Fitzmorton hob den Kopf und entlastete dabei unauffällig das Bein mit der alten Schussverletzung. War es möglich, dass das Opfer einen Hinweis geben wollte? Wäre er abergläubisch gewesen, so hätte er darin einen Hinweis des Himmels sehen müssen. Aber man sollte niemals nie sagen. Andererseits - hätte er dann so gelächelt und sich nicht gewehrt? Fitzmortons an Fakten ausgerichtete Denkweise verbot es ihm, an derartige Zufälle zu glauben. Dem Tod lächelnd entgegenzusehen, das war kaum vorstellbar. Es musste sich um einen seltsamen Zufall handeln. Ihm war bisher jedenfalls noch niemals vom Mordopfer selbst ein Hinweis gegeben worden. Was sollte das denn überhaupt heißen? „Einer unter euch, der mit mir isst …“ Das konnte sowohl auf die Familie hindeuten, als auch auf Freunde und Bekannte. Nicht völlig abwegig, wie er sich ärgerlich eingestand. Bekanntlich wurden die meisten Morde von nahen Verwandten oder Bekannten begangen. Da konnte der Tote durchaus versucht haben, mit seinem Bibelzitat noch einen vagen Hinweis zu geben. Überhaupt die Bibel, dachte Fitzmorton amüsiert … hatte man nicht vor zwei Jahren einen Pfarrer als Mörder entlarvt? Vielleicht hatte das Opfer ja deswegen gelächelt, weil es der Pfarrer …? Nein! Ein mörderischer Pfarrer? Dieser Gedanke war dann doch zu abenteuerlich. Aber vielleicht hatte das Opfer einen etwas exzentrischen Humor gehabt? Fitzmorton schob diese ganzen Gedanken als Unsinn beiseite.
Am Morgen hatte man ihn aus Pickford-Haven-upon-Crye, wo er gerade einen brutalen Raubüberfall aufgeklärt hatte, der einen Bankkassierer das Leben gekostet hatte, hierher gerufen. Deshalb war, zur großen Überraschung des Ortspolizisten, bereits eine Stunde nach dem Anruf in London ein veritabler Inspector von Scotland Yard am Tatort aufgetaucht. Constable Craig McLumber hatte sich sogar sehr darüber geärgert. Immerhin hatte er sich für kurze Zeit – als der am Tatort ermittelnde Beamte – selbst wie ein Yard-Mann gefühlt und sich dabei schon ausgemalt, welches Aufsehen es erregen würde, wenn er rasch den Mörder schnappen könnte. „Cleverer Landpolizist überführt Mörder von Baron“ – das hätte sich schon sehr gut gemacht ... Dem Superintendenten der County Police von Pickford-Haven, Pillbody Somerset-Jones Esqu., war es dagegen nur recht, die Verantwortung für diesen möglicherweise prekären Fall einem Fremden, noch dazu einem Beamten von New Scotland Yard aus London, aufbürden zu können. War doch der Tote ein bekannter Mann in der Umgebung gewesen und hatte in London früher eine hohe Stellung im Innenministerium bekleidet. Heiße Geschichte also. Bei prominenten Opfern drohte sowieso oft Ärger, und den wollte sich der Superintendent aus Prinzip und persönlicher Bequemlichkeit ersparen. Sollte sich damit doch dieser hinkende Inspector vom Yard herumschlagen....