Haese | Heringshappen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

Haese Heringshappen

Küsten Krimi

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

ISBN: 978-3-96041-402-5
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: PC/MAC/eReader/Tablet/DL/kein Kopierschutz



Hanna Hemlokk ermittelt wieder: Das Bokauer Private Eye in Hochform.

Der Wirt des hippen Gourmettempels 'Heuschrecke' ist tot, zertrampelt von einer Kuh. War es tatsächlich ein Unfall? Oder hat der 'Reichsbürger' Rolf Bapp etwas damit zu tun? Und welche Rolle spielt der dauertwitternde Bürgermeisterkandidat Arwed Klinger? Ganz zu schweigen von dem Horror-Clown, der seit Kurzem sein Unwesen in Bokau treibt. Hanna Hemlokk, das schräge Private Eye mit Herz und Hirn, ist gefordert – und sieht sich bald mit einem zweiten Todesfall konfrontiert.
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EINS »FuckUp-Nights auf Hollbakken?« Ich beäugte meinen Freund Johannes entgeistert. Meinte er das etwa ernst? Tat er – todernst sogar, sein entschlossener Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel daran. »Nun guck nicht so, Hanna. Du weißt doch, dass ich dringend Geld für den Unterhalt des alten Kastens brauche. Und FUNs sind momentan überall auf der Welt total angesagt.« Das mochte ja sein, doch ich war mir ziemlich sicher, dass seine hochwürdigen Ahnen allesamt wie Turbinen im Grabe rotieren würden, wenn sie von den Plänen des jüngsten Betendorp-Sprosses erfahren könnten. Einerseits. Andererseits saß Johannes als einzig verbliebener Lebender der Familie, deren Stammbaum mindestens bis zu Knud dem Schädelspalter zurückreichte, mit dem Herrenhaus und Eurograb Hollbakken an. Sie nicht. »Noch einen Tee?«, fragte ich daher, um meine Gedanken zu sortieren. Auf alles war ich vorbereitet gewesen, als er heute Morgen seinen Besuch in meiner Villa angekündigt hatte, um mich in seine neuesten Pläne einzuweihen – darauf allerdings nicht. Ritterspiele, ja. Erneute Incentive-Feiern ebenfalls sowie Luxuspicknicks auf dem löcherigen Grün hinter dem Haus oder Mittelalter-Märkte im maroden Innenhof. Aber FuckUp-Nights im großen Salon? Definitiv nein. Johannes, der mein Mienenspiel stumm beobachtet hatte, wuchtete sich von meiner roten Couch hoch und hielt mir die Tasse hin. Ich schenkte ihm automatisch nur zur Hälfte ein, denn er pflegte liter- und löffelweise Milch und Zucker in seinen Tee zu kippen. Er konnte sich das leisten. Der Mann war rank und schlank wie ein Aal und würde höchstwahrscheinlich auch bis ins Greisenalter immer so bleiben. Beneidenswert. »Also«, sagte ich bedächtig, als er samt Tasse wieder saß, »fangen wir noch einmal von vorn an.« Er grunzte zustimmend. »Gut, dann hilf mir doch mal kurz auf die Sprünge: ›Fuck up‹ heißt übersetzt so viel wie ›vermasseln‹ oder ›in den Sand setzen‹, wenn ich mich nicht irre.« Er neigte zwar kaum merklich den Kopf, blieb aber weiterhin stumm und kam mir kein Jota entgegen. Also fuhr ich fort. »Und es geht bei solchen Veranstaltungen um berufliche Fehler und Misserfolge, richtig?« Auch im abseits von allen hippen Metropolen dieser Welt liegenden idyllischen Bokau haust man schließlich nicht vollends in einem schwarzen Loch. Außerdem hatte ich seinerzeit solide Englischstunden in der Schule genossen und wusste zudem, dass jenes bewusste Wort im Fernsehen der USA mit einem Piepton belegt wird, sobald es jemand ausspricht. »Die man vor Publikum eingesteht, ja«, bequemte sich Johannes jetzt mit ernstem Gesicht zu sagen, während er den wohlschmeckenden Earl Grey rührend in eine Art Babybrei verwandelte. »Und genau das ist das Gute an der ganzen Sache, Hanna.« Genüsslich leckte er den Löffel ab und legte ihn achtlos auf den Tisch. Dann schaute er mich fest an. »Weil wir in Deutschland einfach keine richtige Fehlerkultur besitzen. Alles muss möglichst toll und perfekt sein. Und zwar immer. Scheitern geht hierzulande gar nicht und gilt als Schande, weil wir unbewusst Erfolglosigkeit im wirtschaftlichen Bereich mit Versagen im moralischen gleichsetzen. Und das ist doch totaler Mist. Wieso kann man nicht offen über seine Fehler sprechen? Jeder macht welche. Ständig. Und wir wissen es alle.« Mhm. So formuliert, klang das ziemlich vernünftig, zugegeben. Ich nahm ebenfalls einen kräftigen Schluck Tee, um mein Unbehagen, das ich trotzdem dabei verspürte, besser in Worte fassen zu können. Denn war das nicht lediglich die eine, blank polierte Seite der Medaille? Starrten einem nicht unweigerlich Schmutz und Rost entgegen, sobald man sie umdrehte? Johannes pustete völlig unnötigerweise über seinen Zucker-, Milch- und Teebrei und schaute mich dabei erwartungsvoll an. »Na ja«, begann ich daher vorsichtig, »das ist alles zweifellos richtig, was du da sagst, aber einen gewissen Unterhaltungswert besitzt die Sache doch auch, oder?« Und das war noch höflich formuliert, wie ich fand. Sensationsgeilheit hätte es meiner Meinung nach weit eher getroffen, aber ich wollte meinen Freund nicht verletzen. »Ja, klar. Natürlich«, gab Johannes schnörkellos zu. An seinem Tonfall hörte ich, dass er mit diesem Einwand gerechnet hatte. »Aber ist das denn so schlimm? Jeder will sich amüsieren, wenn er ehrlich ist. Es kommt doch darauf an, was hinter allem steht. Und die Botschaft der FUNs ist einfach nur gut, weil sie nämlich lautet: Nichts ist endgültig, das Leben geht auch nach der größten Pleite weiter. Gerade du hast das doch am eigenen Leib erfahren, Hanna. Als das mit deinem Studium nicht so richtig klappte, hast du begonnen, Liebesgeschichten zu schreiben. Und als du von denen genug hattest, bist du Privatdetektivin geworden. Und wer kann schon sagen, ob das dein endgültiger Beruf ist?« Ich. Ich konnte das definitiv sagen. Denn mittlerweile war ich Private Eye mit Leib und Seele, auch wenn es mir gerade ein bisschen an Fällen mangelte und ich mich zunehmend langweilte. Allerdings gedachte ich, das just an diesem Abend zu ändern. Aber davon später. Jetzt ging es erst einmal um Johannes und seine Vermasselungs-Nächte, wobei ich in diesem Moment, das muss ich zugeben, nicht den Hauch einer Ahnung in meiner sonst in derartigen Dingen äußerst zuverlässigen Blase spürte, was sich daraus für Bokau und speziell für mich entwickeln sollte. »Na ja«, hob ich ein zweites Mal an, ohne auf Johannes’ Schilderung meines zugegebenermaßen keineswegs knickfreien Berufsweges einzugehen, »weißt du, ich stelle mir nur vor, da sitzen dann zwanzig, vierzig, vielleicht sogar hundert Leute in der Halle von Hollbakken, während einer erzählt, wie er mit seinem Unternehmen in den Konkurs gegangen ist. Wie er es dann mit einer neuen Idee und einer neuen Firma wieder versucht hat, nur um dann mit der erneut eine Pleite hinzulegen. Es ist ein Auf und Ab, Höhen und Tiefen kommen und gehen, Leidenschaft und Leiden wechseln sich ab. Es sind menschliche Schicksale, und es ist Dramatik pur, verstehst du?« »Selbstverständlich tue ich das. Denn genau darum geht es doch gerade. Um menschliche Schicksale, und wie man mit ihnen umgeht. Deshalb ist es auch so gut, dass –« »Moment«, unterbrach ich ihn und hob die Hand wie ein Verkehrspolizist bei Rot, wenn die Ampel ausfällt. »Was ich eigentlich sagen will, ist, dass das Ganze für meinen Geschmack entschieden etwas von Hollywood hat. So ein öffentliches Taumeln zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt, zwischen totaler Euphorie und völliger Verzweiflung, meine ich. Bloß dass das hier die Wirklichkeit ist und keine Filmromanze zwischen zwei Megastars, wo sich alles in Friede, Freude, Eierkuchen aufgelöst hat, wenn der Abspann über die Kinoleinwand flimmert. Dies hier sind richtige Menschen, Johannes. Da hängen Existenzen und Lebenswege dran. Deshalb habe ich damit solche Bauchschmerzen.« Er schwieg. Allerdings hatte er seine halb leere Tasse mittlerweile auf den Tisch gestellt und die Arme vor der Brust verschränkt. Die klassische Abwehrhaltung. Ich ließ nicht locker. Es half ja nichts. Irgendwann würden meine Bedenken ohnehin aufs Tapet kommen. Da konnten wir das auch gleich hinter uns bringen. »Was ich sagen will, ist, dass diese FuckUp-Night-Dinger auch ziemlich viel mit Voyeurismus und einer gehörigen Portion Schadenfreude zu tun haben. Und ich weiß nicht, ob ich das so toll finde.« So, nun war es ausgesprochen. Doch Johannes verzog keine Miene, als habe er auch mit diesen Bedenken gerechnet. »Das stimmt schon, ich streite das ja überhaupt nicht ab. Aber du kannst es eben auch anders sehen. Denn für denjenigen, der von seinen Niederlagen erzählt, kann das ganz heilsam sein, und für die Zuhörer, von denen sich möglicherweise so mancher mit dem Gedanken trägt, selbst ein Start-up zu gründen, ist es ermutigend. Weil sie nicht allein sind, wenn sie ihr Projekt in den Sand setzen. Das passiert anderen genauso und ist deshalb nicht so schlimm. Die Welt geht davon nicht unter. Das ist die Botschaft.« Er grinste mich schief an. »Du denkst typisch deutsch, Hanna. Alles hat sicher und garantiert zu sein. Alles geht seinen vorgezeichneten Weg. Aber schau dir doch einmal die Arbeitswelt von heute an. Da sind überall Umdenken, Flexibilität und neue Ideen gefragt. Und dazu gehört nun einmal zwangsläufig auch das Scheitern. Wie gesagt, du bist doch das beste Beispiel dafür.« Himmel, musste er denn immer wieder darauf herumreiten? Sooo stolz war ich nun auch nicht auf meinen Werdegang. »Nein, der Mensch von heute muss einfach für sein Leben Misserfolge und diverse Richtungswechsel einkalkulieren, sonst hat er schon verloren.« Wieder griff er nach seiner Teetasse. Der Brei musste inzwischen kalt sein. Ihn schien das nicht zu stören, denn er stürzte den Rest in einem Zug hinunter, ohne das Gesicht zu verziehen. »In den USA denken die schon ewig so. Guck dir Donald Trump an. Der ist in seinem Leben bekanntlich mehrmals krachend auf die Schnauze gefallen, hat so manchen Deal versaut, und nun ist er immer noch Milliardär und außerdem Präsident einer Supermacht. Oder Arwed Klinger. Der schimpft sich zwar jetzt Großbauer, aber in seiner früheren Existenz leitete er eine Zementfirma, die er mit Schmackes gegen die Wand gefahren hat.« Dazu muss man wissen, dass bei uns in Bokau seit nunmehr einem guten Monat der Wahlkampf tobte. Zwei Bürgermeisterkandidaten standen seit September zur Debatte: nämlich besagter Arwed Klinger, ein Populist reinsten Wassers, der nicht nur auf dem Schädel dem aktuellen US-Präsidenten nacheiferte,...


Ute Haese, geboren 1958, ist promovierte Politologin und Historikerin und war zunächst als Wissenschaftlerin tätig. Seit 1998 arbeitet sie als freie Autorin und widmet sich inzwischen ausschließlich der Belletristik im Krimi- und Satirebereich sowie zusätzlich der Fotografie. Die Autorin lebt mit ihrem Mann am Schönberger Strand bei Kiel. Sie ist Mitglied bei den Mörderischen Schwestern und im Syndikat.


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