E-Book, Deutsch, Band 2
Reihe: Café Hannah
Überraschungen
E-Book, Deutsch, Band 2
Reihe: Café Hannah
ISBN: 978-3-945932-51-3
Verlag: 26|books
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Weitere Infos & Material
1 –Drei Männer sind zwei zu viel (Hannah Jensen)
Irritiert lauschte Hannah auf die männliche Stimme, die im Halbdunkel an ihr Ohr drang. War Klaus bereits aufgestanden? Hannah schoss hoch und wollte aus dem Bett springen, da hörte sie, dass es Englisch war. Glücklich lächelnd ließ sie sich zurück ins Kissen fallen. Ihr Sohn JJ sang in der Dusche. »Kaum wirst du fünfzig, schon setzt dein Hirn aus«, lästerte sie, aber sie freute sich. Das Wasser wurde abgedreht. Hannah stand auf, schlüpfte in ihren Morgenmantel und stellte sich in die Tür. »Good morning, dear«, sagte sie, als ihr Sohn das Bad verließ. Wohlwollend ließ sie ihren Blick über seinen durchtrainierten Körper gleiten. »Schade, dass ich deine Mutter bin«, sagte sie und stieß absichtlich einen lauten Seufzer aus. »Mom!« Hannah lachte. JJ war es immer noch peinlich, dass manche ihrer Liebhaber kaum älter waren als er. »Keine Bange, ich vernasch dich schon nicht«, rief sie. »Ich freue mich einfach wahnsinnig, dass du da bist.« »Ich freue mich auch, dich zu sehen«, erwiderte JJ. An seiner Miene sah sie, dass er es auch so meinte. »Es war eine verdammt lange Zeit«, erwiderte sie leiser und versuchte, keinen Vorwurf mitschwingen zu lassen. »Es tut mir auch leid, aber du weißt, dass es nicht möglich war.« »Ich weiß, ich weiß. Zieh dich an, ich hüpfe schnell unter die Dusche und mache uns anschließend ein schönes Frühstück.« »Okay.« JJ beugte sich zu ihr herunter, drückte ihr einen schnellen Kuss auf die Wange und verschwand in dem Zimmer, das Svenja ihm für seinen Aufenthalt überlassen hatte. »Ich bleibe die paar Tage bei Frank«, hatte sie gesagt. »Ist eine gute Gelegenheit zu testen, ob wir zusammenpassen. Aber sag Ben nichts davon, ja?« Hannah hatte sich gefragt, ob Svenja Bens wahre Gefühle für sie kannte und sie nicht verletzen wollte oder ob sie ihn einfach wieder aus ihrem Leben drängen wollte. Hannah zog eine Grimasse, zum einen, weil ihr Schaum ins Auge geraten war, zum anderen wegen ihrer Nichte. Niemand hätte gedacht, dass sie so schnell nach der Trennung von Magnus eine neue Beziehung eingehen würde. Ihren eigenen Worten zufolge hatte es eingeschlagen wie ein Blitz. »So etwas habe ich noch nie erlebt! Es fühlt sich an, als sei ich endlich vollständig.« Hannah hatte Frank erst zwei Mal gesehen und sie wollte ihn nicht vorverurteilen. Aber sie fühlte sich gefährlich an Magnus erinnert. Immerhin – er war Angestellter, nicht der Sohn des Chefs. Doch er zeigte dieselben Verhaltensmuster wie Svenjas Ex-Verlobter. Hannah war sich sicher, dass ihre Nichte Bens Vorzüge früher oder später erkennen würde. Die Frage war, ob er so lange durchhalten würde. Er litt still und leise und zog sich immer mehr in sich zurück. Hannah rubbelte sich trocken. So viele verfahrene Beziehungen – ihre eigene mit Klaus eingerechnet. Sie wusste, sie musste so bald wie möglich mit ihm reden. Aber nicht heute und auch nicht morgen. Jetzt würde sie sich erst einmal um JJ kümmern – und um ihren Geburtstag. Sie lächelte ihrem Spiegelbild zu und ging in ihr Zimmer, um sich anzuziehen. JJ hatte den Küchentisch gedeckt und Kaffee aufgebrüht. Zwischen den Gedecken stand eine rote Rose. »Ich habe erst am Montag Geburtstag.« »Die ist auch für einfach nur so«, sagte er. »Also, ich meine, I mean …« »Ich weiß, was du meinst. Danke.« Sie tätschelte seine Hand und holte sich ein Glas Wasser, um ihre Rührung zu verbergen. Sie tranken Kaffee, aßen die Semmeln, die JJ geholt hatte, und hingen ihren Gedanken nach. »Was möchtest du heute machen?«, fragte Hannah schließlich. »Ich helfe dir.« »Es gibt nichts zu helfen. Petra und Bassam haben alles bestens im Griff. Das haben sie gestern Abend noch einmal bestätigt. Im Café haben Edeltraut und Gina übernommen, ich kann mich also ganz dir widmen.« »Oder du entspannst und bereitest dich auf deinen großen Tag vor.« JJ grinste. »Ja, ja, reib mir nur unter die Nase, dass ich alt werde«, erwiderte Hannah gut gelaunt. Dann wurde sie ernst. »Denkst du, es ist richtig, die Feier nicht im Café abzuhalten?« »Selbstverständlich ist es richtig! Im Café hättest du keine ruhige Minute, würdest dich immer verpflichtet fühlen, dich um alles zu kümmern.« Hannah wusste, er hatte recht. »Edeltraut wird mir das nie verzeihen.« »Ach Quatsch. Zufällig weiß ich, dass sie sich gut damit abgefunden hat und eine Überraschung plant. Aber von mir hast du das nicht.« »Ich weiß von nichts.« »Gut.« Er zögerte. Hannah wartete, aber er schwieg. »Was hast du auf dem Herzen? Sag es, egal, was es ist.« Er schaute ihr direkt in die Augen, was er selten tat. Hannah durchfuhr ein eisiger Schreck. Was würde jetzt kommen? Spontan fiel ihr nichts ein, was so schlimm war, dass er es ihr nicht sagen konnte. Egal, ob er schwul war, ein uneheliches Kind gezeugt oder heimlich geheiratet hatte – alles keine Katastrophe. »Also? Sprich es aus. Du weißt, du kannst mir alles sagen. Wirklich alles.« Er wandte den Blick ab. »Ich weiß, Mom, ich weiß. Ich – ich würde heute gern zum Grab von Oma Klara gehen.« Hannah war einen Moment sprachlos. Das war alles? »Das ist eine gute Idee«, sagte sie schnell. »Wirklich?« Sie hörte seinen zweifelnden Ton. »Ja, warum nicht? Nur, weil ich nichts von Gräbern und Friedhöfen halte, heißt das nicht, dass andere es auch so halten müssen.« »Okay. Great.« Seine Erleichterung war deutlich sichtbar. Hannah nahm sich vor, in der Woche, die sie gemeinsam hatten, an ihrer Beziehung zu arbeiten. »Es tut mir leid«, sagte Hannah. Sie hatte JJ nach dem Friedhofsbesuch in ein nahes Café geführt, wollte ihm Zeit geben. »Was tut dir leid?« »Alles, was damals passiert ist. Ich habe dich einfach gezwungen, mit mir nach Amerika zu gehen.« JJ schaute sie stirnrunzelnd an. »Darüber machst du dir immer noch Gedanken?« »Ja. Ich hätte dich mehr einbeziehen müssen.« »Ich war fünf! Ich glaube nicht, dass ich etwas Vernünftiges hätte sagen können.« Hannah lachte unsicher. »Das sagst du heute. Aber damals warst du ganz schön sauer auf mich.« »Klar war ich sauer. Du hast mich aus meiner gewohnten Umgebung gerissen, das ist für jeden schwer, für ein Kind aber ganz besonders.« Er dachte nach. »Ja, ich war wirklich sauer, ich glaube, ich habe dich zeitweise sogar gehasst. Aber du hast das Richtige getan.« »Bist du sicher?« »Ja, ich bin sicher. Du kannst als Erwachsener nicht nur Rücksicht auf ein Kind nehmen. Was wäre denn die Alternative gewesen?« Er schaute sie herausfordernd an. Hannah zuckte mit den Achseln. »Wir wären vermutlich in München geblieben.« »Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Svenja hat mir mal erzählt, dass sie als Kind mitbekommen hat, wie ihre Eltern darüber nachdachten, mich zu sich zu holen.« Hannah schnappte nach Luft. »Wie bitte? Das kann ich nicht glauben. Da hat sie garantiert etwas missverstanden.« »Nein. Sie hat mir sehr viel Konkretes erzählt. Sie planten, dir das Sorgerecht entziehen zu lassen.« Hannah starrte JJ ungläubig an. »Ich fasse es nicht.« War es möglich, dass ihr Bruder Rasmus ihr ihren Sohn hatte wegnehmen wollen? Wenn sie ehrlich war, musste sie einsehen, dass es durchaus logisch klang. Rasmus kam vollkommen nach ihrem Vater; er war nur glücklich, wenn er die Geschicke aller Menschen um sich herum bestimmen konnte. JJ legte seine Hand auf ihre. »Sorry, Mom, ich dachte, du wüsstest das. Ich dachte, wir seien deswegen nach New York gegangen.« »Nein, ich wusste absolut nichts davon«, sagte Hannah. Hatte Klara darauf angespielt, als sie ihr sagte, es sei besser, JJ, der damals noch Jonathan hieß, in geordneten Verhältnissen aufwachsen zu lassen? Sie schüttelte unwillkürlich den Kopf. Nein, das konnte Klara nicht gewollt haben, auch wenn sie Rasmus nicht kannte. Klara hatte immer nur das Wohl von Jonathan im Sinn. Aus ihrer Sicht musste es barbarisch gewirkt haben, einen Fünfjährigen aus der gewohnten Umgebung herauszureißen und in ein völlig fremdes Land zu schleppen. »Ich bin froh, dass du es angesprochen hast«, sagte Hannah und drückte JJs Hand. »Ich werde vermutlich immer ein schlechtes Gewissen dir gegenüber haben, denn ich war nie die perfekte Mutter. Aber etwas erleichtert bin ich nun schon.« »Stimmt, perfekt warst du nie.« JJ lächelte sie liebevoll an. »Aber langweilig eben auch nicht. Und das ist für ein Kind...